Wir erlebten alle zusammen eine gigantische Eröffnungsfeier der FußballWeltmeisterschaft im Stadion von Chicago und feierten den Sieg des damaligen Titelverteidigers Deutschland im ersten Spiel gegen Bolivien. Die Gala und der Auftritt meiner Jungs war ein voller Erfolg. Kurz danach flimmerten die ersten Bilder über die Schirme.
Ich war froh, wieder in der Spur zu sein. Es war zwar ein kurzer Trip, aber ein guter. Für mich kam er genau richtig.
Voller Tatendrang stürzte ich mich nun in die Arbeit. Es gab viel zu organisieren. Im Herbst sollte die Band aus Kanada zu einer ausgedehnten Promotiontour nach Deutschland kommen und die CD veröffentlicht werden.
Verärgert teilte mir meine Sekretärin mit, dass manchmal den ganzen Tag Anrufe kämen, ohne dass sich jemand melden würde. Bei mir zuhause lief das gleiche Spiel. Sobald ich die Wohnung betrat, klingelte das Telefon. Doch am anderen Ende war Toten stille. Bis zu 30 Mal am Abend ging das so. Als mir Beate ebenfalls von verstärktem Telefonterror unter ihrem Anschluss berichtete, kehrte die Angst zurück.
Es war an einem Samstag, als ich gegen Mittag ins Büro fuhr, um üblicher Weise den Briefkasten zu leeren und die Tagespost durchzusehen. Zuvor hatte ich noch einen Kunden aus der Gas tronomie aufgesucht, der seine Rechnungen für Werbung auf Ein kaufswagen immer bar bezahlte. Gerade in dieser Branche klappte es mit den Kontoabbuchungen fast nie. So war ich verstärkt auch in den Abendstunden unterwegs und ließ mir die fälligen Beträge in bar geben.
Die beiden Personen, die kurz nachdem ich im Büro war, den Raum betraten, kannte ich nur zu gut.
Wieder das gleiche Ritual: Der Schlanke sprach, der Bullige pos tierte sich an die Tür.
„Zeit ist wieder da. Gibst du Geld, ey. Denkst du an Kinder und an Freundin deine. Sind schlechte Zeiten. Kann viel passie ren.“
Mein Aktenkoffer stand noch geöffnet auf meinem Schreibtisch. Die Geldtasche mit den Bareinnahmen lag daneben, die ich gera de im Begriff war, in der Kasse zu verschließen.
„Ich habe euch doch gegeben, was ihr wolltet. Mehr geht nicht! Ich habe kein Geld hier!“
Ganz in Ruhe schritt der Schlanke alle drei Räume inklusive der Toilette ab und schaute sich um.
„Weissu, wir nix dumm, ey. Wissen genau, was läuft bei dir!“
„Was soll bei mir laufen? Ich habe gesagt, ich habe kein Geld und damit basta! Schieb dir deine schlechten Zeiten sonst wo hin!“
Ich versuchte die Geldtasche hinter mir im Koffer verschwinden zu lassen.
„Was ist in Tasche?“ meldete sich der Bullige zu Wort.
Mit einem Griff nahm der Schlanke die Tasche an sich und hol te die Geldscheine raus.
„Glaube, brauchst du Lektion!“
Auf einen Fingerzeig hin, setzte der Bullige seine Massen in Be wegung und stellte sich hinter mich. Mit einem Arm drückte er meinen Kopf nach vorn, mit dem anderen drehte er mir die Hand auf den Rücken. In gebückter Haltung wurde ich in die Toilette geschoben. Er drückte meinen Kopf in die geöffnete Kloschüssel und betätigte die Spülung. Ich bekam kaum noch Luft. Das wie derholte er vier bis fünf Mal.
„Du denken, immer noch Spaß? Bist du großer Mann, aber nix groß genug. Besser du arbeiten zusammen. Besser für dich, für Freundin, für Kinder, für ExFrau, für Mama und Papa. Verste hen?“
Der Bullige ließ mich los. Mein Arm war Gott sei Dank nicht raus gesprungen. Ich war klatschnass bis zur Hose.
„Kommen wieder! Garantie! Und nix Polizei! Sonst Leute deine nix mehr viel gesund.“
Schnell verließen sie das Büro.
Völlig traumatisiert, muss ich Minuten vor dem Spiegel in der Toilette gestanden haben, bis ich mich endlich abtrocknete.
Über 2000 DM hatten sie mir genommen. Was mich aber noch viel mehr beängstigte, war, dass sie immer noch über jeden Schritt von mir und meinem Umfeld Bescheid wussten.
Beate erzählte ich immer noch nichts von den Vorkommnissen. Und auch sonst niemanden. Es reichte, wenn ich in Angst und Schrecken lebte. Da sollten nicht auch noch andere diesen Horror durchmachen, insbesondere die Kinder nicht.
Beate war stinksauer über die permanenten Anrufe, die nun auch nachts kamen, ohne dass sich jemand meldete. Für mich war allerdings klar, wer hinter diesen Schikanen steckte.
Wie ich aus dieser Lage wieder rauskommen sollte, wusste ich in diesem Moment nicht. Anscheinend wollte man mich finanziell regelrecht ausbluten lassen. Immer wieder hielt ich mir die Fol gen vor Augen, wenn ich nicht tat, was man verlangte.
Gerade die Kinder sahen mich inzwischen als ihren Daddy an. Speziell die kleine Sabine mit ihren sieben Jahren eroberte mich mit ihrer Unbekümmertheit und ihrer Herzlichkeit. Bei gutem Wetter fuhren wir öfters zum Schwimmen an einen nahe gelege
nen Freizeitpark. Wie selbstverständlich nahm die Kleine meine Hand und schaute mich stolz mit großen Augen an, während sie mit kurzen Schritten neben mir hertapste.
Beide Mädels waren wahre Wasserratten. Stundenlang wurde im Wasser getobt und ich musste als „Katapult“ herhalten, das die beiden im hohen Bogen aus den Fluten schleuderte.
Nein, ich konnte einfach nicht zulassen, dass diese Verbrecher sich vielleicht die Kinder vornehmen würden. Auch mein Paten kind Julia hatte ich länger schon nicht mehr gesehen und ich ver mied es auch, vorbeizufahren.
Mein Bruder und meine Eltern hatten keine Ahnung, warum ich mich so verhielt. Fragen, wieso ich nicht mehr kommen wür de, ging ich aus dem Weg. Meine Schwägerin Elli, die halbtags in meinem Büro arbeitete, verstand meine Ausreden immer weniger. Ließ es sich gar nicht vermeiden, fuhr ich vier bis fünf Mal durch den Ort, in dem sie wohnten, um sicher zu sein, dass mir nie
mand folgt.
Wochenlang rührten die Erpresser sich nicht. Der Telefonterror hörte auf, um dann mit einem Mal wieder verstärkt einzusetzen. Die Schikanen liefen über Tage im Büro und in meiner Wohnung. Dann tat sich wieder gar nichts.
Die neue Methode war nun, mich privat anzurufen und von mir zu verlangen, Geld bereitzuhalten. Sie nannten keine konkre ten Summen mehr. Ich war schon zu tief in die Sache verstrickt, um irgendwelche Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Ein willfähriges Werkzeug in der Hand von dreisten Verbrechern. Und sie hatten überzeugende Druckmittel aufzubieten.
Ich versuchte die Summen so klein wie möglich zu halten und hob die Beträge in 400er Stückelungen mit der EC oder Kredit karte am Geldautomaten ab. Gerade mit der Kreditkarte hatte ich einen Monat Zeit bis die Abrechnung kam. Kassenentnahmen wären einfach zu auffällig geworden.
Die Erpresser tauchten wie immer unangemeldet auf und immer waren es die beiden selben Personen. Ich wehrte mich nicht mehr. Manchmal nahmen sie 1000 DM, manchmal verlangten sie mehr. Und immer fanden sie Wege, Kontakt aufzunehmen. Ich war in mitten eines Scheißspiels, aus dem es kein Entrinnen gab.
Solange es bei diesen Summen blieb, konnte ich es gerade noch so verkraften. Doch ich musste sehen, dass ich langsam die Finan zierung durchbekam, die ich angeschoben hatte. Der Anbieter, der zum Verkauf anstehenden Gebiete für das Stammgeschäft, verlangte eine Entscheidung und die Produktionen für meine Künstler mussten ebenfalls langsam umgesetzt werden. Der Markt wartete nicht.
Anfang Oktober meldete sich JENS SODERLAND von der Agentur WD KÖHLER bei mir und teilte mir mit, dass er einen Finanzier in Spanien gefunden hätte. Um die Sache nun anzuge hen, schlug er mir einen persönlichen Termin mit ihm im Airport Hotel Hannover vor. Ich wunderte mich ein wenig, warum das Treffen nicht in seinem Büro stattfinden sollte, aber im Grunde war es für mich so bequemer.
In der Lobby des Hotels schien man SODERLAND bestens zu kennen.