Erben der Macht. Christine Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777645
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Augenbrauen waren nach oben geglitten und auf seinen Lippen hatte sich ein süffisantes Lächeln gezeigt, doch in seinen Augen war – wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil – pure Missbilligung aufgeblitzt. Dann war dieser Ausdruck verschwunden gewesen und Sebastian fragte sich mittlerweile, ob er sich nicht einfach getäuscht hatte. Schließlich ging es hier um Elias. Sebastian atmete heftig aus und wischte sich mit der Hand den Schweiß vom Gesicht. Und wenn schon. Es ging Elias nichts an, wie er zu Maya stand. Du lieber Himmel, er wusste ja nicht einmal selbst, was das zwischen ihm und Maya war.

      Endlich schob sich die Silhouette einer glänzend dunkelblauen Limousine in sein Blickfeld. Sebastian stieß sich von der Mauer ab, an der er gelehnt hatte und trat an die Straße. Die Wodrows hielten nur kurz und Sebastian sprang auf den Rücksitz. Im Inneren des Wagens lief die Klimaanlage auf Hochtouren und Sebastian, der nur ein kurzärmliges schwarzes Oberteil über einer ebenso schwarzen Hose trug, fröstelte. Die Zwillinge hatten sich störrische Lederjacken übergezogen. Um cool zu wirken, aber trotzdem in der Hitze nicht zu zerlaufen, mussten sie das Wageninnere auf Kühlschranktemperatur halten. Sebastian versuchte, sich auf andere Sachen zu konzentrieren. Das bevorstehende Treffen mit Fairchild war knifflig. Er musste die Wodrows da unbedingt raushalten. Sie waren eindeutig viel zu heiß auf Blutvergießen. Das war das Letzte, was er wollte. Nein, er musste es schaffen Cosmo mit so wenigen Drohungen wie möglich auf die richtige Schiene zu bringen. Und er musste brutal genug sein, um seinen Ruf bei Victor nicht zu gefährden.

      Er hatte nicht darum gebeten, die Wodrows mitzunehmen. Die Sache würde sich besser lösen lassen, wenn der alleine wäre. Aber Victor hatte ihm die Beiden aufgedrängt. Sie waren als Aufpasser mitgekommen. Dabei sollten sie nicht Fairchild überwachen, sondern ihn.

      Sebastian seufzte. So sollte es zwischen Brüdern nicht sein, oder? Es sollte so sein, wie bei den Wodrows. Er schaute über die hohen Rückenlehnen nach vorne zu den Zwillingen. Die beiden stritten sich ständig. Doch nur über Nebensächlichkeiten. In den großen, wichtigen Dingen waren sie sich einig, vertrauten einander vorbehaltlos. Traten für den anderen ein. Dagegen steckte in der Geschwisterliebe zwischen Victor und ihm ein giftiger Stachel, den ihr Vater dort hineingetrieben hatte. Er hatte seine Söhne stärker machen wollen, indem er sie zur Konkurrenz angetrieben hatte. Ihre ganze Kindheit und Jugend hatten sie sich im Wettbewerb befunden. Wer hatte die bessere Idee, wer konnte sich durchsetzen, wer vorausdenken, wer hatte weniger Skrupel? Jahrelang hatte Sebastian diesen Wettstreit dominiert. Er war älter, größer, stärker und schlauer als Victor. Es war ein leichtes Spiel gewesen. Dann hatte sich alles verändert. Sebastian war zum Verräter geworden. Sein Vater hatte ihn von sich gestoßen und Victor zu seinem Kronprinzen gemacht. Und der hatte blind die Sichtweisen seines Vaters übernommen. Wie oft hatte Victor wohl gehört, dass Sebastian nicht zu trauen war, dass er die Familie verraten hatte und einen verschlagenen Charakter besaß? Sebastian wusste es nicht. Irgendwo zwischen diesen Gehirnwäschen, diesen Wettkämpfen und ihren eigenen Wesensveränderungen war die Bruderliebe erloschen. Einerseits wünschte sich Sebastian, er könnte den giftigen Stachel herausziehen und all diese Abneigung und das Misstrauen einfach beiseite wischen. Doch er hatte Angst vor dem, was dann zurückbleiben würde. Was, wenn da nichts war?

      „Welches Tor?“ Der Wodrow auf dem Beifahrersitz drehte sich zu Sebastian um. Sie hatten den Fairchild–Chemiekonzern erreicht.

      „Tor 1. Haupthaus. Was sonst?“, antwortete er knapp, versuchte aber, nicht allzu unfreundlich zu klingen. Irgendein kleiner Funke Sympathie war für die Zwillinge aufgeflammt. So wie man junge Hunde ganz niedlich findet, obwohl man weiß, dass es eigentlich beißwütige Kampfhunde sind.

      „Hört mal Jungs:“, begann Sebastian, als sie vor dem Haupthaus aus dem Wagen stiegen. „Lasst mich zu Cosmo erst alleine reingehen.“

      Die Zwillinge tauschten einen verwunderten Blick. „Aber Victor hat gesagt…“

      „Victor kennt Cosmo nicht halb so gut, wie ich. Und ich sage euch, wenn wir da jetzt zu dritt reinmarschieren und ihm Angst machen, erreichen wir gar nichts. Fairchild ist schlau. Und er gibt gerne damit an. Ich will ihn erst in Sicherheit wiegen. Er soll glauben, er hätte die Oberhand, kapiert?“ Sebastian konnte sehen, dass sich die Wodrows wirklich Mühe gaben, zu verstehen – und scheiterten.

      „Ich brauche euch als Joker“, sagte Sebastian deshalb nur. „Wartet einfach draußen.“

      Damit war das Gespräch beendet und die drei betraten das Gebäude. Im Gegensatz zu vielen anderen Firmensitzen, die Sebastian kannte, war das Hauptgebäude des Fairchild-Konzerns eher unscheinbar. Ein kastenförmiger, fünfstöckiger Bau mit hellem Putz und hellblauen Aluminiumfenstern. Ein einfaches Bürogebäude, auch von innen. Lediglich die erlesene Ausstattung und die wenigen, großformatigen Bilder ließen erahnen, wie viel Gewinn diese Firma abwarf. Auch hier war alles auf frische 18 Grad heruntergekühlt. Sebastian wünschte sich allmählich, er hätte, genau wie die Wodrows, eine Lederjacke übergezogen. In der Eingangshalle stand ein großer Empfangstresen, dessen Hüterin, eine groß gewachsene, junge Frau mit kurzen dunklen Haaren überrascht aufsprang, als sie Sebastian und die Zwillinge erblickte.

      „Herr Mocovic…“ Sie zögerte, riss sich zusammen und fuhr fort: „Guten Tag. Wie schön, Sie zu sehen. Obwohl wir heute gar nicht mit Ihnen gerechnet haben.“

      „Mit mir können Sie immer rechnen“, antwortete er nur und nahm bereits die ersten Treppenstufen. Er mochte Aufzüge nicht besonders.

      Als sie im fünften Stock ankamen, ließ er Anatol und Vincent im Vorzimmer bei einer resolut aussehenden Sekretärin zurück und betrat durch eine große hölzerne Doppeltür Fairchilds Büro.

      Im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern wirkte dieser nicht im Geringsten überrascht oder hektisch. Natürlich hatte die Empfangsdame bereits Bescheid gegeben.

      „Bei dem ganzen Geld, das ich den Mocovics in den Rachen schmeiße, könnte man meinen, sie würden sich davon etwas Anständiges zum Anziehen kaufen“, spöttelte Cosmo hinter seinem Schreibtisch. Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen.

      Cosmo Fairchild war ein etwa fünfzigjähriger, gutaussehender Mann. Natürlich war er tadellos gekleidet und seine wachsamen Augen beobachteten ihn hinter einer randlosen Brille.

      „Es ist Sommer“, war Sebastians schlichte Antwort.

      Auf Cosmos Gesicht machte sich ein kleines Lächeln breit. Und wieder hasste Sebastian seine Aufgabe aus tiefstem Herzen. Welche krummen Dinge Fairchild auch am Laufen hatte, Sebastian mochte ihn irgendwie. Er war entspannt und teilte mit ihm dieselbe Art von Humor.

      „Cosmo…“, setzte Sebastian an und schnappte sich den freien Stuhl an Fairchilds Schreibtisch.

      „Sebastian?“ Cosmo grinste jetzt. „Scar, was führt dich zu mir?“

      Es war besser, nicht um den heißen Brei herumzureden.

      „Ich habe deine Bücher durchgesehen.“

      Über Fairchilds Blick huschte ein Schatten. Doch sofort hatte er sich wieder im Griff.

      „Und was sagen sie dir, meine Bücher?“

      „Deine Bücher sagen: Alles astrein“, erwiderte Sebastian ruhig.

      „Das freut mich.“ Cosmo blickte abwartend.

      „Hannes Willinger sagt etwas anderes.“ Sebastian sprach den Namen von Cosmos ehemaligem Finanzberater so beiläufig aus, wie möglich. Sofort versteinerte Fairchilds Miene.

      „Willinger arbeitet nicht mehr für mich.“

      „Aber er hat es lange Jahre getan“, entgegnete Sebastian.

      Fairchild überlegte. Er schob seine Brille zurecht und sah Sebastian direkt an.

      „Na und? Was kann er schon Wichtiges sagen, das nicht eingefärbt ist durch die Frustration eines entlassenen Mitarbeiters?“

      Jetzt war es an Sebastian zu grinsen. Sein schlimmes Grinsen.

      „Nichts, was Jakob Knaur nicht bestätigen würde.“

      Fairchild