Der lange Weg nach Däne-Mark. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640936
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sagen, aber mein Sohn brauchte mich! Andererseits würde er nach einem solchen Mami-Entzug vielleicht zugänglicher sein und mich mehr zu schätzen wissen. Und Mark schien es ja egal zu sein, ob ich da war oder nicht. So, wie es zwischen uns gerade lief, wäre etwas Abstand vielleicht gut. Ich wusste ohnehin nicht, wie ich ihm noch in die Augen sehen sollte. Vielleicht war in zwei Wochen alles vergessen. Ich hoffte jedenfalls, dass er in zwei Wochen ohne mich den peinlichen Augenblick vergaß, als ich in diesem nuttigen Outfit nach ihm griff.

      Svenja deutete mein Zögern falsch. „Ich zahle auch das Haus. Alleine würde ich nicht fahren, du würdest mir also einen Gefallen tun, wenn du mitkämst.“

      „Und diese Diana?“

      „Die müsste dringend weg! Fast noch dringender als ich.“ Svenja wälzte sich mühsam von der Couch, fiel herunter und landete zwischen Couch und Tisch. Sie fing albern an zu kichern und versuchte vergeblich, sich aus dem engen Spalt zu erheben. Ich rief nach Mark. Der machte große Augen und half mir, Svenja wieder hoch zu zerren.

      „Du bist ein lieber Kerl, Mark“, lallte sie ihn an. Mark ließ sie belustigt wieder auf die Couch gleiten.

      „Ich glaube, ich koche mal lieber einen Kaffee“, brummte er.

      „Ja, supi! Kaffee! Mark, du hast doch nichts dagegen, dass ich deine Frau mitnehme?“

      „Nö, nimm sie ruhig mit.“ Mark lachte kurz und ging zur Tür. Mir saß ein kalter Stein in der Brust. Er meinte wohl, das war witzig, aber im Moment war mir nicht zum Lachen zumute. Ich war tatsächlich überflüssig und ihm schien es einerlei, ob ich da war oder nicht. Da traf ich endgültig meine Entscheidung.

      „Sie meint nach Dänemark, Mark.“ (Dänemark-Mark?) „Und ich fahre mit.“

      Mark blieb stocksteif stehen, drehte sich um, und sah mich mit großen Augen verblüfft an.

      „Nach Dänemark? Wieso? Und wie lange?“

      „Ja, nach Dänemark. Urlaub. Zwei Wochen.“ Ich hielt seinem Blick eisern stand. Du brauchst und willst mich doch sowieso nicht, dachte ich.

      „Äh ... na ja ...“ Er kratzte sich den Kopf.

      „Nix na ja. Sie kommt mit. Hat sich den Urlaub sauer verdient.“ Svenja ließ nicht locker.

      Mark sah Svenja an, dann mich. Er merkte, dass es mir ernst war. „Na gut, wenn du meinst ... dann muss Marcel eben einen Schlüssel mitnehmen und mittags Brot essen oder so. Abends koche ich dann für uns. Wann soll’s denn losgehen?“

      „Ist Vorsaison. Diana sagt, da stehen viele tolle Häuser leer und sind günstig. Wir buchen gleich jetzt was und fahren am Wochenende los.“ Svenja war schwer zu verstehen, aber Mark verstand sie gut genug. Er riss die Augen noch weiter auf.

      „Dieses Wochenende schon?“

      „Ja. Gleich sofort weg hier. Alles Scheiße hier. Sogar im Glas geliefert, die Scheiße.“

      Wieder sah Mark mich an. „Darüber solltet ihr vielleicht noch mal reden, wenn Svenja wieder nüchtern ist. Ich mache den Kaffee.“

      „Nüchtern oder nicht, wir fahren.“ Ich erhob mich und holte unter den Protesten, dass er sich doch „noch ausloggen müsste, menno“ den Laptop meines Sohnes und googelte nach Anbietern von Ferienhäusern. Plötzlich wollte ich noch dringender hier weg als Svenja. Außerdem wollte ich lieber schnell Nägel mit Köpfen machen. Was, wenn sie wieder nüchtern wurde und das Ganze als Bierlaune abtat?

      „Welche Region?“

      „Nicht so weit weg von der Grenze. Aber weit genug für Rainer.“

      „Wie wäre es mit Tristø? Ohne Fähre kommt man da nicht drauf. Und die kostet genug, um Rainer erst einmal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ach ja ... bist du sicher, dass Diana mitkommen kann? So kurzfristig?“

      „Bestimmt. Die ist so schlecht drauf grade, das kannst du dir nicht vorstellen. Buch was, was du willst.“

      Mark kam mit zwei Tassen Kaffee herein. Er stellte eine vor Svenja ab und reichte mir die andere. Dann ging er wieder. Er wirkte noch immer recht fassungslos.

      „Also, hier ist was frei, das scheint ein wenig abseits zu sein.“

      „Abseits ist gut.“

      „Abgeschlossene Terrasse. Umsäumt von Bäumen und Büschen.“

      „Gut! Dann können wir nackt sonnenbaden!“

      Mich schauderte es bei dem Gedanken, mit meiner versauten Figur nackt irgendwo herumzuliegen. Wahrscheinlich würde die Sonne den Anblick auch nicht verkraften und sich nie mehr blicken lassen.

      „Drei Schlafzimmer, ein großer Fernseher, Kabelanschluss. Hell und freundlich eingerichtet. Durchweg positive Kritiken. Whirlpool.“

      „Toll!“

      Ja, dachte ich bei mir, toll. Für Pärchen ist ein Whirlpool eine wunderbare Sache, jedenfalls, wenn sie miteinander noch etwas anfangen können. Und nicht zusammenleben wie Bruder und Schwester.

      Der eisige Klumpen in meiner Brust begann jetzt auch noch, zu schmerzen.

      „Buch das!“

      „Na gut, es ist auch frei.“ ‚Und bezahlbar’, fügte ich im Stillen hinzu, denn wenn ich schon einen Urlaub für lau ergatterte, in den Ruin wollte ich Svenja nun doch nicht treiben. Sie musste ja noch die restlichen Schulden von Rainer abbezahlen. Und die neue Wohnung kam sie auch nicht billig.

      Ich füllte online das Formular aus und wollte zunächst sicherheitshalber mich als Mieterin angeben, aber andererseits: Wie sollte Rainer das schon herausfinden?

      „Marly, kommst du mal?“ Mark winkte mich zu sich heran. Mir sank das Herz. Bestimmt hatte er jetzt doch Einwände, aber fahren würde ich. Auch wenn Mark böse wurde.

      Seine Augen sahen wieder traurig und irgendwie gehetzt aus.

      „Das ist doch teuer, oder nicht?“, fragte er. Jetzt sank mir das Herz noch mehr. Er wollte gar nicht, dass ich hier blieb.

      „Svenja zahlt das Haus. Und auch die Fähre.“

      „Fähre? Wo soll’s denn hingehen?“

      „Tristø. In ein Haus, das ulkigerweise Fanø heißt, wie diese Schwesterinsel, die-„

      „Ja, schon gut. Aber du musst ja auch was essen. Und dir was gönnen auch. Dänemark ist nicht billig, schon gar nicht das Leben auf einer Insel. Du musst dann morgen sofort zur Bank und Kronen bestellen. Hoffentlich kommen die noch rechtzeitig an.“

      „Da kann man auch in Euro bezahlen.“

      „Stimmt, daran hatte ich nicht gedacht. Dann nimm das Geld vom Sparbuch.“

      Ich sah ihn mit schlechtem Gewissen an. Ich sollte mir was gönnen? Mark arbeitete hart und viel.

      Wir schwammen nicht im Geld, ich hatte momentan keinen Job, und die paar Kröten, die wir auf dem Sparbuch hatten, sollte ich jetzt verprassen?

      Er sah es und lächelte. „Ich habe meine Hobbys, die sind auch nicht billig. Karate, das Benzin für das Motorrad, letztes Jahr brauchte ich neue Schutzkleidung, und so weiter. Und du? Du kaufst dir nur ab und zu einen Liebesroman, Mängelexemplare aus dem Supermarkt. Hau mal auf den Putz.“

      Er gab mir scheu einen Kuss auf die Stirn. Ich schmolz dahin, gleichzeitig wurde der Klumpen in meiner Brust noch schwerer. Auf die Stirn? Ein väterlicher Kuss auf die Stirn? Ich begann zu überlegen, wann er mich das letzte Mal so richtig auf den Mund geküsst hatte, wie ein Liebhaber. Ich schluckte, als mir klar wurde, dass ich es nicht wusste.

      Wahrscheinlich wollte er sich mit dem Geld freikaufen, sein Gewissen erleichtern. Während Svenja auf der Couch ihren leichten Rausch ausschlief, und Mark im Schlafzimmer ganze Wälder absägte, saß ich in Marks Lieblingssessel und starrte vor mich hin. Ich musste Svenja ja rechtzeitig wecken und mit ihr zu ihrer alten Wohnung fahren. Ihren Onkel hatte ich angerufen. Der kam jetzt eine