Der lange Weg nach Däne-Mark. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640936
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erdenkliche Art machte (das ist die nette Form es auszudrücken), wurden zur Routine. Hundekot (hoffte ich jedenfalls) lag in meinem Postkasten. Briefe erreichten mich nicht mehr und die Nachbarn sahen mich komisch an.

      Zum Glück konnte ich es mir leisten, hier wegzuziehen und war auch dabei, das zu tun. Rainers Klage auf Unterhalt wurde ebenfalls abgewiesen. Er hatte zum Glück einen Job gehabt, als ich gewann, und seine Aussage, ich hätte ihn depressiv gemacht und er könne nun nicht mehr arbeiten, nahm ihm nicht mal der eigene Anwalt ab.

      Ich musste umziehen, und das schnell. Als ich gewann, machte ich gerade ein Fernstudium zum Übersetzer für Englisch. Das musste ich jetzt zwar nicht mehr zu Ende bringen, aber ich hatte schon so lange dafür bezahlt.

      Das Glück kam mir damals sehr zupass, denn ich hatte einen echt langweiligen Job als Bürokauffrau in einer kleinen Gas-Wasser-Scheiße Firma, die den Bach herunterging. Meine Kündigung war schon in der Post, und mein Boss erklärte damals mit echtem Bedauern, dass er mich nicht mehr bezahlen könne. Ich stand so gut wie auf der Straße, und nur das Studium hielt mich etwas aufrecht. Dann kam der Gewinn und rettete mich davor, zu einem von allen gehasster Hartz Vier Empfänger zu werden. Denn trotz guter Zeugnisse fand ich keinen neuen Job, und die Sachbearbeiter vom Arbeitsamt drängelten schon richtig, da ich ihnen bald auf der Tasche liegen würde. Zum Glück blieb mir das dann erspart. Genauso wie diese Bewerbungsseminare. Ich brauchte kein Bewerbungsseminar. Ich hatte vorher ja auch ohne so ein Seminar Arbeit gefunden und war auch noch keine zwanzig Jahre aus meinem Job raus. Daran hatte es nicht gelegen, dass ich nichts fand.

      Jetzt, da Rainer mit mir fertig war, würde ich ohnehin nichts mehr finden. Ich war sicher, dass er mich über das Internet diffamierte. Kein Arbeitgeber hätte mich noch eingestellt. Er lebte jetzt von Hartz Vier, hatte viel Zeit und wenig Geld und versuchte ständig, mir eins auszuwischen.

      In einer Nacht- und Nebelaktion würde ich heute ausziehen. Und das buchstäblich bei Nacht. Denn so konnte ich mir relativ sicher sein, dass Rainer nichts mitbekam. Er wohnte nämlich nicht weit weg. Ich wollte verschwunden sein, wenn er das nächste Mal vorbeikam und hasserfüllt in mein Küchenfenster starrte.

      Die Möbel hatte ich schon in einer verlassenen Lagerhalle untergestellt. Mein Onkel war Spediteur. Er würde heute Nacht um halb zwei mit einem Lkw und zwei starken Männern vorbeikommen.

      Als das Telefon klingelte, zuckte ich zusammen. So weit war es schon gekommen mit mir.

      „Ach, du bist es, Marly.“

      „Du klingst so erleichtert. Wieder so schlimm?“

      „Nein, heute war ein ruhiger Tag. Nur zweiundzwanzig Anrufe.“

      „Mann, mit dir möchte ich aber auch nicht tauschen.“

      „Heute Nacht haue ich ja endlich hier ab.“

      „Soll ich dir wirklich nicht helfen?“

      „Ach wo, es kommen ja insgesamt drei Mannsbilder. Und das meiste habe ich ja schon nach und nach in die Lagerhalle gebracht. Bleib du lieber bei deinen beiden Männern.“

      „Glaubst du, Rainer findet dich in der neuen Wohnung?“

      „Wer weiß? Stalker sind da schon erstaunlich kreativ.“

      „Dass der zu so einem Arschloch mutieren würde, hätte ich nie gedacht.“

      „Nein. Ich auch nicht.“

      Unbequemes Schweigen.

      „Und? Seid ihr am Wochenende ins Kino gegangen, wie du dir vorgenommen hattest?“

      „Ja. Aber der Film war nicht gut.“

      „Ich beneide dich um deinen Mark. Das ist ein wirklich lieber Kerl.“

      Da wechselte ich extra das Thema, aber Marly schwieg weiterhin. Endlich, nach gefühlten zehn Minuten, brummte sie etwas Zustimmendes und wechselte ihrerseits das Thema.

      „Du beneidest mich um Mark, ich dich um deine Figur. Ich wünschte, ich könnte auch essen, was ich wollte.“

      „Da sagst du was. Ich habe außer Nussnugatcreme nichts mehr im Haus. Alles schon weg.“

      „Und damit willst du bis heute Nacht auskommen?“, fragte Marly entsetzt. Ich grinste.

      „Nein, Quatsch. Die vernichte ich jetzt gleich. Später hole ich mir ein Pita oder so.“

      „Musst du da nicht an Rainers Haus vorbei?“

      „Ich gehe in die andere Richtung.“

      „So einen Umweg?“

      „Marly, was soll ich denn machen?“

      „Bestell dir lieber eine Pizza.“

      „Würde ich gerne. Aber nachdem Rainer mir immer wieder in meinem Namen welche bestellt hat, habe ich meine Adresse und meinen Namen bei allen Lieferanten der Stadt sperren lassen.“

      „Oh Gott! Davon hast du ja noch gar nichts erzählt!“

      „Es ist ja auch schlimm genug gewesen. Lass uns das Thema wechseln.“

      „Komm doch einfach zu uns. Mein gefräßiger Sohn lässt für gewöhnlich genug übrig, um auch einen Gast abzufüttern.“

      Ich lachte. „Das ist lieb von dir. Eigentlich ist es sogar eine gute Idee.“

      „Wieso solltest du auch da herumsitzen, und auf deinen Onkel warten? Bleib ruhig bei uns. Bis elf sind wir meistens sowieso auf.“

      „Mal sehen. Ich komme erst mal so gegen sieben Uhr vorbei. Oder ist das zu spät?“

      „Sieben ist super. Was soll ich denn kochen? Ich habe sowieso nur Fertigfutter im Haus, also ist es egal.“

      „Mir ist es auch egal. Der Gast darf keine Ansprüche stellen, der muss essen, was auf den Tisch kommt.“ Ich stand auf und ging in die Küche. Der Gedanke an die Nugatcreme hatte mich hungrig gemacht.

      „Ach, Quatsch. Im Grunde wäre ich dir dankbar. Dann können die Männer nicht meckern, weil es deine Schuld ist.“

      Ich lachte und holte einen Esslöffel aus der Schublade. Mit nur einer Hand bekam ich das Glas nicht auf, deswegen legte ich Marly kurz zur Seite, schraubte das Glas auf und tunkte den Löffel tief hinein. Es war eines dieser Angebotsgläser mit mehr Inhalt. Ich war erstaunt, wie voll es noch war. Ich hatte doch schon die ganze Woche davon genascht. Aber etwas stimmte nicht. Die Masse war normalerweise zäh, jetzt kam der Löffel sehr leicht wieder zum Vorschein. Es sah irgendwie merkwürdig aus, was da auf dem Löffel klebte. Und ein Geruch entstieg dem Glas ... ein sehr widerwärtiger Geruch. Ein Gestank, um genauer zu sein. Ich roch vorsichtig an dem Löffel und ließ ihn mit einem angeekelten Schrei fallen. Fassungslos starrte ich auf das Glas. Kein Wunder, dass es schwerer und voller war als vorher.

      „Svenja? Alles okay? Was ist denn?“ hörte ich die alarmierten Rufe aus dem Telefon, als ich ins Bad taumelte und mich heftig übergab.

       Marly

      Beinahe hatte ich die Polizei gerufen, als ich den Schrei und danach das Gewürge hörte. Ich hatte geglaubt, Rainer hätte sich unbemerkt in die Wohnung geschlichen und Svenja überfallen. Ich steckte auch schon zur Hälfte in einer Jacke, und zwar der von Mark. Mit der einen Hand hielt ich das Telefon umklammert, mit der anderen fuchtelte ich herum, um die Jacke über die Schulter zu streifen.

      „Was ist denn hier los?“ Mark kam zur Tür rein, noch in Arbeitsklamotten und Sicherheitsschuhen.

      „Irgendetwas stimmt bei Svenja nicht.“ Das Gute an Mark war, dass er nie Zeit auf dumme Fragen verschwendete. Er zog mir seine Jacke schnell wieder aus und hüllte mich in meine eigene. Vielleicht hatte er aber auch nur Angst, ich könnte seine mit meiner Körperfülle sprengen.

      „Sollen wir grad hinfahren?“ Er hatte den Autoschlüssel ja noch in der Hand. Ich lauschte kurz Svenjas erstickter Stimme, dann schüttelte ich den Kopf. „Sie kommt her.“ Mark nickte nur und ging ins Bad, um