„Hm . . . ?“
„Ja, unser Robby stellt insoweit ein selbstlernendes System dar – nach dem Prinzip: ‚learning by doing‘. Über seine Sensorik beschafft er sich alle für die Bewegungssteuerung notwendigen Informationen selbst. Er kontrolliert seine Bewegungen und korrigiert sie, wenn nötig. Nach wenigen Übungen hat er sie soweit verinnerlicht, oder besser: gelernt und gespeichert, daß er sie danach fehlerfrei wiederholen kann. Es ist wie bei einem Kind, das bestimmte Dinge lernt, indem es sie wieder und wieder probiert. Nur, daß dieser Lernprozeß bei Robby wesentlich schneller abläuft.“
„Phantastisch!“ äußerte Klaus Eppelmann begeistert. „Und . . . , sag mal, wie koordinierst du eigentlich das perfekte Zusammenspiel deiner fünf Roboter?“
„Ach, weißt du“, antwortete Qiang, „die koordinieren ihre Aktionen untereinander völlig selbständig, indem sie alle notwendigen Informationen via Funkkommunikation austauschen. Damit ist das ‚System‘ technisch voll redundant ausgelegt und dem früher häufig angewandten sogenannten Master-Slave-Prinzip weit überlegen. Wenn beispielsweise ein Roboter von einem Familienmitglied einen Auftrag erhält, kommuniziert er diesen sofort an alle anderen vier Roboter, und derjenige, der für diese Aufgabe gerade besonders günstig positioniert ist, ‚übernimmt‘ den Auftrag, das heißt, er führt ihn aus und teilt dies allen anderen gleichzeitig mit. Bleibt eine solche Mitteilung, aus welchen Gründen auch immer, einmal aus, so wird der gleiche Kommunikationsprozeß vom ursprünglichen Initiator erneut angestoßen. Jeder Roboter kennt somit jederzeit den jeweiligen Aufenthaltsort und die gesamte ‚Auftragslage‘ aller Roboter“.
„Phantastisch!“ sagte Klaus Eppelmann bewundernd.
„Naja, das ist eigentlich nichts Neues“, wiegelte Qiang etwas ab. „Es gab ja früher auch schon diese dezentrale Organisationsform für technische Systeme. Wir haben sie allerdings in der Zwischenzeit verfeinert, weißt du. Indem wir die Untersuchungsergebnisse der wissenschaftlichen Studien zu Ameisen- und Bienenvölkern sehr genau analysiert und ihre Übertragbarkeit auf unsere Anwendungen geprüft haben, sind wir auf sehr interessante Erkenntnisse gestoßen, deren praktische Umsetzung du hier vor dir siehst.“
„Bewundernswert“, staunte Klaus Eppelmann, „wie du es schaffst, trotz deiner zeitraubenden unternehmerischen Aktivitäten immer noch so fit in den technischen Details zu bleiben, zumal die technologische Entwicklung so rasant verläuft, daß einem schon fast schwindelig werden könnte.“
„Ach, weißt du“, bemühte sich Qiang schnell in typisch chinesischem Understatement, seinem Freund ‚Gesicht‘ zu geben, „das ist nichts Besonderes. Ich bin Ingenieur, mich hat schon immer alles Technische interessiert. Und es macht mir einfach Spaß, mich damit auseinanderzusetzen. Außerdem, schau mal, meine kleine Firma ist doch leicht überschaubar im Vergleich zu deinem großen Laden. Angesichts der Verantwortung, die du hast, ist doch klar, daß dir da viel weniger Zeit für deine Hobbys bleibt.“
Natürlich war sich Qiang bewußt, daß sein Job beziehungsweise seine Leistung auf gar keinen Fall geringer zu bewerten war als jene von Klaus Eppelmann, und er war selbstbewußt genug, sich das auch selber zuzugestehen. Aber ebenso selbstverständlich würde er ihm gegenüber so etwas niemals äußern. Viele dieser Manager in den Großkonzernen waren nach seiner Erfahrung in erster Linie an ihrem eigenen Fortkommen interessiert. Die Firma war nicht das Ziel ihrer Überlegungen, sondern lediglich das Mittel zum Zweck. Alle drei bis fünf Jahre wechselten sie auf einen anderen Posten oder in eine andere Firma, Hauptsache es ging aufwärts. Verständlich, daß sie angesichts solcher Motivation wenig Interesse an den Produkten ihrer jeweiligen Firma und an der Entwicklung längerfristiger Geschäftsstrategien hatten, denn sie würden die Zielerreichung ohnehin nicht mehr in dieser Position erleben. Nur kurzfristige Erfolge waren für sie wichtig, selbst wenn es vielleicht nur Scheinerfolge waren. Ihr ganzes Bemühen war konsequenterweise darauf ausgerichtet, bei ihren jeweiligen Vorgesetzten ein möglichst gutes Bild abzugeben, selbst wenn die Ergebnisse negativ waren. Auf die richtige Darstellung kam es an. Bilanzen konnten ‚frisiert‘ werden. Irgendwie ließ sich fast immer zumindest eine ‚schwarze Null‘ hintrimmen. Und wenn doch nicht, dann fand man mit Sicherheit gute Gründe, warum das eben diesmal nicht gelingen konnte: Dann war eben die Politik Schuld, weil sie nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen hatte, oder das Wirtschaftswachstum war generell einfach zu gering, oder die Konkurrenz war zu aggressiv, oder, oder, oder. Gründe dafür ließen sich immer finden. Wichtig war allein, seine ‚Leistung‘ nach oben richtig darzustellen, dann erreichte man bald die nächste Hierarchiestufe und mußte nicht mehr selbst ausbaden, was man vorher möglicherweise ‚angerichtet‘ hatte. Das mußte dann allenfalls der Nachfolger büßen. Auf diese Weise wurden ganze Generationen von ‚Springern‘ in den Konzernen herangezogen, die durch die Hierarchien wirbelten, viel Unruhe unter den Mitarbeitern verursachten, und letztlich – langfristig gesehen – zum Nachteil der Unternehmen wirkten.
Ganz anders verhielt es sich bei ihm – er war selbständiger Unternehmer. Sein Hauptinteresse galt dem Unternehmen und dessen erfolgreiche Entwicklung. Er verband sein ganzes Leben mit dieser Firma, und er war auf Gedeih und Verderb mit dieser Firma verbunden. Er mußte sich langfristige Strategien für den Aufbau und das weitere Wachstum überlegen. Er konnte nicht – und wollte auch nicht – mal eben die Firma wechseln, um dort einen gutdotierten Posten zu ergattern. Er wollte nur seine eigene Firma voranbringen. Es war gewissermaßen sein ‚Lebenswerk‘.
Klaus Eppelmann saß in seinem Sessel, die Schultern schlapp herunterhängend, den Kopf nach vorn geneigt, das Gesicht grau und von Falten gezeichnet, die Augenlieder schwer.
„Du bist müde, Klaus. Man sieht es dir an“, sagte Qiang. „Womit kann ich dich ein wenig aufmuntern?“
„Ach, ja“, antwortete Klaus nachdenklich. „Ich bin für jede Aufmunterung dankbar. Aber letztlich hilft sie mir auch nicht wirklich weiter.“
„Wieso? Was heißt das?“ wollte Qiang wissen.
„Ach, naja . . .“, sagte Klaus etwas unwirsch, denn eigentlich hatte er gar nicht darüber sprechen wollen. Aber nun hatte er mal damit angefangen und wollte die Frage nicht einfach so abweisen. „Es ist einfach so, daß ich seit einiger Zeit eigentlich immer müde bin. Es ist wohl der dauernde Streß, dem ich allmählich nicht mehr gewachsen zu sein scheine.“
„Na, na! Das glaubst du ja wohl selber nicht!“ entgegnete Qiang spontan. „Das hätte ich mit Sicherheit bemerkt.“
„Hast du nicht?“
„Hab ich nicht.“
„Siehst du, das ist perfektes Tarnen und Täuschen. Das mußt du beherrschen in unserem Job. Bloß keine Schwächen zeigen! Aber, wem erzähle ich das!“
„Sicher! Ich weiß Bescheid! Aber gerade weil es so wichtig ist, keine Schwächen zu zeigen, solltest du eine solche gar nicht erst aufkommen lassen. Schlaf dich doch einfach mal so richtig aus!“
„Erst mal können vor Lachen!“
„Hm? Was heißt das: Können vor Lachen?“
„Ach, das ist so eine Redewendung!“ entgegnete Klaus mit einer abwinkenden Handbewegung. „Was ich damit sagen will, ist, daß ich nicht schlafen kann!“
„Du meinst, du schläfst nicht gut.“
„Nein, ich schlafe überhaupt nicht! Jedenfalls fast gar