Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Die Pferdelords
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750221420
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hatte die Spuren der Krallen und der Zähne untersucht und

      vermutete, dass der Räuber ein relativ junges Tier war. Vielleicht ein

      Männchen, das reif genug war, sein eigenes Rudel zu gründen, und sich nun

      auf der Suche nach Nahrung und einem paarungswilligen Weibchen befand.

      Nedeam war vor Jahren sogar einmal einem großen Pelzbeißer begegnet

      und hatte diese Begegnung nur mit Glück überlebt. Es wäre ihm fast lieber

      gewesen, wenn der Räuber eines dieser Tiere gewesen wäre, denn die Spur

      ihrer schweren Leiber ließ sich leichter verfolgen. Außerdem jagten

      Pelzbeißer nur tagsüber und schliefen in der Nacht. Den Raubkrallen

      hingegen war die Tageszeit gleichgültig. Wann immer sie Beute fanden,

      belauerten sie diese und töteten sie.

      Nedeam hatte das gerissene Lamm ausgenommen. Das Fleisch war zart

      und gut, und aus dem kleinen Fell ließ sich Bekleidung fertigen. Schließlich

      wurde in den Marken der Pferdelords nichts verschwendet.

      Im Moment war Nedeam allein auf dem Gehöft. Seine Mutter Meowyn

      und sein väterlicher Freund und Mentor Dorkemunt weilten in Eternas, viele

      Tausendlängen entfernt. So trug Nedeam die ganze Verantwortung für die

      kleine Herde. Er hatte sie zusammengehalten, so gut er es vermochte, aber die

      einigermaßen flachen Hänge luden die Wolltiere förmlich dazu ein, sich auf

      ihrer begierigen Suche nach gutem Futter zu verstreuen. Nedeam hatte sie

      unermüdlich wieder zusammengetrieben, aber schließlich hatte er resigniert

      geseufzt und die sturen Tiere ihrem eigenen Willen überlassen. Nur die

      kühnsten Ausreißer trieb er nun noch zu den anderen zurück. Es war wohl

      besser, sich auf die natürlichen Instinkte der Tiere zu verlassen. Wolltiere waren

      Herdentiere und drängten sich bei Gefahr zusammen. Sie hatten gute Nasen

      und witterten ein Raubtier auf große Entfernung, wenn der Wind günstig

      stand und den alarmierenden Geruch zu ihnen herantrug. Auch Nedeams

      Pferd hatte eine gute Nase und ergänzte auf diese Weise den geschärften

      Augensinn des Jungen, den er für den Fall brauchte, dass sich der Räuber

      gegen den Wind anschlich.

      Jetzt neigte sich der Tag, und die Schatten wurden länger, ohne dass

      Nedeam die Fährte der Raubkralle entdeckt hätte. Vielleicht war sie längst

      weitergestreift, doch Nedeam spürte, dass sie noch in der Nähe war und

      hungrig darauf lauerte, erneut zuzuschlagen.

      Aber irgendwann würde Nedeam schlafen müssen. Er konnte seine Augen

      nicht die ganze Nacht offen halten, denn seit Tagen war er allein und hatte

      nicht mehr richtig geschlafen. Auch diese Nacht würde er nicht in seiner

      Bettstatt verbringen, sondern auf dem harten Boden der Hochmark.

      Nedeam prüfte die Windrichtung und suchte nach einer günstigen Stelle

      für seinen Lagerplatz. Zwischen zwei niedrigen Felsen, die etwas Schutz vor

      Wind und Sicht boten, wurde er fündig. Jeder gute Pferdelord wählte sein

      Nachtlager mit Bedacht, denn man wollte sich nicht im Schlaf von einem

      Räuber überraschen lassen, mochte er nun zwei oder mehr Beine haben.

      Während Nedeam schlief, würde sein Pferd für ihn Wache halten.

      Nedeam schob die größeren Steine zur Seite, ebnete den Boden, so gut es

      ging, und breitete seine Decke darüber. Dann nahm er Wasserflasche und

      Provianttasche von seinem Pferd und klopfte diesem anerkennend auf die

      Flanke. Der Hengst schnaubte leise und trabte dann zum Wasserloch hinüber,

      um seinen Durst zu stillen und selber ein wenig von dem Gras zu zupfen. Viel

      hatten die Wolltiere nicht übrig gelassen. Aber auch in Nedeams Provianttasche

      fand sich kaum noch etwas. Morgen würde er die Wolltiere in ein anderes Tal

      treiben müssen und bei der Gelegenheit auf dem Gehöft seine Vorräte

      auffüllen.

      Er aß etwas Brot und Wolltierkäse, dazu ein paar Trockenfrüchte, dann legte

      er Bogen und Pfeilköcher griffbereit neben sich und hüllte sich in den langen

      grünen Umhang. Er war so müde, dass er fast augenblicklich einschlief.

      Nedeam erwachte, als der Hengst leise schnaubte und mit dem Kopf sanft

      an seine Füße stieß. Der junge Pferdelord war schlagartig wach und spürte die

      Gefahr, die sein Pferd zuerst bemerkt hatte. Nedeam sah zu seinem Reittier,

      dessen Kopf mit geblähten Nüstern in eine bestimmte Richtung wies. Der

      große braune Hengst mit dem lang gezogenen weißen Fleck auf der Stirn war

      gut ausgebildet und kampferfahren. Nedeam vertraute auf Stirnflecks Instinkt.

      Er nahm den Bogen, zog drei Pfeile aus dem Köcher und erhob sich lautlos.

      Vorsichtig spähte er über einen der Felsen hinweg in die Richtung, in die

      Stirnfleck witterte.

      Die Nacht war nicht ganz sternenklar. Immer wieder schoben sich Wolken

      vor Mond und Sterne, und die Schatten gaukelten Bewegung vor, wo keine

      war. Nedeams Blick suchte Talboden und Hänge nach den lang gestreckten,

      schlanken Umrissen einer Raubkralle ab, welche sich beim Anschleichen an

      die Beute üblicherweise tief zu Boden duckte.

      Dann entdeckte er den Räuber. Es war tatsächlich ein junges Tier, nicht

      besonders groß, sogar kleiner als ein ausgewachsenes Wolltier, aber dennoch

      war es tödlich. Die Raubkralle stand starr auf dem Hang, und nur die

      Bewegungen ihres Kopfes und das nervöse Zucken des langen Schwanzes

      verrieten, dass Leben in dem Körper war.

      Nedeam war ein guter Bogenschütze, einer der besten, wie man sagte.

      Aber das wechselhafte Licht und die Entfernung ließen keinen sicheren

      Schuss zu. Er entschloss sich zu warten, bis das Raubtier näher kam, dann

      bemerkte er, wie die Raubkralle zu ihm hinübersah, und blickte rasch zur

      Seite. Niemals einem Ziel in die Augen sehen, hatte Dorkemunt ihm

      eingeschärft. Es könnte spüren, dass man es ansah, die Gefahr erahnen und zu

      fliehen versuchen. Oder es könnte angreifen.

      Genau das tat die Raubkralle nun. Sie griff an, was Nedeam überraschte,

      denn