Knapp Wertvoll Sparsam. Friedrich Wegenstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Wegenstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783748507352
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hätte. Die gewünschte rechtliche Anpassung findet statt, um dafür die Chance auf einen ungewissen, volkswirtschaftlichen Vorteil zu wahren.

      Motivation zur rechtlichen Globalisierung sind u. a. auch die durch die jeweiligen, nationalen Vorschriften verursachten Kosten. Diese resultieren aus dem Schutz der Ressourcen, dem Schutz der Menschen und deren Arbeitskraft, der Entsorgung von Emissionen jeder Art etc. Jeder gesetzliche Schutz unseres Lebensraumes ist für die Wirtschaft nur hinsichtlich seiner Kosten relevant. Zusätzliche Kosten sind für die Wirtschaft hinderlich. Die Verlagerung von Produktionsstätten, die Gründung von Tochterunternehmen, die Intensivierung von Handelsbeziehungen findet daher nicht zum Vorteil der involvierten Staaten oder deren Konsumenten statt, sondern ausschließlich zum Vorteil der agierenden Unternehmen. Würde ein Unternehmen nicht die Chance auf zusätzlichen Gewinn sehen, würde es den Handel nicht treiben, die Produktionsstätte nicht errichten, die Investition in diesem Staat nicht durchführen. Mag daher auch ein Staat über neue Produktionsstätten und neue Arbeitsplätze erfreut sein, so ist dies für die Wirtschaft lediglich ein Verhandlungsargument für günstige Bedingungen, aber nicht ihr Ziel.

      Davon abgesehen ist der Vorteil einer Betriebsansiedelung in einem Staat gleichbedeutend mit dem Verlust einer Betriebsansiedelung in einem anderen Staat. Die Staaten stehen im Standortwettbewerb untereinander. Dieser wird von der Wirtschaft ausgenützt, um die Bedingungen der Betriebsansiedelung so günstig wie möglich zu gestalten. Anstelle sich gegen diese Lizitation zum Nachteil der Staaten zu wehren, und von den demokratisch zu Stande gekommenen Gesetzen nicht abzuweichen, wird die Fairness und Demokratie dem vermeintlichen (wirtschaftlichen) Vorteil geopfert.

      Unverständlicherweise haben sich weder die Bürger noch die inländische Wirtschaft gegen derartige Investitionsschutzklauseln gewehrt. Der inländischen Wirtschaft steht ein derartiges Recht nicht zu, was nicht nur gleichheitswidrig ist, sondern für sie auch einen Wettbewerbsnachteil bedeutet.

      Es gehört zum demokratischen Selbstverständnis, sich der demokratischen Willensbildung eines Staates auch dann unterzuordnen, wenn diese nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Mit derartigen Vertragsklauseln muss sich das ausländische Unternehmen (im Gegensatz zu den inländischen Bürgern und Unternehmen) allerdings nicht unterordnen und kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen eventuell entgangenen Gewinn einklagen!

      Finanziert aus den Steuern und Abgaben ihrer Bürger laufen diese Staaten Gefahr, wenn sie in einem solchen Schiedsverfahren unterliegen, Unternehmen ihre Gewinne bezahlen zu müssen – das wäre dann der Preis für verfassungsgemäß, demokratisch zustande gekommene Gesetze. Der Staat müsste sich derart das Recht, demokratisch zu handeln, bei einem Unternehmen erkaufen. Damit wird nicht nur der Gleichheitsgrundsatz verletzt, sondern die Demokratie stellt damit ihre eigenen Grundfesten von Gleichheit und Gerechtigkeit in Frage. Nicht mehr das Volk ist der Souverän, sondern die Wirtschaft.

      Ebenso zu hinterfragen ist es, was ein Freihandelsabkommen zur Folge hat, wenn ein Staat über schlechtere Produktionsbedingungen verfügt als ein anderer Staat? Das Freihandelsabkommen ermöglicht derart einen Wettbewerb unter unfairen Bedingungen. Der Verlust des Wirtschaftszweiges in dem einen Staat ist zwingend, wenn der Wirtschaftszweig oder das Unternehmen des anderen Staates in diesem Bereich überlegen ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Landwirtschaft, wo das Konzept einer industriellen Landwirtschaft (so zweifelhaft diese ohnedies ist) z. B. an geografische Voraussetzungen gebunden ist, die in einem anderen Staat nicht gegeben sind.

      Kostenvorteile hängen von geografischen, kulturellen und entwicklungsbedingten Faktoren ab. Rohstoffe, niedrige Umwelt- und Sozialstandards, feudale Staatsstrukturen etc. stellen Kostenvorteile dar. Der Freihandel führt daher zur Verschiebung der Produktion zu jenen Orten, an dem höhere Gewinne und billigere Arbeitsplätze in Folge der dort vorliegenden günstigen Kosten anfallen. Steigen die Kosten, sind die günstigen Ressourcen verbraucht, gibt es für das Land keine alternativen Gewinnmöglichkeiten oder keine alternativen Arbeitsplätze, und es tritt Verarmung ein.

      Freihandel bedeutet aber auch, dass hoch spezialisiertes Know How in Form von Patenten und Techniken, qualifizierten Mitarbeitern, Soft- und Hardware und dergleichen, gepaart mit vergleichsweise immensen Kapital von Großunternehmen gegen Kleinunternehmen in schlecht bis gar nicht entwickelten Volkswirtschaften antreten. Die absolute Ungleichheit der Marktteilnehmer und die daraus resultierende Chancenungleichheit im Wettbewerb, hat Ricardo vollständig aus seinen Überlegungen ausgeblendet. Das Resultat besteht in einer Dominanz jener Unternehmen die aus den hochentwickelten reichen Ländern in die jungen unentwickelten Volkswirtschaften eindringen und deren Unternehmen jede Chance auf eine eigene Entwicklung nehmen.

      Die reichen Unternehmen und damit auch die reichen Volkswirtschaften erwirtschaften zusätzliche Gewinne zu Lasten der ohnehin bereits armen Staaten. Es handelt sich dabei um reinen Kolonialismus, der nun nicht von Staaten, sondern von Unternehmen betrieben wird. Unter den (zwangsläufig) ungleichen Bedingungen zwischen Staaten wird die ungleichmäßige Verteilung von Standortvorteilen zur Gewinnmaximierung der Wirtschaft missbraucht. Freihandel stärkt daher den ungleichen Wettbewerb und schwächt Volkswirtschaften mit Standortnachteilen.