Knapp Wertvoll Sparsam. Friedrich Wegenstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Wegenstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783748507352
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      Um welche Art von Freiheit oder Gleichheit handelt es sich, wenn die Wirtschaft dem Käufer zwar die Freiheit einräumt, zwischen Produkt A, B, oder C zu wählen, die Produktion des Wirtschaftsgutes allerdings eine ressourcenverschwendende und arbeitsplatzvernichtende Realität schafft, über die der Käufer nicht entscheiden kann? Da jedes Unternehmen aus Menschen besteht, treffen sich auf dem Markt schlussendlich immer Menschen. Die einen können entscheiden wie und wo ein Produkt hergestellt wird, die anderen, ob sie es kaufen wollen. Wenn aber alle zur Auswahl stehenden Produkte gleichartig hergestellt sind, wenn andersartig (sinnvoller) hergestellte Produkte deshalb nicht gewählt werden können, weil sie zu teuer sind – wird die Freiheit bzw. die Auswahlmöglichkeit auf den Preis beschränkt. Das hinter diesem Preis stehende System wählt der Käufer mit aus, ob er nun will oder nicht.

      Nun wird es aber noch komplizierter, denn die Menschen auf der einen Seite des Marktes sind teilweise mit jenen auf der anderen Seite identisch: Der Industriemanager ist z. B. ebenso Verkäufer als auch Konsument. Er argumentiert als Verkäufer, keine Wahlmöglichkeit zu haben und sich die Produktionsbedingungen nicht aussuchen zu können, da er anderenfalls der Konkurrenz unterliege und seinen eigenen Arbeitsplatz und die seiner Kollegen damit aufs Spiel setze. Auch wenn er daher die theoretische Möglichkeit hätte, seine Entscheidungen als Verkäufer zu ändern, so kann er diese Entscheidungsfreiheit infolge des Systems, nicht nutzen.

      Diese Argumentation macht deutlich, dass Freiheit und Gleichheit einer demokratischen Organisation mit den Regeln eines sogenannten freien Marktes (in dem jeder nur seinen Vorteil sucht) nicht koexistieren können. Die Freiheit des eigenen Vorteils kann im Sinn der kantischen Formulierung nur in dem Ausmaß bestehen, in dem der Vorteil des anderen ebenso eingeschränkt ist.

      Die Freiheit des Strebens nach einem wirtschaftlichen Vorteil des Einen, darf die Freiheit des Anderen, für die notwendigen Lebensgrundlagen, für sich und seine Familie zu sorgen, keinesfalls einschränken. Eine durch ein Wirtschaftssystem verursachte Gefährdung der Lebensgrundlagen bedroht nicht nur das fundamentale Recht auf Leben, sondern ebenso das System selbst (welches ja an seinem Fortbestand interessiert sein und daher trachten müsste, diese Grenze nicht zu überschreiten).

      Allerdings gibt es auch in jenen Staaten in denen die Menschenrechte anerkannt sind, keine staatlichen, die Wirtschaft ausreichend einschränkenden, Regelungen, wenn ihre Aktivitäten z. B. Arbeitsplätze oder eine sinnvolle Auswahl von gleichartigen, aber unterschiedlich hergestellten Produkten bedrohen (z. B. Produkte der biologischen Landwirtschaft, Energie aus nachhaltigen Quellen, Produkte, welche unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurden etc.). Die Rollen sind vielmehr ungleich verteilt: Kostenvorteilen aus z. B. eingesparten Arbeitsplätzen oder anderen billigen Produktionsbedingungen kommen dem Unternehmen zu Gute. Die daraus resultierenden, notwendigen Sozialleistungen, die Kosten des Umweltschutzes, der Transport- und Infrastruktur etc. hat dagegen (zum großen Teil) die Gesellschaft zu finanzieren.

      Zudem werden die Menschenrechte keineswegs von allen Staaten anerkannt. Auf der globalen Ebene treffen eine Vielzahl von Kulturen, unterschiedlich erfolgreiche Bildungssysteme und unterschiedliche religiöse und philosophische Vorstellungen aufeinander. Die Orientierung an naturwissenschaftlichen Vorstellungen ist höchst unterschiedlich ausgeprägt. Die Ziele der europäischen Aufklärung sind vielen Kulturen vollständig fremd.

      Neben dieser Vielfalt an Wertvorstellungen haben Staaten oftmals keine Möglichkeit eines staatlichen Zugriffs auf das tatsächliche Wirtschaftsleben. Die Handelsbeziehungen zwischen Staaten werden zwar durch zwischenstaatliche Verträge geregelt, aber gelebt werden diese von Unternehmen. Diese unterhalten oft nur Niederlassungen in den betreffenden Staaten, deren Unternehmensleitungen, Gewinnbesteuerung und Unternehmensbesitz liegen oftmals in ganz anderen Staaten. Die staatlichen Verträge werden somit häufig von Unternehmen genutzt, deren Besitz und Firmenleitung nur teilweise oder gar nicht dem Zugriff dieser Vertragsstaaten unterworfen sind. Die innerstaatlichen Vorschriften berühren nur Teilbereiche von multinationalen Unternehmen. So sehr sich ein Staat um eine gesetzliche Einflussnahme bemühen mag, die Adressaten von Wirtschafts­gesetzen und Handelsverträgen entziehen sich infolge ihrer multinationalen Struktur zunehmend den staatlichen Einfluss­möglichkeiten.

      Ähnlich wie die Satelliten im Orbit um die Erde, hat sich oberhalb der staatlichen Organisationsebene eine abstrakte, globale Ebene gebildet, die von sehr unterschiedlichen Kräften genutzt wird, sich aber der Willensbildung der Gesellschaft, mangels einer über den Staaten vorgesehenen, demokratischen Organisation entzieht. Die Gerechtigkeit, konzipiert als demokratische Gleichheit vor dem Gesetz, wird durch multinationale Wirtschaftsstrukturen umgangen.

      Auf multinationaler Ebene gibt es derzeit kein Gesetz, welches Gleichheit und Gerechtigkeit für die Menschen garantieren könnte.

      Die UNO könnte zwar eine auf Gleichheit und Gerechtigkeit aufbauende Organisation sein, scheitert aber an der Macht und den politischen Interessen großer Staaten. Diese Macht wird ausgeübt, auch wenn derartige Staaten nicht demokratisch organisiert sind und ihre Stimme dem Willen der Machthaber und nicht dem des Volkes entspricht. Somit sind die Abstimmungsergebnisse oftmals auch nicht von den Wertvorstellungen der Menschenrechtskonvention geprägt. Über die kantische Freiheit, die nur zusammen mit der Freiheit und den Gesetzen des Anderen bestehen kann, lässt sich hinsichtlich der Ausführung aber nicht grundsätzlich abstimmen.

      Demokratie, ohne die der Demokratie innewohnenden Wertvorstellungen führt zwangsläufig zu Resultaten, die sich gegen diese Wertvorstellungen richten. So praktiziert führt Demokratie zur Umkehrung der sie tragenden Werte. Die Durchsetzung eines undemokratischen Willens mittels einer demokratischen Abstimmung kann durch diese nicht legitimiert werden. Die UNO läuft daher Gefahr, nach den derzeitigen Spielregeln zum Vollzugsorgan undemokratischer Willensdurchsetzung zu werden.

      Dessen ungeachtet ist die Globalisierung Realität und verlangt nach Antworten.

      2.3.1. Global Village

      Gerne bezeichnen wir unsere Welt heute als global village. Es ist beinahe selbstverständlich, an jeden Ort der Welt reisen zu können, Waren von jedem Winkel der Welt in jeden anderen Winkel zu versenden und überall die gleichen internationalen Nachrichten zu hören und sehen zu können.

      Forscher und Seefahrer waren es, die unsere Welt zu jenen Erdteilen und Ländern werden ließen, die sie heute sind. Ihre Entdeckungen wurden schnell Gegenstand von politischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Die Kolonialisierung der Neuentdeckungen begann. Dabei ging es um politische Macht und wirtschaftliche Ausbeutung. Jene Staaten waren erfolgreich, die von ihren Kolonien politisch und wirtschaftlich profitieren und damit konkurrierende Staaten übertrumpfen konnten. Der erste Schritt zur Globalisierung war vom politischen Machtstreben der Staaten und dem für sie aus den Kolonien erzielbaren, wirtschaftlichen Vorteil geprägt.

      In einem weiteren Schritt begannen sich die Kolonien, angeregt durch die Demokratisierung Europas, zunehmend zu emanzipieren und erlangten schließlich selbst politische Unabhängigkeit. Bedingt durch die bereits zuvor gewachsenen Wirtschaftsstrukturen waren die Unternehmen in den Kolonien jedoch mit den ehemaligen Mutterländern eng verbunden. Diese ursprüngliche Verflechtung begünstigte die rasche Verbreitung der modernen Nachrichten-