„Klingt selbst für einen Kaufmann plausibel“, bemerkte Klaus Eppelmann.
„Okay! Wie machen wir das?“ fuhr Qiang mit seiner Erklärung fort: „Wir bauen einen Oszillator, also einen Schwingungsgenerator, der auf einer ganz bestimmten Frequenz oszilliert. Und die legen wir vorzugsweise genau in die Mitte dieses Frequenzbandes, deshalb nenne ich die jetzt mal Mittenfrequenz. Verstehst du?“
„Hm, ja. Ich glaube schon. Aber mach es nicht zu kompliziert.“
„Ja, verstehe. Du bist heute sicher zu müde.“
„Nein, nein! Mach nur weiter, es interessiert mich ja wirklich. Ich melde mich schon, wenn ich nicht mehr folgen kann.“
„Ja, okay. Aber ich will es trotzdem ein wenig abkürzen, um dich nicht über Gebühr zu beanspruchen. Also, wir waren bei der Mittenfrequenz. Ich sagte ja schon: Jeder einzelnen Frequenz entspricht eine bestimmte Farbe für unsere Wahrnehmung. Das heißt: Um weißes Licht zu erzeugen, reicht es nicht, nur eine bestimmte Frequenz abzustrahlen. Also, wie kriegen wir das gewünschte Frequenzband? Wir könnten zum Beispiel für jede einzelne Frequenz dieses Bandes einen eigenen Oszillator bauen, aber das macht man natürlich nicht, denn das wäre total unwirtschaftlich.“
„Das glaube ich auch“, pflichtete Klaus Eppelmann ihm bei.
„Deshalb haben sich die Ingenieure eine bessere Lösung einfallen lassen: Sie sorgen dafür, daß dieser eine Oszillator simultan auf allen gewünschten Frequenzen dieses Bandes schwingt.“
„Hm . . .?“
„Ja, du mußt dir das so vorstellen, daß er jede einzelne Frequenz kurz nacheinander erzeugt und abstrahlt – so schnell, daß es quasi gleichzeitig erscheint. Wir nennen das Wobbeln.“
„Ach komm, laß mich mit deinen Fachausdrücken in Ruhe. Die vergesse ich sowieso gleich wieder.“
„Na gut. Aber hast du das Prinzip verstanden?“
„Ich glaube schon, ja.“
„Prima. Wir haben also ein Ausgangssignal mit einer ganz bestimmten Mittenfrequenz und einer definierten Signalbandbreite generiert. Und mit diesen beiden Größen lassen sich jetzt allerlei Effekte erzeugen, einfach durch Variation einer der beiden oder beider Größen. So kannst du zum Beispiel je nach Wunsch entweder ein relativ breites, dem Tageslicht ähnliches Frequenzspektrum abstrahlen oder ein schmaleres, dessen Mittenfrequenz du wahlweise näher zu den infraroten oder zu den ultravioletten Frequenzen verschieben kannst.“
„Hm . . . Und die Farbspiele in eurem Partykeller?“
„Das ist auch ganz simpel. Wenn du die Signalbandbreite sehr schmal machst, dann hast du eine bestimmte Farbe, je nachdem, wo die Mittenfrequenz liegt. Und wenn du die veränderst, kontinuierlich oder sprunghaft, dann ändert sich in diesem Rhythmus auch die Lichtfarbe.“
„Hm, hört sich wirklich alles ganz einfach an“, sagte Klaus Eppelmann beeindruckt.
Sie sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann fragte Qiang: „Was willst du noch wissen?“
Klaus Eppelmann zögerte mit der Antwort. „Ich möchte dir wirklich nicht zur Last fallen mit meinen törichten Fragen“, sagte er schließlich, während er beobachtete, wie Robby mit dem Prosecco auf ihn zukam und fragte, ob er nochmal nachschenken dürfe.
„Aber, ich bitte dich. Die Fragen sind doch nicht töricht, und du fällst mir auch nicht zur Last damit“, beruhigte Qiang ihn. „Also, was willst du wissen?“
Klaus Eppelmann nickte zustimmend und sah Robby dabei mit einem Ausdruck großer Bewunderung zu, wie dieser erneut sein Glas füllte. „Wir nehmen das alles schon so selbstverständlich hin“, sagte er gedankenversunken, „aber eigentlich ist es phänomenal, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz zugleich deine Roboter ihre Bewegungen ausführen. Ich habe ja keine Ahnung, welcher technische Aufwand dahintersteckt, wirklich nicht! Aber ich bin ausgesprochen begeistert von dem Resultat.“
„Ja, es sieht alles sehr leicht aus, wenn es mal richtig funktioniert“, bestätigte Qiang. „Aber, wie du schon sehr richtig vermutest, war es ein weiter Weg bis dahin und entsprechend groß der Aufwand. Wobei die Realisierung an sich nicht mal das eigentliche Problem ist. Eine technische Lösung läßt sich früher oder später eigentlich immer finden. Nein, das eigentliche Problem liegt schon davor, wenn es nämlich darum geht, die zugrundeliegenden Wirkmechanismen überhaupt erst mal zu verstehen.“
Klaus Eppelmann schaute ihn mit erwartungsvollen Augen an.
„Schau mal“, fuhr Qiang fort, „du kannst, zum Beispiel mit den Mitteln der Heuristik, für deine jeweilige Aufgabenstellung verschiedene Lösungen finden. Wenn wir mal bei den Armbewegungen von Robby bleiben, die ja sehr vielfältig sein können, so müßte man – einem herkömmlichen Ansatz der ‚Künstlichen Intelligenz‘ folgend – allein dafür schon eine ganze Reihe von Programmen zur Ablaufsteuerung der verschiedenen Bewegungen generieren, genau genommen für jede mögliche Bewegung jeweils ein eigenes Programm. Jetzt überleg mal, wie viele unterschiedliche Bewegungen du mit deinen Armen machen kannst! Dann erkennst du, daß du sehr schnell an die Grenze des Machbaren stößt, denn du kannst praktisch nicht alle in jeder Situation möglicherweise vorkommenden Bewegungsabläufe vorhersehen und programmieren. Es wird immer wieder die eine oder andere Situation geben, die du nicht genau bedacht hast, und dieser Situation würde Robby dann zwangsläufig nicht mehr gerecht werden können. Also, langer Rede kurzer Sinn: Die Handlungsmöglichkeiten von Robby blieben in jedem Fall eingeschränkt.“
„Ja, und . . .“, Klaus Eppelmann schaute ihn mit großen Augen fragend an: „Und wie hast du das Problem gelöst?“
„Unsere Roboter sind befähigt, die Strategien der Bewegungsabläufe biologischer Organismen – in diesem Fall der Menschen – nachzuvollziehen. Voraussetzung dafür war logischerweise die Kenntnis der Struktur und Wirkungsweise biologischer Nervensysteme. Das ist schnell gesagt – jetzt, seitdem wir diese Thematik beherrschen. Aber bis es soweit war, hat es sehr viel Schweiß der Tüchtigen gekostet. Es sind ja sehr komplexe Vorgänge, die sich selbst bei kleinsten Bewegungen abspielen. Dabei steht die Steuerung der Bewegungsmotorik schon eher am Ende der Verarbeitungskette, obgleich es eigentlich ein rückgekoppelter Prozeß ist. Am Anfang steht ein Wunsch oder Wille, etwas zu tun: Robby will dir Prosecco eingießen. Dann geht es darum, die Informationen unserer Sinne, also beispielsweise Sehen, Hören oder Tasten, richtig zu verarbeiten, um daraus schließlich die notwendigen Bewegungen abzuleiten: Robby sieht dein Glas an einer bestimmten Stelle des Raumes stehen und muß jetzt die Flasche mit seinem Arm in eine Position führen, die es ihm ermöglicht, den Inhalt in dein Glas einzugießen ohne dabei etwas zu verschütten. Aber damit nicht genug: Er muß den Vorgang des Eingießens visuell verfolgen, damit er nicht zu viel eingießt. Er muß also fortlaufend sein motorisches Handeln mit seiner sensorischen Wahrnehmung im dreidimensionalen Raum korrelieren und koordinieren.“
Qiang blickte Klaus Eppelmann in die Augen, die etwas müde in den Raum zu starren schienen, und machte eine Pause, weil er den Eindruck hatte, diesen mit seinen Ausführungen in Anbetracht dessen momentaner Verfassung vielleicht etwas zu überfordern. Aber der nickte nur kurz mit dem Kopf, als hätte er alles verstanden, und sagte: „Interessant! Wirklich interessant!“
„Ich habe jetzt sehr stark vereinfacht“, fuhr Qiang fort. „In Wirklichkeit ist das natürlich alles wesentlich komplizierter. Wenn du bedenkst, daß du 656 verschiedene Muskeln hast, die alle jederzeit richtig koordiniert werden wollen und von denen meistens mehrere gleichzeitig bei jeder deiner Bewegungen beteiligt sind! Oder wenn du auch nur den Arm mit seinen 52 Muskelpaaren betrachtest, die alle deine mehr oder weniger komplizierten Armbewegungen und Handgriffe ermöglichen, ohne daß du dir dieser schwierigen Aufgabe überhaupt bewußt wirst! . . . Ja? Es ist doch so, daß du keinen einzigen Gedanken daran verschwendest, wie du