Der lange Weg nach Däne-Mark. Sonja Reineke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sonja Reineke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640936
Скачать книгу
eins zu den Nachbarn. In diesem Zustand kannst du nicht fahren“, erklärte ich bestimmt.

      Es dauerte eine Weile, bis Svenja auflegte. Vorher stammelte sie etwas von einem Glas und ob sie es mitbringen sollte. Ich verneinte und war später sehr, sehr, sehr froh darüber.

      Eine Stunde später lag Svenja bei mir auf der Couch mit einem feuchten Lappen auf der Stirn und einem großen Cognac in Reichweite. Sie hatte sich so weit unter Kontrolle, dass sie mir alles erzählen konnte. Ich erbleichte und verschwand selbst erst einmal für längere Zeit im Bad. Danach ging ich in die Küche und warf unsere angefangene Nugatcreme zum Entsetzen meines Sohnes in den Müll.

      „Marly? Was soll denn das? Wieder so eine komische Diät?“, mischte sich Mark ein. Ich zog ihn ins Arbeitszimmer, während Marcel meckernd im Mülleimer herumwühlte.

      „Sei mir nicht böse, aber wenn ich in nächster Zeit so ein Glas sehe, muss ich kotzen“, erklärte ich rüde. Mark blinzelte.

      „Wieso denn?“

      „Svenja wollte gerade einen Löffelvoll davon naschen. Und ... nun, es sieht so aus, als ob Rainer heimlich in ihrer Wohnung war. Jedenfalls kann man das hoffen. Oder die Firma, die die Creme herstellt, hat bald ein Riesenproblem.“

      „Was ist denn mit dem Zeug? Jetzt spuck es schon aus!“

      „Gespuckt habe ich gerade schon genug. Ich befürchte, du und Marcel müssen heute alleine essen. Mark, ich glaube es ja selbst kaum, aber wie es aussieht, hat Rainer das Glas mit der Nussnugatcreme bei Svenja wieder aufgefüllt. Aber nicht mit Nugatcreme.“

      Mark runzelte die Stirn und überlegte. Er war ein sehr heller Kopf, trotzdem konnte er sich wohl eine solche Gemeinheit nicht vorstellen und musste länger mit dem logischen Schluss kämpfen als gewöhnlich.

      „Du meinst ... er hat in das Glas geschissen?!“

      „Unelegant, aber treffend ausgedrückt.“

      „Boah! Im Ernst?“

      „Macht man mit so etwas Witze?“

      „Nee! Igitt! Soll ich mal mit dem Kerl reden? Ich nehme auch die Hausordnung mit.“

      Unsere Hausordnung war ein Baseballschläger mit genau diesem Wort, das Mark höchstpersönlich darin eingebrannt hatte. Dieser Baseballschläger hing gegenüber der Eingangstür und in der passenden Höhe, sodass man genau darauf schaute, wenn sich unsere Haustür öffnete. Schon viele grimmig entschlossene Vertreter wurden bei diesem Anblick ganz geschmeidig, und ein abgerissener Hausierer, der Topfschwämme verkaufen wollte und bei den Nachbarn zu pöbeln begann, da man ihm keinen abkaufen wollte, machte auf dem Hacken kehrt und suchte das Weite.

      „Nein! Rainer ist gefährlich! Immerhin ist er in Svenjas Wohnung eingebrochen!“

      „Ist er das? Oder hatte er noch einen Schlüssel?“

      „Bestimmt nicht, Mark! Sie hat ja das Schloss ausgewechselt. Weißt du nicht mehr?“

      „Doch, aber stell dir mal vor, er hat sich auf dem Einwohnermeldeamt nicht umgemeldet und in seinem Ausweis steht noch Svenjas Adresse. Damit kann man den Schlüsseldienst kommen lassen und vortäuschen, dass man dort tatsächlich wohnt. Der lässt einen dann rein. Und Svenjas Schloss ist keinen Pfifferling wert, das habe ich schon beim ersten Hinsehen festgestellt. Dürfte einen geschickten Handwerker kaum eine Minute kosten, das zu knacken.“

      Ich dachte darüber eine Weile nach. Das mochte sein.

      Mark musterte mich derweil unsicher. Unsicher deswegen, ging mir auf, weil ich ihn schon wieder einmal Mark genannt hatte, und nicht mehr Schatz. Seit jener Nacht nannte ich ihn immer Mark. Es war mir bisher noch gar nicht aufgefallen.

      Ihm aber wohl schon. Er musterte mich jetzt immer so komisch, wenn ich ihn Mark nannte. In seinen Augen lag eine Art Trauer. Aber darüber konnten wir jetzt nicht reden. Wieder einmal war keine Zeit da, und um ehrlich zu sein, hatte ich noch viel mehr Angst als er vor diesem Gespräch. Was, wenn er mir in seiner ehrlichen Art geradeheraus sagte, dass er mich nicht mehr attraktiv fand und auch seine Gefühle für mich erkaltet waren? Nun, dass ich ihn nicht mehr antörnte, wusste ich ja. Ich schluckte und wandte mich ab.

      „Nein, fahre bitte nicht zu ihm rüber. Der bringt es noch fertig und ruft die Polizei. Und dann sitzt du im Knast und er denkt sich eine neue Schweinerei aus. Die Polizei kann doch wieder nichts gegen den tun!“

      „Wenn er einen Schlüsseldienst gerufen hat, schon. Dann ist es Einbruch und ... ja ... na ja ... Körperverletzung oder so. Zumindest versuchte Körperverletzung.“

      Mir wurde wieder übel, wenn ich an diese versuchte Körperverletzung dachte.

      „Ich frage Svenja mal.“ Ich legte die Hand auf die Klinke. Mark hob die Hand.

      „Moment. Im Grunde kann Svenja ihn nicht anzeigen.“

      „Was? Wieso nicht? Du hast doch gerade gesagt ...“

      „Ja, aber denk mal nach: Wenn sie ihn jetzt anzeigt und heute Nacht umzieht, steht auf der Anzeige mit Sicherheit die neue Adresse. Oder aber sie wird vor Gericht angegeben, wenn es zur Verhandlung kommt. Soll sie dann wieder umziehen? Außerdem kann man ihm ja nichts nachweisen! Es sei denn, er hätte wirklich und persönlich in das Glas ge ... gekotet. Aber so viel Dummheit traue ich ihm nicht zu. Das ist bestimmt Hundekot. Liegt im Park ja zuhauf herum.“

      „Doof wie der ist, hätte der ohnehin beim Scheißen das Glas nicht getroffen“, knurrte ich und ging. Mark stand im Zimmer und sah mir verwirrt hinterher. Es war nicht der letzte Satz, der ihn so betroffen machte, sondern die Art, wie ich ihn gesagt hatte. Ich klang schroff und ich redete schon seit Tagen nur noch sachlich mit ihm. Ich wollte es gar nicht, aber irgendetwas in mir nahm Abstand von ihm. Es erschreckte mich selbst noch mehr als ihn.

      Beim Abendessen waren meine Männer tatsächlich allein. Ab und zu blitzte eine kleine Hungerattacke auf, aber der Gedanke an Svenjas Überraschung im Glas machte jeden Appetit sofort zunichte.

      Wir saßen im Wohnzimmer und redeten leise miteinander. Svenja hatte ihr Cognacglas schon zum dritten Mal geleert und sprach etwas undeutlich.

      „Ich halte das hier nicht mehr aus, weißt du? Ich muss mal raus hier! Irgendwohin wo kein Rainer ist, wo er mich auch nicht finden kann.“

      „Fahr doch mal nett in Urlaub, Svenja. Rainer kann es sich nicht leisten, dir da hinterher zu kommen.“

      „Und wohin?“

      „Überall hin. Wo du Lust drauf hast.“

      „Diana steht ja so auf Dänemark.“

      „Wer? Ach, ist das die, die du aus dem Internet kennst?“

      „Ja.“

      „Na, hoffentlich ist die echt und nicht Rainer, der dich nur aushorcht.“

      „Die ist echt! Ich habe schon oft mit ihr telefoniert!“

      „Hey, flippe doch nicht gleich aus! Ich mache mir eben Sorgen um dich.“ Ich nahm ihr den Lappen von der Stirn. Es half sowieso nichts. Svenja musste wirklich mal weg von hier, ein paar Wochen raus aus dem Stress, dann hatte sie auch keine Kopfschmerzen mehr.

      „Ja. Lass uns einfach nach Dänemark fahren, Marly.“ Svenjas Kopf war zur Seite gerollt, die Augen klappten langsam zu. Trinkfest war sie nicht.

      „Wie, lass uns fahren?“

      „Na, du. Ich. Und wenn sie will, Diana.“

      Ich lachte unsicher. „Ich kann doch nicht einfach hier weg!“

      „Wieso denn nicht?“ Sie hickste. Die Erschütterung machte sie wieder halbwegs munter, und sie schlug die Augen auf.

      „Ich habe einen Mann und einen Sohn“, gab ich zu bedenken.

      „Und? Marcel ist ein großer Junge, der kann auch zwei Wochen mittags eine Pizza in den Ofen schieben. Und Mark kann doch super kochen. Dein Junge wird nicht verhungern und nicht verwahrlosen. Mark kann