Der Sucher. Катя Брандис. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Катя Брандис
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752901467
Скачать книгу
soll das – schmollst du? fragte Udiko mich mit ausgebreiteten Handflächen und zog eine Grimasse, um meinen Gesichtsausdruck übertrieben nachzuahmen. Du hast Mist gebaut bei diesem Auftrag, zur Strafe kümmerst du dich um die Einkäufe.

      Aber die mache ich doch sowieso, signalisierte ich mit hochgezogenen Augenbrauen zurück und stand auf.

      Dann mach die für nächste Woche gleich auch noch, bedeutete mir Udiko gereizt und fügte noch eine Geste hinzu, die ich nicht verstand, was wahrscheinlich auch besser war.

      Diesmal dauerte es auf dem Markt eine ganze Weile, bis ich an den Ständen die Preise ausgehandelt hatte – wir gestikulierten wie wild. Ich war froh, als ich endlich alles erledigt hatte, und wankte schwer bepackt in Richtung See zurück. Natürlich hatte ich kein Kanu dabei, das war unter meiner Würde und nur etwas für Fremde aus anderen Provinzen. Normalerweise verpackte ich den Kram wasserdicht und schleppte ihn an einer Leine hinter mir her.

      Zum Glück blickte ich mich noch einmal um, bevor ich ins Wasser kletterte. Denn dabei sah ich, dass mich jemand beobachtete. Ein Mädchen. In ihrem Blick sah ich, dass sie mich kannte – und dann erkannte ich sie auch. Sie sah genauso aus, wie ich sie mir im Geist vorgestellt hatte, als ich ihr Gesicht abgetastet hatte. Nur, dass sie blond war, nicht rothaarig, wie ich sie mir aus irgendeinem Grund ausgemalt hatte.

      Wir lächelten uns an, und ein paar Atemzüge später saßen wir zusammen auf der Kante der Plattform. Wortlos versuchte ich, ihr klarzumachen, dass ich nicht sprechen durfte. Sie guckte erst ungläubig und krümmte sich dann vor Lachen. Ich kam mir dämlicher vor denn je. Bei unserer ersten Begegnung war ich blind gewesen, diesmal war ich stumm. Wie sollte das unter diesen Bedingungen der Beginn einer Freundschaft werden?

      Das war ganz klar ein Notfall. Ich borgte mir ein Colivar-Blatt von einem Händler, das ich als Schreibtafel missbrauchen konnte, und schrieb: Ich heiße Tjeri. Wie heißt du?

      Sie sagte nichts. Mit einem Lächeln beugte sie sich über das Blatt und schrieb zurück: Joelle heiße ich.

      Ich musste lachen. Am liebsten hätte ich einfach gefragt: »Wie spricht man das aus?«; aber so etwas mit Gesten zu erfragen, kann einen den letzten Nerv kosten. Also wieder das Blatt: Wie spricht man das aus?

      Dscho-ell, schrieb sie zurück.

      Diesmal mussten wir beide lachen. Bei allen sieben Göttern der Tiefe, in diesem Moment war ich nahe daran, einfach mit ihr zu reden und Udikos eigenartige Übung vorübergehend sausen zu lassen. Aber dann dachte ich daran, wie schwierig es gewesen war, diese Lehre zu bekommen, und meine Lippen blieben versiegelt. Irgendwie wusste ich, dass Udiko es merken würde, sollte ich sprechen. Auch wenn es nur ein einziges Wort wäre.

      Stattdessen begann ich, sie zu beobachten, so wie Udiko es mir gerade beibrachte. Joelle warf mir hin und wieder einen schrägen Blick zu, in dem Heiterkeit aufblitzte, hielt aber die Schultern leicht hochgezogen – ein Zeichen von Anspannung. Sie trug eine dunkelblaue Schwimmhaut, die einmal sehr teuer gewesen war, aber inzwischen arg abgenutzt wirkte. Über den rechten Ärmel zogen sich die typischen parallelen Risse, die ein Skagarok-Angriff hinterlässt.

      Du lebst in der Nähe eines Krötenmenschen-Nests, stimmt's? fragte ich mit Gesten, und sie nickte erstaunt. »Ja«, sagte sie. »Aber man sieht die Kröten selten, sie sind sehr scheu.«

      Wir unterhielten uns noch eine Weile auf diese Art, dann musste ich zurück. Aber wir hatten schon ausgemacht, dass wir uns wieder sehen würden – übermorgen Nachmittag zum Taubeerenpflücken auf einer Insel in ihrer Gegend.

      Doch nur einen Tag später – als ich gerade wieder sprechen durfte – geschah etwas, was mein Leben gründlich aus den Fugen brachte. Und das ganz nebenbei dafür sorgte, dass die Verabredung mit Joelle platzte.

      Wir waren gerade von einem Ausflug zurückgekommen, bei dem Udiko mit mir geübt hatte, systematisch und präzise zu arbeiten. Erschöpft, aber fröhlich schälte ich mir die Schwimmhaut vom Leib, zog mir meine Trockensachen an und begann, das Abendessen vorzubereiten. Udiko versuchte, mir das Kochen beizubringen – bislang vergeblich. Meinen ersten Versuch hatte er mit angewidertem Gesichtsausdruck und einem »Das kann man nicht essen! Was, bei den sieben Göttern der Tiefe, hast du da alles dran getan?« beiseite geschoben. Seither bestand meine Aufgabe darin, ihm Gemüse zu hacken und alle weiteren niederen Hilfsdienste zu übernehmen.

      Als jemand am Eingang den Begrüßungsruf ausstieß, spitzte ich wie gewöhnlich die Ohren und folgte Udiko, um ihm bei der Begrüßung über die Schulter zu schauen.

      Ich warf einen Blick auf unsere Besucherin und erstarrte. Mein Herz begann wie wild zu pochen. Kurz überlegte ich, ob ich mich schnell wieder in die Küche zurückziehen sollte, bevor sie mich sah, aber dann blieb ich einfach stehen.

      Im Eingang von Udikos Kuppel stand Lourenca.

      Sie blickte an Udiko vorbei und sah mich mit ihren großen Augen an. Einer ihrer Vorfahren hatte der Erd-Gilde angehört – diese Augen, mit denen sie gut im Dunkeln sah, waren ihr Erbe. Es waren Augen, in denen ich manchmal fast versunken war. Aber noch mehr faszinierten mich ihre langen, schwarzen Haare, die ihr gerade tropfnass über den Rücken hingen. Ich liebte es, wie sich diese Haare im Wasser anfühlten. Sie schwebten um ihren Kopf herum wie eine weiche Wolke.

      »Was willst du?«, knurrte Udiko. Er war natürlich völlig unbeeindruckt von ihr.

      »Ich suche jemanden«, antwortete sie keck.

      »Wie sieht er aus? Wann und wo hast du ihn zuletzt gesehen?«

      »Er hat kurze dunkelbraune Haare, lustige braune Augen und ein verschmitztes Lächeln. Groß ist er nicht, aber das macht nichts – er ist der beste Schwimmer der Gegend und unglaublich nett. Ich habe ihn vor ein paar Monaten zuletzt gesehen, bei Colaris.«

      Udiko war nicht dumm. Er begriff sofort, wer gemeint war. Und im Gegensatz zu mir hatte es ihm nicht die Sprache verschlagen. »Du kommst um ein paar Monate zu spät«, sagte er schroff.

      »Falls Ihr ihn seht, sagt ihm, er kann mich heute Abend zum Aufgang des ersten Mondes am Ostufer treffen.«

      Sie drehte sich um und glitt mit einer eleganten Bewegung in den See zurück. Udiko ließ den Vorhang fallen, drehte sich herum und stapfte in die Küche.

      Ich blieb einen Moment allein im Vorraum zurück. In mir mischten sich wilde Freude und Verzweiflung. Lourenca war hergekommen! Wegen mir, so wie es aussah! Hatte sie sich von Jarco losgesagt? Vielleicht liebte sie mich noch! Aber warum, warum, warum war sie auf die wurmstichige Idee gekommen, sich mit so einem Spruch an Udiko zu wenden? Es war witzig, es war romantisch, und es würde uns das Genick brechen. Solange du mein Lehrling bist, flirtest du nicht mit Frauen, die mit einem Anliegen zu mir kommen. Das hatte ich dem Alten versprochen. Streng genommen durfte ich nicht mal mit ihr sprechen. Gequirlte Schnepfengalle!

      Wir redeten nicht viel während des Essens. Udikos Miene war finster. Ihm entging natürlich nicht, wie verwirrt und aufgewühlt ich war. Ich schaffe es nicht, dachte ich. Ich kann das Versprechen nicht halten. Ich muss wissen, warum sie hier ist, was sie von mir will. Wenn ich nicht mit ihr reden kann, drehe ich durch.

      Nach dem Essen legten wir die Teller in die Hausschale, in der Putzerfischchen sich über die Reste hermachten und das Geschirr dabei förmlich polierten. Ich sah ihnen ein Weilchen zu, dann gab ich mir einen Ruck und sagte: »Ich schwimme noch mal los.« Udiko knurrte etwas Unverständliches.

      Die Xanthu-Seen waren so warm, dass man für sie im Sommer eigentlich keine Schwimmhaut brauchte. Ich zog nur meine schwarzen Langhosen an, die von der Hüfte bis zu den Schienbeinen reichten. Noch vor dem Aufgang des ersten Mondes war ich am Ostufer und setzte mich ins Flachwasser. Ich zählte meine Atemzüge, um mich zu beruhigen, und beobachtete, wie der Mond über den Horizont stieg. Keine Lourenca weit und breit. Aber schließlich kam sie doch noch. Ich hörte sie auftauchen und fühlte mich plötzlich so linkisch und ungeschickt wie vor zwei Wintern, als sie mit ihren Eltern in die Gegend gezogen war und die meisten Jungs von Colaris sich in sie verliebt hatten.

      Sie setzte