„Ein Computer.“ Klar, dumme Frage, dumme Antwort.
„Das sehe ich auch, aber wo kommt der denn her? Wir können uns doch unmöglich einen Computer leisten? Wir haben doch den Laptop!“
„Ja, aber den kannst du doch mitnehmen!“
„Was soll ich denn in Dänemark mit einem Laptop? Da liege ich am Strand oder gehe spazieren.“
„Ich habe mir die Beschreibung von eurem Haus mal angesehen. Da gibt es freien Internetzugang. Wenn du den Laptop mitnimmst, kannst du Marcel E-Mails schicken.“
„Da ist der auch ganz scharf drauf. Mit seiner Mama mailen.“
„Na ja ... mit mir ja vielleicht auch.“ Er sah mir scheu in die Augen. Ich schluckte. Mark redete doch so schon wenig mit mir, da würde er sich wohl kaum die Zeit nehmen, etwas zu tippen.
„Nun ja ... ich könnte euch mitteilen, dass ich heile angekommen bin“, gab ich nach und wich seinem Blick aus.
„Prima. Marcel legt dir eine E-Mail-Adresse an. Und es wäre mir lieber, wenn einer von uns seine Viareddel-Aktivitäten etwas überwacht. Könnte also nicht schaden, sich da mal anzumelden.“
„Damit kenne ich mich nicht aus.“
„Da kann dir Marcel helfen. Und in Dänemark Svenja. Die hat doch ein Profil da.“ Mark stellte den PC mit einem erleichterten Seufzer auf den Boden.
„Wo hast du den denn jetzt her?“, fragte ich irritiert. Wieso musste ich mich plötzlich auf Viareddel anmelden? Sollte ich in Dänemark den ganzen Tag vor dem Laptop sitzen und meinen Sohn überwachen?
„Von Justus. Sein Neffe hat sich ein neues Teil gekauft, Wahnsinnsgerät. Das hier braucht er nicht mehr. Und verkaufen will er ihn nicht, er kriegt scheinbar nicht mehr viel dafür.“
„Und den haben wir jetzt, bis ich den Laptop wieder nach Hause bringe?“
„Behalte doch den Laptop für dich. Marcel wird das Ding hier bestimmt viel lieber in seinem Zimmer haben. Mit der Grafikkarte kann er die tollsten Spiele spielen.“
„Genau, was er braucht. Mehr Computerspiele, weniger frische Luft.“ Ich ging zu Marcels Zimmer, klopfte, störte, und erklärte die Lage meinem immer gereizter werdenden Sohn, denn ich unterbrach ihn beim Chatten. Er war einverstanden, aber den Laptop bekam ich erst am nächsten Tag. Er musste noch die verdächtigen Dateien löschen, vermutete ich.
Wieso sollte ich unbedingt den Laptop haben? Dachte Mark, wenn ich ein Hobby hätte und den ganzen Tag bei Viareddel herumhing, wäre ich zu ausgelastet, um ihn noch sexuell zu belästigen?
„Heute früh habe ich das Sparbuch geplündert. Bist du sicher, dass ich das ganze Geld mitnehmen soll?“ fragte ich hastig, denn Mark sah auf einmal so aus, als wolle er etwas Ernstes besprechen, und mir grauste davor, was das wohl sein könnte. Er schluckte herunter, was er gerade hatte sagen wollen.
„Du musst aber sehr früh unterwegs gewesen sein.“ Er rückte den Computer etwas beiseite und stand mir gegenüber. Wie gut er wieder aussah. Der frische Schweiß, der ihm beim Arbeiten ausgebrochen war, duftete nach Mann. Wie gemein, dass diese verführerischen Schwaden jetzt zu mir herüberwaberten. Ich konnte ihn ja doch nicht haben, vielleicht nie mehr.
Der Gedanke, dass wir nur noch Freunde und wahrscheinlich bald schon nicht einmal mehr das sein würden, war derart entsetzlich, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Meine Wangen brannten und ich wandte mich ab.
„Ja“, flüsterte ich heiser, „ich bin gleich morgens rein und habe mich dann etwas hingelegt. Die Wäsche ist noch nicht fertig. Tut mir leid.“
„Ist doch nicht schlimm, die kann ich doch noch ... Marly? Hey, alles okay? Marly!“ Aber ich war schon ins Schlafzimmer gegangen und hatte die Tür zugemacht, damit er mich nicht weinen sah.
Fast sofort klopfte es. „Marly?“
„Ich komme gleich wieder raus“, rief ich so normal wie möglich, obwohl meine Stimme brüchig und tränenerstickt klang.
„Ist alles in Ordnung? Bist du okay? Habe ich irgendetwas ...“
„Ich komme gleich wieder. Ich brauche nur ein paar Minuten.“ Ich merkte, dass er noch ratlos vor der Tür stand. Dann hörte ich ihn weggehen.
Ich war dankbar für die große Box mit Kosmetiktüchern auf meinem Nachttisch.
Es dauerte doch eine Stunde, bis ich mich wieder unter die Meinen traute. Die roten verquollenen Wangen wollten einfach nicht abschwellen. Mark hatte inzwischen geduscht und sich umgezogen. Er roch gut, aber nicht mehr animalisch nach Mann. Das half etwas, aber nicht vollends. Er war schließlich mein Mann, und ich liebte ihn. Liebe und Begehren gingen für mich immer einher. Aber irgendwann in den zwölf gemeinsamen Jahren hatten sich unsere Wege anscheinend getrennt, ohne dass es einer von uns gemerkt hatte.
Aber wenn mein Mann nicht mehr mich begehrte, wen dann? Das war mein Alptraum geworden, dass er eine andere kennenlernen würde. Oder hatte er das schon? War eins seiner vielen Hobbys inzwischen eine Geliebte? War eins der beiden wöchentlichen Karatetrainings am Ende Matratzenakrobatik für Fortgeschrittene? Hatte er mittlerweile mit einer anderen Frau den schwarzen Gürtel in Kamasutra gemacht?
Er fuhr immer viel Motorrad, ab und zu auch allein. Hatte Mark auf einer seiner Touren eine andere Motorradmaus getroffen, und es hatte gefunkt? War er an einem Café auf sie gestoßen? Hatte sie vielleicht ihre Maschine neben ihm zum Halten gebracht, die endlos langen Beine von einer schwarzen Lederhose umhüllt, sie zog sich den Helm vom Kopf und eine Kaskade von blondem Haar ergoss sich über ihren Rücken wie in einer Shampoowerbung? Ein verheißungsvolles Lächeln, ein gemeinsam getrunkener Kaffee und dann eine gemeinsame Tour durch den nahen Wald ... ein plötzlicher Motorschaden bei der Maus, schnell behoben von dem technisch versierten Mark und dann ihr Dank auf einer einsamen Waldlichtung ...
Ein fetter Kloß saß mir im Hals. Auf einmal konnte ich es nur zu deutlich sehen. So und nicht anders musste es sein. Kein Mann lebte freiwillig so lange ohne Sex. Und wenn er ihn nicht zu Hause wollte, dann eben woanders. Wer nicht will, der hat schon.
Es stach mir mitten ins Herz.
Mark sah mir alarmiert ins Gesicht, als ich mich an den Küchentisch setzte. Er hatte einen Salat gemacht und zur Freude unseres Sohnes Spaghetti mit Tomatensoße gekocht.
Auch Marcel merkte, dass etwas nicht stimmte. Sonst regte ich mich so schön auf, wenn er eine Fünf mit nach Hause brachte, ich hatte schon den Verdacht gehegt, mein Sohn war mit Absicht schlecht in der Schule, heute zuckte ich nur mit den Schultern.
Mark musste die Strafrede halten, und wieder einmal mit Fernseh-Computer-Konsolenspielverbot drohen, aber nichts davon fruchtete. Erst als Mark verkündete, er werde den Schlüssel zum Süßkramschrank von nun an abziehen, gelobte mein entsetzter Sohn Besserung. Das war das Einzige, was den kleinen Vielfraß noch schocken konnte.
„Dann sind wir bald ganz allein, Marcel. Ich hoffe, du machst keinen Unsinn, wenn du mittags nach Hause kommst“, meinte Mark nun, aber er warf mir immer wieder fragende und besorgte Blicke zu.
„Ja, ja“, nuschelte Marcel nur und stopfte sich mit Nudeln voll.
Das war das erste Abendbrot, an dem ich nicht ein Wort sagte. Mark und Marcel unterhielten sich stockend. Sonst erzählte Mark immer von der Arbeit und welche Extrawünsche die Kunden hatten, wo er wieder eine Tür abhobeln oder einen Schrank umbauen hatte müssen, welche Zeichnung falsch war oder wo die Maße nicht gepasst hatten. Aber heute wollte ich davon nichts hören. Ich sah immer nur diese Motorradmaus und wie sie in Zeitlupe ihr Haar fliegen ließ.
Oder war es gar eine von den Hausfrauen, denen er etwas umgebaut oder geliefert hatte? Beglich sie die Rechnung in Naturalien? Schlug er erst einen Nagel in die Wand und nagelte dann im Schlafzimmer weiter? Ich konnte sie vor mir sehen. Die hier war schwarzhaarig und üppig, mit großem Busen und lüsternem Gesicht. Volle rote Lippen, Hände mit vielen Ringen. Sie öffnete ihm im Bademantel die