„Was du alles weißt?! Erstaunlich! All diese Details kann ich mir leider sowieso nicht merken. Aber ich merke mir: Ich muß mehr und besser schlafen. Bleibt die Frage: Wie?“
„Denk noch mal über das Schlaflabor nach.“
„Ach komm!“ Klaus wollte gerade noch etwas sagen, als er bemerkte, daß die Frauen aufgestanden waren und auf sie zukamen. „Themenwechsel! Okay?“ forderte er Qiang auf, der ihm kurz zunickte.
Inzwischen war das Essen fertig. Robby hatte gerade zu Tisch gebeten, während zwei seiner ‚Kollegen‘ noch mit dem Tischdecken beschäftigt waren und ein vierter die Kinder aus dem Hobbyraum holte.
„Also, auf geht’s!“ forderte Chan die Herren mit einer einladenden Geste auf. „In China haben wir ein Sprichwort, das lautet: ‚Es ist besser, der Gast wartet auf das Essen, als das Essen auf den Gast‘. Das hat seinen Grund darin, daß unsere Pfannengerichte unbedingt frisch und heiß serviert werden sollten, weil sie dann auch am besten schmecken. Langes Warmhalten schadet nur.“
Klaus Eppelmann nickte verständnisvoll und sprang mit einem Satz aus dem Sessel: „Ja, ja, ich weiß schon! . . . Und da bin ich auch schon!“
„Hmmm! Riecht das wieder gut bei euch!“ schwelgte Ellen Eppelmann bereits im Vorgeschmack auf das Essen, das Robby gerade auf den Drehtisch stellte.
Nachdem sie alle am Tisch Platz genommen hatten, erläuterte Robby das Menü: „Wir haben heute ‚Betrunkenes Huhn‘, . . .“
Die Kinder lachten laut auf, und auch Ellen und Klaus schauten schmunzelnd und erwartungsvoll abwechselnd auf das Essen und zu Robby.
„. . . ja, so heißt das: Betrunkenes Huhn“, wiederholte Robby. „Aber das Huhn wird nicht schon vor dem Schlachten betrunken gemacht, sondern erst danach ausgiebig in Wein gebadet. Das Gericht stammt aus Schanghai.“
Die Eppelmann-Kinder amüsierten sich immer noch über den Namen.
Nach kurzer Pause fuhr Robby fort: „Außerdem gibt es Schweinefleisch vom Rost, Rindfleisch Kanton, Ente mit Ananas, Fischklöße in Teigtaschen, Gemischtes Gemüse süß-sauer und eine Eierblumensuppe.“
„Oh, das hört sich ja ganz vorzüglich an!“ rief Ellen entzückt.
„Und sehr üppig!“ ergänzte Klaus.
„Ich wünsche allseits guten Appetit!“ sagte Robby lächelnd mit seiner typischen, kleinen Verbeugung.
„Ja, das wünsche ich euch auch allen“, wiederholte Chan. „Laßt es euch gut schmecken!“
„Danke, gleichfalls!“ antworteten die Eppelmanns fast gleichzeitig.
Die Erwachsenen tranken einen Reiswein dazu, die Kinder kalte Getränke.
„Ach, übrigens, ehe ich es vergesse“, sagte Ellen Eppelmann den Kindern zugewandt, „wir hatten ja eine Verabredung für nächsten Samstag.“
„Wir hatten?“ fragte Jiao.
„Ja, leider! Wir müssen nochmal umdisponieren. Es ist etwas dazwischen gekommen, dem wir uns nicht entziehen können.“
„Schade“, sagte Jiao etwas traurig. „Ich hatte mich schon so darauf gefreut.“
„Ich weiß“, bestätigte Ellen Eppelmann, „es tut mir ja auch leid, aber aufgeschoben ist doch nicht aufgehoben! Wir holen es auf jeden Fall nach! Wir können ja gleich nach dem Essen mal nach einem geeigneten Termin schauen.“ Und zu Chan gewandt fügte sie mit einem vielsagenden Lächeln hinzu: „Weißt du, wir haben einen Wochenend-Trip auf die Kanaren gewonnen.“
„Gewonnen?“ fragte Chan, weil sie mit diesem Ausdruck in dem Zusammenhang nicht viel anfangen konnte.
„Ja, weißt du, das sagen wir so scherzhaft hier. Klaus und seine Bereichskollegen haben eine Einladung von ihrem Chef. Sie wollen sich wohl über die Geschäftsstrategie unterhalten. Ja, und es gibt auch ein Damenprogramm, damit wir armen Ehefrauen nicht immer allein zu Hause rumsitzen müssen, während die Herren durch die Welt reisen. Ist doch nobel, nicht?“
„Das finde ich nur zu gerecht“, pflichtete Chan ihr bei, und sie tat dabei so, als hätte sie den etwas ironischen Unterton bei Ellen Eppelmann nicht bemerkt. „Wenn die Herren nicht mal am Wochenende mehr Zeit haben für ihre Familie, dann sollen sie wenigstens nicht auch noch ihre Frauen allein am Herd zurücklassen – jedenfalls nicht immer.“
„Du sagst es!“ bemerkte Ellen Eppelmann sehr bestimmt und schaute dann ihren Mann herausfordernd an. Als der aber keinerlei Anzeichen machte, ihre Bemerkung zu kommentieren, wandte sie sich wieder Jiao zu und sagte in versöhnlichem Ton: „Also, wie gesagt, wir holen das auf jeden Fall nach. Du mußt dich nur ein wenig gedulden.“
„Apropos Familie“, sagte Chan und schaute dabei die Söhne der Eppelmanns an, „was macht ihr dann an diesem Wochenende? Ihr fliegt doch nicht mit, oder?“
„Nein, die bleiben hier“, antwortete Ellen Eppelmann für ihre Söhne. „Die sind doch groß genug, um sich mal ein Wochenende selbst zu versorgen.“
„Dann kommt ihr selbstverständlich zu uns“, sagte Chan resolut. „Ihr dürft euch auch ein Essen wünschen.“
„Das ist doch nicht nötig, Chan“, intervenierte Ellen Eppelmann, während die Jungs ein freundlich zustimmendes Gesicht machten. „Die sind doch nun wirklich alt genug und müssen nicht mehr bemuttert werden!“
„Das hat doch gar nichts mit Bemuttern zu tun, Ellen“, insistierte Chan. „Wir sind doch zu Hause, müssen ja auch essen. Und das Essen macht uns ja schließlich überhaupt keine Arbeit, das macht Robby. Der kocht einfach für zwei Personen mehr. Also wo ist das Problem? Warum sollen deine Jungs alleine zu Hause rumsitzen und sich die Küchenarbeit machen, wenn sie alles viel einfacher, gemütlicher und geselliger haben können?“
„Ach, du mußt die nicht so verwöhnen. Die müssen langsam erwachsen und selbständig werden! Und das werden sie nicht, wenn sie ständig bemuttert werden!“
„Ach komm, jetzt sei nicht zu streng mit ihnen. Außerdem freuen sich unsere Kinder ja auch, wenn sie hier zusammen etwas unternehmen können. Also abgemacht, ihr kommt dann nächsten Samstag zu uns, ja?“ Damit war die Sache für Chan entschieden, und sie sah den Jungs an, daß sie sich darüber freuten.
Ellen Eppelmann holte tief Luft und schnaufte dann laut und deutlich durch, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß sie es eigentlich nicht für richtig hielt, sich aber nun doch in das offenbar Unvermeidliche fügte.
Mit dem Essen war man inzwischen fertig, und die Kinder rutschten immer unruhiger auf ihren Stühlen herum. Schließlich bat Jiao: „Dürfen wir schon mal aufstehen?“
Sie durften es, und flugs sprangen sie auf, um in den Hobbykeller zu rennen – so, als wollte jeder als erster dort ankommen.
„Aua!“ schrie Gerd Eppelmann plötzlich laut auf.
Ellen rannte sofort zur Treppe, um nachzusehen, was passiert war. Dort sah sie ihren Sohn mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Treppenabsatz liegen.
„Was ist passiert?“ fragte sie ihn besorgt und ging hinab zu ihm.
„Ach, mein Knöchel tut weh. Ich glaube, ich hab’ mir den Fuß verstaucht“, stöhnte Gerd.
„Das kommt davon, wenn man gleich drei oder vier Stufen auf einmal nehmen will. Das wär’ doch nun wirklich nicht nötig gewesen!“ entgegnete Ellen vorwurfsvoll, fügte aber besorgt hinzu: