Erben der Macht. Christine Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777645
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Farbe. Mit einer schnellen Bewegung verkürzte er den Abstand zwischen ihnen auf wenige Zentimeter. Maya spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging, obwohl sie sich nicht berührten.

      „Ich bin Scar.“ Sein Atem kitzelte auf ihren Lippen.

      „Nein“, sagte sie schlicht und musste schlucken, um den Aufruhr in ihrem Inneren zu unterdrücken. Es gelang ihr, ruhiger zu sprechen, als sie war.

      „Du bist Sebastian. Und ich mache mich nicht lustig über dich, nur weil ich hinter dieser ganzen Fassade den Menschen entdecke, von dem du glaubst, dass ihn niemand sehen kann.“

      „Maya, dieser Mensch ist tot.“ Seine Stimme war schneidend. „Dieser Mensch, mit dem du vor fünf Jahren für diese eine Nacht im Bett gelandet bist, der existiert nicht mehr.“ Jedes seiner Worte schickte einen pulsierenden Schmerz durch ihren Kopf. Maya musste sich zwingen, die Augen offen zu halten. Aber sie war noch nicht fertig.

      „Doch, er existiert.“

      „Und wie kannst du dir da so sicher sein?“ In seinem Blick lag etwas Abschätziges, aber auch die Verwundbarkeit, auf die Maya es abgesehen hatte.

      „Weil ich wohl kaum noch am Leben wäre, würde dieser Mensch nicht mehr existieren.“ Maya sah in seinen Augen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.

      Unter normalen Umständen hätte Maya sich schwungvoll auf dem Absatz umgedreht und hätte den Raum verlassen. Aber ihre Schmerzen verhinderten so viel Lässigkeit. Sie biss die Zähne zusammen und machte ein paar vorsichtige Schritte Richtung Schlafzimmer. Warum war es nur auf einmal so weit weg? Sie spürte, wie Sebastian sich auf sie zu bewegte, eine helfende Hand nach ihr ausgestreckt.

      „Unterstehe dich“, flüsterte sie über ihre Schulter hinweg.

      „Unterstehe dich, mich anzufassen.“ Langsam humpelte sie weiter. Er kam ihr nicht hinterher.

      5

      Behagliches Dunkel

      „Wir dachten schon, du tauchst gar nicht mehr auf.“ Victor saß an seinem großen, ovalen Mahagoni-Esstisch und schob seinen leeren Suppenteller zur Seite. Carl und Shorty waren wie immer mit von der Partie. Außerdem Vincent und Anatol Wodrow. Die Zwillingsbrüder waren Victors Männer für die „Aufräumarbeiten“. Zwei große, muskulöse, nahezu gleich aussehende Typen. Wie gemacht, um die Tür einer Nobeldisco zu bewachen. Aber auch schnell und effektiv. Sebastian fragte sich, warum sein Bruder sie heute dabei haben wollte. Die Zwillinge waren noch jung und erst seit Kurzem im Geschäft. Klaus Wodrow, ihr Vater, hatte vor wenigen Monaten einen Schlaganfall erlitten und war noch nicht wieder auf den Beinen. Vielleicht würde er das auch nie wieder sein. Vincent und Anatol hatten die Aufgaben ihrer Familie übernommen. Trotzdem irritierte Sebastian die Anwesenheit der Beiden. Aber wer wusste schon, was in Victors Kopf vorging? Sebastian setzte sich auf einen freien Stuhl, seinem Bruder gegenüber.

      „Carl sagte: Um Acht. Es ist Acht. Ich bin hier.“

      Sofort wurden wie aus dem Nichts Gläser vor Sebastian auf den Tisch gestellt. Das eine füllte sich mit dunklem Rotwein, das andere mit Wasser. Der Hausangestellte seines Bruders, der heute für die Getränke zuständig war, machte eine winzige Verbeugung und verschwand lautlos, um irgendwo im Raum auf einen erneuten Einsatz zu warten. Victor wischte sich seine Hände an der Serviette auf seinen Knien ab.

      „Wie dem auch sei: Wir hatten jedenfalls Hunger und wollten nicht länger warten.“

      Sebastian sah, wie Carl grinste. Sein Cousin hatte wirklich eine Vorliebe für unglaublich unnütze Spielchen.

      „Es macht dir hoffentlich nichts aus“, beendete Victor seine Erklärung.

      „Nein“, antwortete Sebastian wahrheitsgemäß. Ihm war ohnehin nicht nach Suppe. Stattdessen nahm er einen Schluck Rotwein. Sofort legte sich der herbe, schwere Geschmack auf seine Zunge. Es war ein guter Wein. Genauso wie Sebastian ihn mochte.

      „Was gibt’s?“, wollte er wissen.

      „Lamm mit Bohnen.“ Die Augen seines Bruders funkelten. „Und ich hoffe, Anita hat noch was von diesem Schokoladenkuchen.“

      „Vic…“ Sebastian seufzte.

      „Was denn?“ Sein Bruder warf ihm ein umwerfendes Lächeln zu. Eines von der Sorte, mit dem er die ganze Welt betören konnte.

      „Es hieß, das hier wäre ein Geschäftsessen.“

      „Das ist es ja auch, großer Bruder. Das ist es.“ Victor verzog die Lippen zu einem beinahe mädchenhaften Schmollmund. „Aber dass du es so eilig hast… Ich für meinen Teil hätte mich gerne erst noch ein wenig unterhalten. Du nicht?“

      Sebastian zuckte mit den Schultern.

      „Wenn du meinst.“ Er wandte sich an die Wodrows. „Wie geht’s eurem alten Herren? Irgendwelche Fortschritte?“

      Es war vermutlich Anatol, der antwortete. Sebastian konnte die beiden schlecht auseinanderhalten. Und eigentlich war es ihm auch egal, wer welcher war.

      „Der sitzt im Bett und pöbelt rum. Mama ist schon ganz fertig. Nicht wegen der Pöbelei, das ist sie ja gewohnt. Aber sie versteht ihn einfach nicht mehr. Er lallt nur noch!“ Und dann machte er ihnen vor, wie Klaus Wodrow, den Mundwinkel herabhängend, in der Gegend herumbrüllte. Shorty fiel fast vom Stuhl vor Lachen und kriegte sich erst wieder ein, als das Lamm serviert wurde.

      Die ersten Bissen aßen sie schweigend und nahezu andächtig. Anita, die Köchin, hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Das Fleisch war zart und noch leicht rosa, die Kartoffeln und die grünen Bohnen einfach perfekt. Obwohl Sebastian mit wenig Appetit hergekommen war, war ihm bereits bei den ersten Duftwolken aus der Küche das Wasser im Mund zusammengelaufen.

      „Anita würde dich jeden Tag so bekochen, wenn du wieder hier einziehen würdest“, stellte Victor fest und warf Sebastian einen amüsierten Blick zu.

      „Dann würde es nicht lange dauern, bis ich dieses Haus gar nicht mehr verlassen könnte. Ihr müsstet mich rollen! Nein, ich bleibe lieber, wo ich bin. Das ist besser für meine Figur.“ Und nicht nur dafür, ergänzte Sebastian in Gedanken.

      „Damit du immer kommen und gehen kannst, wie es dir passt.“ Victor seufzte theatralisch. „Und wir sitzen hier und warten, wie kleine Mädchen beim ersten Date.“

      Shorty begann wieder zu kichern.

      „Du hast dich die ganze Woche nicht blicken lassen“, fuhr Victor fort und schob sich ein weiteres Stück Fleisch in den Mund.

      „Ich war krank“, antwortete Sebastian so mürrisch wie möglich. „Grippe.“

      Victors Augenbrauen schnellten nach oben. „Grippe? Wirklich?“

      Sebastian schnaubte: „Nein, Victor. Ich hatte einfach keinen Bock dich zu sehen, klar?“

      Sebastian beobachtete, wie sich die Augen seines Bruders leicht verengten. Er schwieg. Es kam Sebastian so vor, als würde Victor nur darauf warten etwas zu sagen, ein bestimmtes Thema anzuschneiden. Er täuschte sich nicht.

      „Du hattest keinen Bock auf mich? Dabei hätte ich doch viel mehr Grund, auf dich sauer zu sein. Wenn man bedenkt, wie du mir die Tour versaut hast.“

      Sebastians Inneres gefror zu Eis, als sein Bruder weitersprach: „Apropos, was ist denn eigentlich aus dem Mädchen geworden?“

      Verdammt vorsichtig! Sei jetzt verdammt vorsichtig, Scar!

      „Aus welchem Mädchen?“ Sebastian stocherte bemüht gleichmütig in seinen Bohnen.

      „Na, die Schlampe, die mir den Arm aufgeschlitzt hat!“, meldete sich Carl heftig zu Wort. Sebastian grinste und hoffte, es würde überzeugen. Carl hatte seinen Ärmel hochgezogen und zeigte allen Anwesenden seinen bandagierten Unterarm. Es war einfach lächerlich. Sebastian dachte an Mayas Schulter und die Prellungen an ihrem Körper.

      „Was