Erben der Macht. Christine Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777645
Скачать книгу
Essen hinweg zu ihm. „Ich habe keine Stunde nach diesem unerfreulichen Zwischenfall die beiden Wodrows losgeschickt, um eventuelle Reparaturmaßnahmen vorzunehmen.“

      Dein Killer-Kommando, dachte Sebastian und musste sich zusammenreißen, um nicht auf die Zwillinge loszugehen. Oder auf seinen Bruder. Widerliche Killer waren sie – allesamt! Victor legte sein Besteck zur Seite.

      „Aber die Kleine war nicht mehr da. Du weißt nicht zufällig, wo sie abgeblieben sein könnte?“ Sebastian legte ebenfalls Messer und Gabel hin und sah seinem Bruder ruhig und ernst in die Augen.

      „Um ehrlich zu sein, ich habe sie aufgesammelt und mit nach Hause genommen. Da hab ich sie aufgepäppelt und jetzt halte ich sie mir als Hausdienerin. Sie nennt mich Meister.“

      Für mehrere Sekunden war es vollkommen still im Raum. Carl lachte als Erster. Dann Shorty.

      „Meister…“, stammelte er immer wieder „Der ist gut… Meister!“ Schließlich stimmten auch Victor und die Wodrows mit ein. Sebastian bleckte lediglich die Zähne. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

      „Im Ernst, Vic. Ich weiß nicht, wo sie ist. Wahrscheinlich ist sie tot. Was kümmert‘s dich?“

      Victor hob entschuldigend die Hände. „Ich mag es einfach nicht, wenn Dinge unerledigt bleiben. Außerdem frage ich mich wirklich, wo sie abgeblieben sein könnte. Wir haben ihre Wohnung gefilzt und festgestellt, dass sie da nicht alleine gewohnt hat. Sieht aus, als würde da noch ein Kerl leben. Vielleicht hat sie der ja gefunden und aus der Schusslinie gezogen.“

      Sebastians Magen krampfte sich auf einmal zusammen. Er schob den Teller von sich.

      „Was weiß denn ich?“, sagte er und konnte den Ärger in seiner Stimme nicht ganz verbergen. „Und es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht.“

      „Sie war eine vom Widerstand!“, warf Carl ein. „Das hat doch dieses hingeschmierte Bild bewiesen. Wenn da ein Nest ist, dann sollte uns das schon interessieren, finde ich.“

      Sebastian lehnte sich vor und blickte abschätzig in Carls Richtung. „Hältst du das für ein Nest? Ein Mädchen mit Pinsel und ihren Macker? Wir hätten Einiges zu tun, würden wir jedem Dahergelaufenen, der zu viel Unvernunft gefrühstückt hat das Genick brechen wollen. Anatol und Vincent würden gar nicht mehr hinterherkommen“, ergänzte er mit einem Seitenblick auf die Wodrows.

      „Wir hätten nichts gegen ein wenig mehr Widerstand“, tönte einer der Zwillinge und ließ die Knöchel an seiner Hand knacken. „Mehr Spaß für uns!“

      Sebastian hätte sich am liebsten übergeben. Diese dummen Kinder!

      „Was ich damit sagen will, ist:“, überging er den Einwurf der Wodrows „Wenn du wissen willst, was mit dem Mädchen passiert ist, bleibt dir nichts anderes übrig, als ihre Wohnung beschatten zu lassen. Vielleicht taucht sie ja auf – oder der Kerl. Aber wenn du mich fragst, ist das die Mühe nicht wert. Bestimmt ist sie längst tot oder irgendwie abgehauen. Wir haben wirklich andere Probleme.“ Ein letztes, inszeniertes Schulterzucken. Hoffentlich reichte es.

      „Wahrscheinlich hast du Recht, mein lieber Scar.“ Victor hatte seinen Hauptgang aufgegessen und lehnte sich zurück. „Dann lass uns also zu den anderen Problemen kommen.“ Sebastian atmete vorsichtig aus, um sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Alles was jetzt kam, konnte nicht mehr so schlimm werden.

      „Nach der Sache mit Henly habe ich dich gebeten, ein prüfendes Auge auf unsere anderen Geschäftspartner zu werfen. Wie kommst du voran?“

      „Langsam“, antwortete Sebastian. Die Zahl der Geschäftspartner der Mocovics war beträchtlich und Sebastian arbeitete gründlich. Außerdem hatten sie alle irgendwie Dreck am Stecken. Victor interessierte sich nur für eine bestimmte Art von Dreck – Sebastian wollte alles wissen.

      „Cosmo Fairchild steht gerade ganz oben auf meiner Liste.“

      „Der gute Cosmo? Was sagen denn seine Bücher über ihn?“

      „Nichts. Seine Bücher sind astrein.“ Sebastian leerte sein Weinglas. Sofort war der Hausdiener zur Stelle, um ihm nachzuschenken. Sebastian schüttelte den Kopf. „Danke, ab jetzt nur noch Wasser.“ Dann wandte er sich wieder den anderen zu.

      „Aber mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, dass er Geld abzweigt, das ihm nicht zusteht. Seine Geschäftsbücher verzeichnen das als Lohnkosten und Sozialleistungen. Aber er schiebt es sich, so heißt es, lieber selbst in die Taschen.“

      Victor schenkte seinem Bruder einen gleichgültigen Blick.

      „Heißt es so? Na, und wenn schon?“

      „Cosmo belügt uns, wenn er Geld an uns vorbeischmuggelt“, gab Carl zu bedenken. „Von jeder dieser Einnahmen steht uns ein gewisser Prozentsatz zu. Wenn er seinen Vertrag nicht einhält, ist er ein verdammter Betrüger, Vic.“

      Wie Sebastian bemerkte, brauchte sein Bruder nur wenige Sekunden, um die Sachlage zu durchdenken.

      „Dann sollten wir ihm eine Lektion erteilen, findet ihr nicht?“ Sein Blick wanderte zu den Wodrows und Sebastian fröstelte plötzlich.

      „Wie gesagt, es sind nur Gerüchte. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Cosmo uns tatsächlich hintergeht. Aber ich werde der Sache noch einmal ordentlich nachgehen. Und wenn er tatsächlich glaubt, er könnte die Mocovics bescheißen…“ Sebastian setzte sein schlimmstes Grinsen auf. Er wusste, dass damit alles gesagt war. Kaum etwas war furchteinflößender, als sein Grinsen. Mit einer Ausnahme: Dem breiten, gemeinen, wunderschönen Lächeln seines Bruders. Der hob plötzlich den Kopf und atmete genussvoll ein. Auch Sebastian stieg der Duft in die Nase.

      „Sieht so aus, als hätte Anita doch noch was von dem Schokoladenkuchen übrig.“

      Maya wusste nicht genau, was sie geweckt hatte. Vermutlich hatte sie sich im Schlaf in eine unangenehme Position gerollt. Der neue Verband, den der Doc ihr verpasst hatte, ließ ihr zwar deutlich mehr Bewegungsfreiheit, aber es war immer noch ein Verband. Außerdem war es warm im Zimmer und die verschwitzten Laken hatten sich um ihre Beine gewickelt. Sie blinzelte und war überrascht, als sie Sebastian im Sessel neben ihrem Bett entdeckte. Einen friedlich schlafenden Sebastian. Warum schlief er hier? Durch die geöffnete Tür fiel Licht aus dem Wohnzimmer herein. Wahrscheinlich hatte er gar nicht vorgehabt, die Nacht neben ihrem Bett zu verbringen, war aber doch eingenickt. Maya durchströmte ein warmes Gefühl. Er hatte nach ihr gesehen, hatte sich in den Sessel gesetzt und ihren Schlaf bewacht. Genau wie in ihren ersten Tagen hier. Und wieder war dieses Gefühl von Sicherheit so präsent, dass sie glaubte, es mühelos mit den Händen greifen zu können. Das Licht aus dem Wohnzimmer zeichnete ein großes, gelbes Viereck an die Wand am Fuße ihres Bettes und erhellte den Rest des Raumes gerade so weit, dass sie Sebastians Gesichtszüge erkennen konnte. Wenn auch verschwommen. Das verlieh seinem Äußeren eine Sanftheit, von der Maya wusste, dass sie sich bei normalem Licht in Nichts auflösen würde. Doch jetzt hatte sein Körper nichts von der bedrohlichen, angespannten Haltung an sich. Sebastian hatte sich im Sessel zurückgelehnt, ein Bein angewinkelt. Maya konnte sehen, dass er barfuß war. Seine Beine steckten in weiten, bequemen Stoffhosen und ein einfaches, weißes T-Shirt bedeckte seinen Oberkörper. Sebastians Atem ging ruhig und gleichmäßig, eine Hand ruhte auf der Sessellehne, die andere lag entspannt auf seinem Oberschenkel, die Innenseite nach oben gedreht. Maya konnte am Handgelenk die dunkle, geschwungene Tätowierung ausmachen, die sich über den ganzen Unterarm bis unter sein Shirt erstreckte. Wie weit ging sie wohl? Sie versuchte, unter dem weißen Stoff etwas zu erkennen, doch dafür reichte das Licht bei weitem nicht aus. Erst an der Seite des Halses, über dem Ausschnitt waren die Linien wieder zu sehen. Sebastians Kopf war zur Seite geneigt. Maya folgte mit den Augen der silbrig glänzenden Narbe, die sich unregelmäßig vom Haaransatz an der Schläfe, bis zu seinem Kinn erstreckte. Und dann noch eine zweite, kürzere Linie, vom Rand seiner Oberlippe bis zum Wangenknochen. Sie fragte sich, welche Art von Bewegung wohl so eine Spur hinterließ. Waren es zwei gezielte Schnitte gewesen, oder ein unkontrollierter Hieb? Maya seufzte gegen einen schweren Klumpen an, der sich ihr aufs Herz legte. Würde