Knapp Wertvoll Sparsam. Friedrich Wegenstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Wegenstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783748507352
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Möglichkeit, den Markt zu beeinflussen.

      Der Umgang mit Knappheit und Überfluss kann von einem derartigen Markt nicht reguliert werden: Er repräsentiert weder die Interessen der Gesellschaft insgesamt, noch ist er in der Lage, die tatsächlich vorhandenen Knappheiten und Überflüsse zu erfassen. Der Markt als Ort des Zusammentreffens aller Angebote und Nachfragen sowie aller gesellschaftlichen Interessen scheint ohne gesellschaftliche Eingriffe nicht möglich (so viel Freiheit wie möglich – so viel Eingriffe wie notwendig).

      Der von Adam Smith beschriebene Markt ist dagegen in der Wirklichkeit ein Treffpunkt ausgewählter Wirtschaftstreibender, die über höchst ungleiche Chancen verfügen. Deren Konkurrenz gleicht einem Wettkampf unter Athleten, die keineswegs von Gleichgewicht und Zufriedenheit, sondern nur von Sieg und Niederlage geprägt ist.

      Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Berufsgruppe der Kaufleute wie Heilsbringer ihre so nett klingende Fassade eines freien Marktes allen anderen Menschen als alleingültige Sichtweise übergezogen hat. Hinter dieser Fassade geht es jedoch in Wirklichkeit nicht darum, Marktkräfte frei wirksam werden zu lassen, sondern darum, die Marktkräfte so zu beeinflussen, dass auf den Märkten jenes Preis-Leistungsgefüge eintritt, welches für das eigene Unternehmen vorteilhaft ist. Nicht das freie Spiel der Marktkräfte, sondern die Manipulation der Marktkräfte zum Zweck des eigenen Vorteiles ist das Ziel. Informationen, die Preis- und Produktpolitik werden strategisch so gestaltet, dass angestrebte, vorteilhafte Marktsituationen möglichst wahrscheinlich eintreten.

      Es wird alles versucht, um keine perfekte Konkurrenz und um möglichst viele verzerrende Faktoren entstehen zu lassen, um aus einem möglichst großen Ungleichgewicht eigene Vorteile ziehen zu können. Täglich können wir miterleben, wie Unternehmen im wirtschaftlichen Wettkampf miteinander umgehen. Kaufmännische Konkurrenten besiegen entweder einander (was zum Untergang des Unterlegenen führt) oder, wenn sie tatsächlich über ähnlich große Potenziale verfügen, dann trachten sie danach, ihre Vorteile so zu maximieren in dem sie sich nicht gegenseitig bekämpfen, sondern sich gegenseitig zu Lasten der Gesellschaft unterstützen.

      Dieses Verhalten ähnelt mehr einem Glücksspiel oder einem unsportlich geführten Wettbewerb als einem vernünftigen Wirtschaften.

      Begriffe wie Entwicklung, Fortschritt, Modernität sind vor allem dann positiv besetzt, wenn man der Gegenwart oder Vergangenheit wenig Positives abgewinnen kann. Dabei sind verschiedene Argumentationslinien erkennbar.

      Eine besteht darin, mit Geld jeden Mangel beheben zu können. Wenn man krank ist, besteht Fortschritt in der wieder erlangten Gesundheit, wenn man Hunger hat, darin, satt zu werden, wenn die Behausung kalt und zugig ist, über eine bessere Wohnung zu verfügen und wenn man ungebildet ist, darin, Bildung zu erlangen und Schulen zu besuchen. Hat man Geld, kann man sich den Arzt und die Medikamente, die notwendigen Lebensmittel, die Wohnung sowie die Kosten der Ausbildung leisten. Wie kommt man zu Geld? In dem man am Spiel der Kaufleute teilnimmt! Geld ist also das Mittel, um fortschrittlich sein zu können! Daher, wenn alle den freien Markt anstreben und sich selbst auch an die kaufmännischen Regeln halten (immer den eigenen Vorteil anstreben), dann haben alle Geld und der Fortschritt ist gesichert.

      Eine zweite Argumentationslinie liegt im sogenannten technischen Fortschritt. Dahinter steht der Wunsch des Menschen, sich von seinen natürlichen Restriktionen weitestgehend frei und unabhängig zu machen. Um sich vor Krankheiten zu schützen, um neue medizinische Behandlungen zu finden, um Entfernungen zu überwinden, um neue, gesunde Wohnungen bauen zu können, um sich jederzeit informieren, aber auch unterhalten zu können – dazu bedarf es neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und einer Wirtschaft, die daraus neue Produkte zum Wohl der Menschen entwickelt. Durch diese immer wieder neuen Produkte entständen auch immer wieder neue Arbeitsplätze, so dass immer mehr Menschen genau jenes Einkommen, genau jenes Geld verdienen, welches für den persönlichen und gesellschaftlichen Fortschritt notwendig ist. Und, da man wohl gegen diesen sogenannten Fortschritt, durch den alles ja besser wird, kaum argumentieren kann, ist Fortschritt etwas, von dem man nie genug haben kann!

      Der Wettbewerb der Marktteilnehmer, das Wachstum der Wirtschaft, ist nicht an einem bestimmten Ziel zu Ende, sondern setzt sich als Mittel des Fortschrittes endlos fort. Die Vorteilsmaximierung wird mit dem Fortschritt gleichgesetzt. Diese Vorteilsmaximierung ist somit unbegrenzt, denn sie kennt keinen konkret messbaren Zielpunkt, sondern nur den endlosen Fortschritt.

      Dort, wo die materiellen Grundbedürfnisse bereits befriedigt sind, stellt jeder neue Vorteil zwar bereits einen Überfluss dar, es wird aber keine Sättigung wahrgenommen. Der Überfluss wäre aus dem Vergleich mit dem vorhergehenden Status, oder aus einer bestimmten Notwendigkeit erkennbar. Da aber kein Ziel definiert ist und kein Vergleich im Sinne einer Befriedigung stattfindet, ist der maximale Vorteil ein letztlich unerreichtes und daher immer neu anzustrebendes Ziel.

      Dieser Überfluss ist eine direkte Auswirkung des hier beschriebenen Begriffes von Fortschritt: Er stellt etwas selbstverständlich Unendliches dar, auf das man sogar meint, einen persönlichen Anspruch zu haben. Man hat diesen Überfluss angestrebt, um im sozialen Rang höher als andere zu stehen, um es schlicht besser zu haben als es einmal war, und dennoch, man nimmt ihn nicht wirklich wahr. Man meint, darin den Nachweis bisheriger Fortschritte zu erkennen, empfindet aber nicht jene Befriedigung, die dazu führen würde, im weiteren Streben nach Überfluss nachzulassen.

      Dieser Fortschritt ist wie eine Droge, welche man konsumiert, von dem man aber nie satt wird.

      Gleichzeitig wird es immer selbstverständlicher, mit den erworbenen Wirtschaftsgütern immer weniger fürsorglich umzugehen. Deren kurzfristige Lebensdauer wird zum Ausdruck des dauernden Verlustes an Wertschätzung und Beziehung, es entsteht die sogenannte Wegwerfmentalität. Der Zuwachs an wirtschaftlichen Vorteilen führt zum Zuwachs an Wirtschaftsgütern, die jederzeit nachbeschafft werden können und dadurch an Bedeutung verlieren.

      Diese Art von Überfluss bedingt den Verlust der Fähigkeit, mit tatsächlicher Knappheit umzugehen ebenso, wie den Verlust des Strebens nach Werthaltigkeit. Was an sich überflüssig ist, dem kann keine besondere Wertschätzung zukommen und was keinen subjektiven Wert besitzt, kann diesen auch nicht halten. Abgesehen davon scheint die Vorstellung der andauernden Wiederbeschaffbarkeit nicht nur auf Dinge, sondern immer mehr auch auf Menschen (sowohl als Partner wie auch als Mitarbeiter) bezogen zu werden. So ist scheinbar ein von Werte- und Beziehungslosigkeit geprägtes Wirtschaftsleben vom restlichen Leben nicht mehr zu trennen.

      Jene Strategie, deren Ziel in der Vorteilsmaximierung liegt, entfernt sich mit zunehmendem Erfolg von ihrem eigentlichen Ziel. Zwar besitzen die Menschen immer mehr an Vorteilen und Gütern, der subjektive Wert des Einzelgutes aber nimmt mit der Summe der Vorteile und Güter immer mehr ab. Jeder kennt das Phänomen, dass etwas hohen Wert besitzt, das besonders schwierig zu bekommen ist und worauf man lange warten muss. Und wie schnell ist es mit dieser Wertschätzung vorbei, wenn man es nicht nur einmal sondern x-mal haben kann und alle anderen es ebenso besitzen?

      Der subjektive Wert, die Wertschätzung und damit auch die Sinnhaftigkeit und die Beziehung liegen im Besonderen. Das Besondere ist aber niemals das beliebig verfügbare, sondern das knappe Gut.

      Es liegt auf der Hand, jene Knappheit, vor allem, wenn sie lebensbedrohend werden kann, möglichst rasch zu überwinden. Auch stellen Knappheit hinsichtlich von Behausung, Bekleidung und Bildung von Menschen eine nicht zu begründende Einengung und Reduktion der Entwicklung des Einzelnen dar. Andererseits führt jeder Überfluss zur Reduktion der Sparsamkeit, zur Verringerung jenes sorgsamen Umganges, der zur besonderen Wertschätzung zwingt.

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