Der lange Weg nach Däne-Mark. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640936
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er hinter mir vor Schreck über mein Gebrüll ebenfalls heftig zusammenfuhr.

      „Schleich dich doch nicht so an“, keuchte ich ärgerlich.

      „Entschuldige. Was is’n?“

      „Du weißt doch, wie man die Fritteuse auseinandernimmt?“

      „Hm ... na ja ...“ Er sah mich misstrauisch an.

      „Hör schon auf, natürlich weißt du das! Heizelement raus, Ölwanne raus, Wanne in die Spülmaschine packen, Heizelement mit etwas Spüli und heißem Wasser reinigen. Das schafft sogar ein Dreijähriger. Mach das bitte, mehr will ich ja gar nicht.“

      „Und das Öl? Weggießen?“

      „Nein, das gieß bitte zurück in die Flasche, die im Apothekerschrank steht. Aber durchs Teesieb.“

      „Da geht ja alles daneben!“

      „Nein. Weil mein Schlaukopf von Lieblingssohn den Trichter benutzen wird, der oben im Schrank liegt.“

      „Boah, okaaaaay ...“

      „Danke, mein Schatz.“

      „Marly, komm! Sonst wird’s knapp!“ Mark stand schon im Flur.

      Hastig warf ich mich in eine warme Jacke und folgte ihm. Bevor die Wohnungstür zuklappte, hörte ich noch, wie die Tür von Gefrierschrank aufgezogen wurde.

      Mit der heutigen Jugend in der Straßenbahn zu sitzen, war auch kein Vergnügen mehr. Da wurde gejohlt, geschubst und statt Spitznamen wie „Tobby“, „Ralle“, oder „Tini“ zu unserer Zeit wurden heutzutage „Pisser“, Wichser“ und „Schwanzlutscher“ bevorzugt.

      Wir wohnten in einem Hochhauskomplex, der von außen scheußlich anzusehen, innen aber recht gemütlich war. Mark hatte viel Arbeit und ich viel Liebe in diese Wohnung gesteckt. Wir konnten uns die Miete in einer besseren Gegend nicht leisten. Zum Glück konnte Mark Karate, und man sah es ihm auch an. Ein Blick von ihm, und die Mitfahrer ließen uns in Ruhe. Trotzdem war das nicht gerade das, was ich einen romantischen Abend nennen würde. Vielleicht wurde es ja noch einer.

      Der Weg zum Kino war lang, die Stadt voller merkwürdiger Gestalten. Die kamen rausgekrochen, sobald die Sonne ihr Antlitz von unserer Welt abgewandt hatte. Wie die Kakerlaken. Sie benahmen sich auch so. Wieso waren wir nicht einfach essen gegangen? Wieso musste ich Hirni denn ausgerechnet Kino vorschlagen?

      Nun standen wir im Foyer. Und mein Gesicht wurde immer länger.

      Mark machte es nicht leichter. „Was möchtest du denn sehen? Die Hexe Lillifee? Die Schlümpfe? Wicki auf großer Fahrt? Contagion? Footloose?“

      „Footloose?? Den habe ich in den Achtzigern gesehen! Mit Kevin Bacon“, empörte ich mich. „Fällt denen außer Remakes denn nichts mehr ein?“

      „Scheinbar nicht. Also, was möchtest du sehen? Contagion? Dieser Film über diese weltweite Erkrankung?“

      „Na ja ... eigentlich hatte ich eher an was Romantisches für uns beide gedacht“, gab ich zögernd zurück.

      „Was Romantisches? Eine Komödie? Aber ...“

      „...Aber das ist für dich nichts“, seufzte ich. „Lass uns in ‚Atemlos – Gefährliche Wahrheit’ gehen, da glänzen doch schon deine Äuglein.“ Romantik war wohl tot. Mann, dann sollte sie aber wenigstens später im Schlafzimmer zu neuem Leben erwachen!

      Ich hatte auch mit den Originalversionen geliebäugelt, denn dieses Synchronisationszeug, das einem in Deutschland aufgezwungen wird, fand ich schrecklich, aber das hätte ich Mark nicht zumuten können. Deswegen hatten wir die vielen DVDs: damit ich die Filme auch mal im Original sehen konnte. Serien waren ohnehin nur im Original zu ertragen, und synchronisiert meistens auch nicht mehr lustig.

      Nachdem Mark für sich eine Tüte Popcorn und für mich einen großen Becher Cola erstanden hatte, war es im Kino brechend voll und auch die letzte „Liebescouch“ ohne Armlehnen besetzt. Das fing ja gut an. Mein Plan, mich bei einem zu Herzen gehenden Film, der sogar einem ganzen Mann wie Mark ein Tränchen der Rührung entlockte, an ihn zu kuscheln, war scheinbar hinfällig.

      Neidisch sah ich zu, wie die frischverliebten Pärchen sich hemmungslos durch die unerträglich lange Werbung knutschten. Mark und ich teilten Popcorn und Cola. Wir hielten nicht einmal Händchen. Waren wir etwa schon im Rentenalter, jedenfalls was die Liebe betraf?

      Während des Films konnte ich mich nicht konzentrieren und lugte immer wieder zu Mark herüber. Natürlich merkte er das und lächelte, aber es war ein fragendes Lächeln.

      „Mann ey, warum riecht’ n das hier wie in `ner Pommesbude“, sagte da plötzlich jemand hinter mir recht laut. „Ist ja widerlich!“

      Ich wusste nicht, was er da meinte, aber rechts von mir saß ein junger Kerl, der sich so weit wie möglich weg von mir geneigt hatte und die rechte Armlehne Schutz suchend umklammerte. Scheinbar hatte er Angst, ich würde mich mitten im Film auf ihn stürzen, seinen Hosenstall mit den Zähnen aufreißen und ihn unter die Sitzbank zerren. Oder ... war es doch etwas anderes?

      „Marly“, zischte da mein Mann, mein Seelengefährte, mein Leben, „Marly, die riechen das Frittierfett!“ Er neigte sich nach links, ebenfalls weg von mir.

      Oh Gott, die treulose Tomate hatte Recht! Der Geruch nach Frittierfett hing in meinen Klamotten und wahrscheinlich auch in meinen Haaren! Was nun?

      Ich lief puterrot an, was man im Dunkeln hoffentlich nicht sehen konnte, während um mich herum die Leute „Puh“, stöhnten und sich Luft zufächelten.

      Aber Gott war mit mir an diesem Abend, denn als ich dachte, gleich würden mich die Umsitzenden mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Kino treiben, setzte sich jemand, der zu spät gekommen war, zwei Reihen hinter mich, und die missbilligende Aufmerksamkeit wandte sich schnell ihm zu, denn der Kerl hatte Knoblauch gegessen.

      Trotzdem, jetzt konnte ich mich gar nicht mehr konzentrieren. Hinter mir trieben Knoblauchschwaden auf mich zu, sobald der Kerl ausatmete, was leider relativ oft der Fall war. Neben mir hatte ich auf einmal viel Armfreiheit, und mein Mann saß beinahe unerreichbar weit von mir weg. Vorher hatte der Fettgeruch ihn ja auch nicht gestört, jetzt stempelte er mich sogar für Mark zu einem Aussätzigen.

      Mit Romantik hatte dieser Abend immer weniger zu tun.

      Einhundert Minuten können sehr lang sein, wenn man sie nicht so verbringt, wie man möchte. Ich war mir nicht sicher, wer von uns beiden die Luft mehr verpestet hatte, der Knoblauch-Heini oder ich. Auch das Publikum hatte sich da in zwei Lager gespalten, war aber einhellig der Meinung, dass die Kombination unerträglich war.

      In der Straßenbahn saß ich wie auf glühenden Kohlen. Es war schon so spät, nach elf ... und ich musste noch duschen. Wie sollte ich da mit Mark gemeinsam ins Bett kommen?

      Ungeduscht ins Bett zu gehen, war unmöglich. Ebenso gut konnte ich ihm einen Eimer Eiswasser in den Schritt schütten.

      Zum Glück war Mark ungewohnt fit. Kein Wunder, er hatte ja nur stundenlang auf dem Hintern gesessen und nichts gemacht. Er sollte auch voller Energie stecken, das war mein Plan gewesen. Erst voller Energie, dann einen Teil von sich woanders hineinstecken ... leider steckte er zunächst einen anderen Körperteil, nämlich seinen Kopf, ins Wohnzimmer, wo unser Sohn sich bei einem Horrorfilm, der auf dem Index stand, grauste. Eine Frau war gerade in ihre Einzelteile zerlegt worden

      „Ha! Erwischt!“, rief Mark, und Marcel warf vor Schreck das Eis, das ihm in der bebenden Hand schon halb geschmolzen war, auf die nagelneue Couch.

      „Oh nein! Meine Couch!“ Mein Schrei vermischte sich mit dem Gekreisch aus dem Fernseher. Das war zu viel für Marcel. Er sprang auf und rannte in sein Zimmer.

      „Lass mal, ich mache das schon. Geh duschen.“ Dass ich noch duschen musste, hatte ich Mark schon in der Straßenbahn vorgejammert. Er nahm mir liebevoll den Lappen aus der Hand und rieb vorsichtig den Eisfleck aus dem Stoff. Da wartete man extra, dass die kleine Kröte alt genug war, nicht mehr die Möbel mit