Das Elbmonster. Gerner, Károly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerner, Károly
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847643777
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der schwersten Krisen während der Amtszeit des deutschen Würdenträgers aus. Vereinzelt wurde sogar sein Pontifikat (Amtsdauer und Würde) infrage gestellt.

      Nun darf man den sicherlich zu Recht Gescholtenen nicht etwa des Antisemitismus bezichtigen, hat er doch unter anderem durch seinen Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz nachhaltig demonstriert, wie er zu diesem beispiellos düsteren Kapitel unserer Geschichte steht. Aber eine äußerst unglückliche Fügung war jener Vorfall durchaus. Immerhin leugnete der genannte Brite schon vorher den millionenfachen Mord an Juden unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Das ist schlichtweg niederträchtig und böse, ergo unter keinen Umständen zu tolerieren. Der Mann hat offenbar in seinem Oberstübchen noch keine Ordnung geschaffen, steht anscheinend mit der Wahrheit auf Kriegsfuß. So etwas kann ja mal vorkommen. Das Problematische daran ist jedoch, dass ihn nicht wenige Leute trotzdem ernst nehmen, seinen teuflischen Aussagen widerspruchslos Glauben schenken.

      Andererseits kennen wir die Kaderschmiede derart ultrakonservativer und ebenso reaktionärer Häupter. Das Stammhaus von insgesamt sechs Seminaren der rebellischen Priesterbruderschaft St. Pius X. befindet sich in der stillen Schweizer Gemeinde Econe, gegründet vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905 bis 1991). Dieser sympathisierte mit seinem rechtsradikalen Landsmann Jean-Marie Le Pen, für den wiederum die Gaskammern der Nazis nur „ein Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges“ waren.

      Sonach dürften wir kaum noch darüber erstaunt sein, welcher Geist dort herrscht. In Econe erfuhr nämlich auch Williamson seine fünfjährige Ausbildung als Traditionalist der Christenlehre und am 30. Juni 1988 gegen den Willen des Heiligen Stuhls die Weihe durch den Initiator der sektiererischen Bruderschaft, was bereits einen Tag darauf die erwähnte Exkommunikation auslöste.

      Noch heute gelten Lefebvres Credo für den Erhalt der „Alten Messe“ in lateinischer Sprache und sein Aufruf zum Kreuzzug gegen Veränderungen innerhalb der tradierten Konfession. So schrieb Franz Schmidberger, Distriktoberer der Piusbrüder für Deutschland, über die „Juden unserer Tage“, sie wären des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzierten.

      Ach je, du wundersame Welt! Der hat vielleicht Sorgen! Unsereiner kann darob nur verwundert den Kopf schütteln. Desto bemerkenswerter ist der Tatbestand, dass den in mancher Hinsicht recht dubiosen Ansichten und Praktiken der Priesterbruderschaft St. Pius X. mittlerweile auf internationalem Terrain schon rund eine halbe Million Getreue folgen, von deren finanziellen Zuwendungen sich die überwiegend freiwillige Vereinigung der größtenteils stockkonservativen katholischen Geistlichen auch nährt.

      Ergänzung: Am neunten Februar 2009 kam die Nachricht, dass sich die Piusbruderschaft von den antisemitischen Äußerungen ihres unbelehrbaren Monsignore Williamson distanziert. Sie entzog ihm die Leitung eines Priesterseminars im argentinischen La Reja bei Buenos Aires. Wahrlich eine längst überfällige Maßnahme! Merkwürdig wäre indessen, wenn das auch dem renommierten Professor für Dogmatik in seiner überaus verantwortungsvollen Funktion als einstiger Pontifex auf dem Thron Petri gereicht hätte (Näheres weiß man nicht).

      Die Argentinier haben den störrischen Williamsen des Landes verwiesen. Endlich wurde er im Oktober 2012 auch aus der erwähnten Bruderschaft ausgeschlossen. Zudem erhielt der unbelehrbare Volksverhetzer am 16. Januar 2013 vom Amtsgericht Regensburg eine Geldstrafe von 1.800 Euro verhängt. Aber was ist das schon gegen die Leugnung der Existenz von Gaskammern und die Ermordung von sechs Millionen Juden während der Naziherrschaft?

      Gewiss, sämtliche Religionen laben sich seit jeher am vermutlich unversiegbaren Nektar ihrer Gläubigen. Und es wird auch fortwährend einiges dafür getan, dass es tunlichst immer so bleibt, damit sich der breiten Masse wirkliche soziale Zusammenhänge gar nicht erst tiefgründig erschließen.

      Demgegenüber haben namentlich Hardliner unter den Kommunisten während ihrer Herrschaft die enorme Faszination spiritueller Bräuche nicht gebührend berücksichtigt oder sträflich heruntergespielt und teilweise sogar bekämpft. Auch das war eine Ursache ihres historischen Scheiterns, denn steinalte, über viele Generationen hinweg florierende Gepflogenheiten lassen sich nicht innerhalb weniger Jahrzehnte beheben, am wenigsten durch blindwütige Aktionen. Es war sowieso ein verhängnisvoller Ansatz, den Menschen die ureigene Entscheidungskraft hinsichtlich ihrer Frömmigkeit abzusprechen, mithin eine direkte Verletzung ihrer Grundrechte. Doch Fanatiker jedweder Richtung waren, sind und bleiben allenthalben halsstarrig, also gefährlich, weil unberechenbar.

      Dessen ungeachtet bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass speziell die Ausbeutersysteme (und das kapitalistische ist in dieser Hinsicht fraglos die raffinierteste von allen bisherigen gesellschaftlichen Formationen!) auf derlei Gehilfen nicht verzichten können und auch gar nicht wollen. Der Sozialdemokrat August Bebel (1840 bis 1913) hat das besonders drastisch bekundet, indem er meinte, dass Staat und Kirche sich „brüderlich unterstützen, wenn es das Volk zu knechten, zu verdummen und auszubeuten gilt“.

      Ergo: Mann von der Straße, arbeite und bete! Ansonsten ist dein himmlisches Paradies gefährdet! Wir Oberen kümmern uns um die Geschicke der Nation und natürlich auch um dein persönliches Wohlergehen auf Erden. „Sorge dich nicht - lebe!“, könnte auch hier das richtungweisende Motto der Machthaber gegenüber dem miesepetrigen Untertan heißen, obgleich sich der Bestseller von Dale Carnegie kaum ernsthaft solcherart Fragestellungen widmet.

      Und überhaupt: War und ist es nicht geradezu anmaßend, wenn ein Mensch, dazu aus Fleisch und Blut wie du und ich, öffentlich proklamiert, er sei als Papst der auserkorene Stellvertreter Gottes auf Erden, quasi dessen personifizierter Statthalter? Inwiefern er selbst daran glaubt, sei dahingestellt, da es ohnedies schwer vorstellbar bleibt, wie eine Persönlichkeit mit fraglos herausragender Intelligenz seine vermeintlich himmlische Erhebung für bare Münze nehmen kann. Aber die traditionell Frommen wollen es nun einmal so, um zunächst ihr persönliches und darüber hinaus im missionarischen Eifer möglichst auch das Seelenheil anderer zu retten. Dabei könnte doch ein jeder, der aufrichtig an einem universellen Schöpfer glaubt, allemal mit ihm in ein „Zwiegespräch“ treten, was die meisten vermutlich auch tun werden. Zugegeben: Die erhebende Kraft gemeinsamer Erlebnisse, wie etwa in Form von Gebeten, sollten wir nicht unterschätzen.

      Ach ja: „Wir sind Papst!“, tönte es doch einst unüberhörbar im deutschen Medienwald. Inzwischen ist bekanntlich ein anderer Würdenträger vom Kardinalsstand zum Halbgott gekürt und auf den ehrfürchtigen Stuhl Petri gehoben worden. Demzufolge weiter so, zielbewusst zu neuen Ufern menschlicher Freiheit, selbst wenn unser edles Vorhaben vereinzelt immer noch mit Relikten mittelalterlicher Gepflogenheiten behaftet ist! So haben sich zum Beispiel im zwölften Jahrhundert die Ritter des Tempelordens, geradezu besessen von der Rechtmäßigkeit ihres katholischen Glaubens, furchtlos auf den Weg gemacht, um die heiligen Stätten ihres Ursprungs von den ebenso fanatisierten Muslimen zu befreien und die Pilgerwege zu schützen. Doch ihr weißer Mantel, für sie und Gleichgesinnte ein markantes Symbol ethischer Reinheit, war häufiger blutgetränkt als ihr Antlitz mit Engelszügen versehen.

      Klartext: Es ist keineswegs meine Absicht, irgendeinen Generalverdacht auszusprechen.

      Das wäre ebenso vermessen wie töricht, denn mit Pauschalurteilen über Menschen befinden wir uns nahezu ausnahmslos auf Irrwegen, missachten ihre Einzigartigkeit.

      Stattdessen bin ich fest davon überzeugt, dass es die absolute Mehrheit der Christen ehrlich meint mit ihrer Weltanschauung, sich demgemäß im praktischen Denken und Tun gewiss weitestgehend human verhält.

      Ergänzend sei gleich hinzugefügt: Ungeachtet meiner bisherigen Äußerungen zolle ich dem inzwischen abgedankten Oberhaupt der Katholiken aufrichtige Bewunderung. Schon allein die Tatsache, wie er trotz seines fortgeschrittenen Alters die enorme Last des bestimmt außerordentlich vielschichtigen und ebenso verantwortungsvollen Amtes würdevoll trug, nötigt mich zu höchstem Respekt. Nie und nimmer wollte oder könnte ich eine solche Funktion ausüben.

      Für eine handfeste Überraschung sorgte bekanntlich die Ankündigung Benedikt XVI., dass er am 28. Februar 2013 vom Päpstlichen Stuhl zurücktreten werde. Das war gewiss eine überaus couragierte, ausgesprochen kluge und gleichermaßen pflichtbewusste Entscheidung. Damit hat er auch das jahrhundertealte