ALLES für NICHTS. Volker Bauch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Bauch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783738014020
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reines Hoch deutsch. Mir war sofort klar, um was es ging. Und mir war klar, dass ich es keineswegs nur mit zwei Typen zu tun hatte, die bisher immer aufgetaucht waren. Da steckte mehr dahinter.

      Ich hatte diese Stimme noch nie gehört, die mir nun unmissver ständlich deutlich machte, was man von mir erwartete.

      Ein paar Tage später kam ein größerer Briefumschlag ohne Ab sender, abgestempelt in Hannover. Darin enthalten waren 15 wei tere BlankoBogen von großen Unternehmen. Sonst nichts.

      Ich wusste, was man wollte und was ich zu tun hatte. Ich sollte die gleiche Sache noch mal durchziehen. Anscheinend dachten die Verbrecher, es hätte ausschließlich daran gelegen, dass es diese erfundene MV MEDIENVERTRIEB GMBH nicht gab.

      Ob ich nun eine real existierende Firma oder ein Fantasiepro dukt genommen hätte, war egal. Es hätte so oder so nicht funkti oniert. Und es würde auch ein weiteres Mal nicht funktionieren. Aber genau das wussten die Typen nicht.

      Mir wurde übel bei der Vorstellung, dieses Scheißspiel noch einmal durchziehen zu müssen. Durch die ganzen getürkten Un terlagen war ich selbst bereits schon kriminell geworden, ohne es zu wollen. Niemand war geschädigt worden und darauf kam es mir an. Wäre ich allerdings unter meiner wahren Identität aufge treten, hätte ich mich auch gleich selbst anzeigen können. Wie dann die Reaktion der anderen Seite ausgefallen wäre, wollte ich mir erst gar nicht ausmalen.

      Ich saß mittendrin im Sumpf. Ich musste mich für eine Alterna tive entscheiden. Jede für sich, hätte hinreichende Folgen gehabt. Ich entschied mich für die, nach meiner Ansicht nach, weniger gefährlichere Möglichkeit.

      Die PBank war für die neue Aktion nicht mehr zu gebrauchen. Ich fuhr zur D Bank nach Marburg und eröffnete als MICHAEL DILLER, GESCHÄFTSFÜHRER DER RF DESIGN GMBH, ein

      Geschäftskonto. Die Firma gab es tatsächlich. Ich konnte sogar den Handelsregisterauszug vorlegen, den ich aus einer Veröffent lichung der Industrie und Handelskammer hatte.

      Der Filialleiter sorgte dafür, dass das Konto sofort aktiv war. Ich erhielt die notwendigen Formulare und sogar 20 Schecks. Ein Kre ditvolumen lehnte ich ab.

      Das Prozedere ging von vorne los: Ich schrieb die Abbuchungs aufträge, sandte sie an die Banken der Firmen und beauftragte die DBank die Gelder einzuziehen. Diesmal kam ich auf eine fiktive Summe von 2.3 Millionen DM.

      Ich wartete nun auf eine Reaktion der DBank und auf die Nach richt, dass die Gelder nicht eingelöst werden könnten. Doch nichts geschah.

      Stattdessen meldeten sich die Verbrecher und erkundigten sich danach, ob die Sache laufen würde. Sie wollten endlich Geld se hen und drohten:

      „Verarscht du uns und nimmst die Kohle für dich selbst, gibt es Tote! Verlass dich drauf! Du besorgst sofort 1.5 Millionen, egal wie!“

      Ich stellte zwei DBankSchecks der RF DESIGN über jeweils

      750.000 DM aus und reichte diese bei meinen eigenen Banken ein. Da das Konto bei der DBank nicht gedeckt war, würden die Scheck garantiert zurückkommen. „Nicht eingelöst“ und darüber bekäme ich einen Beleg. Und genauso geschah es.

      Ein Mitarbeiter einer meiner Hausbanken meldete sich telefo nisch und stellte Fragen in Bezug auf die Firma RF DESIGN und den hohen Scheckbetrag. Ich konnte ihm schlecht sagen, dass al les nur eine riesige Seifenblase war, um Verbrecher auszutricksen, die mich seit eineinhalb Jahren erpressten und bedrohten. Doch hinter den Kulissen liefen bereits die Drähte heiß.

      Es war Montagmorgen, der 27.11.1995, als mich vier Beamte der Kriminalpolizei Korbach aus meinem Bett holten. Sie hatten sich bei Beate meinen Wohnungsschlüssel besorgt und sie gleich als Zeugin mitgebracht. Man hielt mir einen Beschluss des Amts gerichts Korbach unter die Nase, meine Wohnung und die Ge schäftsräume von PRO MEDIA zu durchsuchen. Der Vorwurf: Betrug und Urkundenfälschung zum Nachteil mehrerer Unter nehmen.

      Das Büro hatten sie sich vom Vermieter öffnen lassen. Als ich dort ankam, kopierten bereits drei andere Beamte die Daten mei ner EDVAnlage. Vorher hatten sie sogar noch mein Auto durch sucht.

      Es lief eine Großaktion auf der Suche nach Beweismitteln, gelei tet von einer Kriminalhauptkommissarin PETRA SAGLLÖH NER, Kripo Korbach.

      Ich wurde darüber informiert, dass einige Firmen Strafanzeige wegen ungerechtfertigter Kontoabbuchungsversuche gestellt hät ten und dass ich mich dazu nicht äußern brauchte. Das tat ich auch nicht.

      Sie filzten jeden Schrank, jede Schublade und nahmen alles mit, was in ihren Augen, nach einer Straftat roch. Es dauerte ganze drei Stunden, bis der Spuk vorbei war.

      Ich musste mich erst einmal sortieren.

      Sie hatten die Daten aus dem Computer kopiert. Ansonsten hatten sie nur normale Geschäftsunterlagen von PRO MEDIA mit genommen, die mit den Vorgängen überhaupt nicht in Verbin dung standen.

      Die Blankobogen, der angeblich geschädigten Firmen von der DBankAktion, hatten sie in ihrem Eifer gar nicht entdeckt, ob wohl sie offen in einer Mappe auf einem Schrank lagen. Dafür hatten sie die Schecks der D Bank, die Bestätigung über die Kon toverbindung in Luxemburg und die Kopien der gefälschten Per sonalausweise gefunden.

      Beate war inzwischen ebenfalls im Büro eingetroffen und völlig aufgelöst. Sie fragte mich, was das alles zu bedeuten hätte und ob es einen Zusammenhang gäbe mit den permanenten Beobach

      tungen ihrer Person durch die vier Typen in dem Auto, das noch immer regelmäßig in der Nähe ihrer Wohnung stehen würde. Je des Mal, wenn sie nach Hause käme, ginge das Telefon und es würden Drohungen ausgesprochen, auch in meine Richtung. Sie hätte Angst um die Kinder und um mich. Ob ich in etwas hinein geraten wäre, worüber ich nicht sprechen wolle. Und jetzt die Aktion der Kripo hier.

      Ich war wie betäubt und nicht fähig, ein klares Wort heraus zubringen.

      Ich hörte mich stammeln, dass ich auch nicht wüsste, was los wäre.

      Innerlich war ich dem Zusammenbruch nahe. Wie sollte ich ihr auf die Schnelle erklären, was in den letzten eineinhalb Jahren passiert war?

      Wie hätte ich das überhaupt jemandem erklären können?

      Man würde mich für verrückt halten. Meine Lage war noch be schissener geworden.

      Natürlich blieb die Durchsuchungsaktion der Kripo nicht un bemerkt und ging in der Stadt herum wie ein Lauffeuer. Man blies zur Jagd auf mich. Dann folgte Schlag auf Schlag:

      Meine beiden Hausbanken, die angeblich den „Weg freimachen“, kündigten die Kreditvereinbarungen und stellten die Beträge zur sofortigen Rückzahlung fällig. Da mir das natürlich nicht mög lich war, nahm man meinen Vater mit der Bürgschaft über 100.000 DM in Anspruch.

      Das Finanzamt betrieb eine Kontopfändung wegen einer geschätz ten Mehrwertsteuernachzahlung.

      Am 1. Dezember wurde die Ehe von Doris und mir geschieden. Am 6. Dezember starb plötzlich mein Vater.

      Um mich herum war nur noch Nebel. Wie ein ferngesteuerter Roboter spulte ich die Programme ab, ohne wirklich etwas wahrzu nehmen. Mein Körper spielte verrückt. Oftmals fiel ich von einer Sekunde auf die andere einfach um. Es dauerte immer Minuten, bis ich wieder bei mir war. Erinnern konnte ich mich an nichts.

      Mein Büro musste ich bis zum 31.12. räumen. Ich war geschäft lich und privat am Ende. Freunde und Bekannte distanzierten sich zunehmend von mir.

      Es begann das Jahr 1996. Noch immer stand ich neben mir durch die Ereignisse, die mich überrollt hatten, durch die Trauer um meinen Vater und wegen meiner eigenen aussichtslosen Situ ation. Beate jedoch, war unbeirrbar an meiner Seite und half mir, wo sie nur konnte. Wer weiß, wo ich ohne sie gelandet wäre in meiner Verzweiflung.

      Irgendwie musste ich wieder auf die Füße kommen. Mehr aus der Not heraus als mit Überzeugung, versuchte ich mit Ilona und Jürgen, einem befreundeten Ehepaar, eine neue Vertriebsschiene für Kosmetikartikel