Die dunkle Seite der Seele. Dorle Weichler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dorle Weichler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738021363
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beiden Schwestern waren endlich mit ihrer Arbeit fertig, das Kopfkissen wurde noch einmal ausgeschüttelt und Lena konnte sich wieder hinlegen.

      „Ach du meine Güte! Sie dir das mal an!“ Mit diesen Worten hielt sie der Kollegin ein paar Kabel unter die Nase, „Die Hälfte der Strippen hat sie auch noch raus gerissen!“

      Und mit ein paar barschen Handgriffen hatte sie Lena das Nachthemd übers Gesicht gezogen und verband die Kabel wieder mit den Klebepads. „Und wir hätten uns gleich gewundert warum ständig der Alarm geht!“

      „Nun hör aber auf zu schimpfen, Frau Kirchner ist krank und hat das doch nicht mit Absicht getan,“ antwortete die nette Schwester nur. „Haben Sie noch einen Wunsch?“ fragte sie dann noch.

      „Wenn ich bitte noch etwas zu trinken bekommen könnte,“ flüsterte Lena ganz verunsichert.

      „Natürlich! Ich komme gleich noch einmal und lege Ihnen einen neuen Katheder an und dann bringe ich Ihnen einen Krug Wasser mit, in Ordnung? Und hier, Frau Kirchner, ist auch endlich Ihre Klingel, damit können Sie jederzeit um Hilfe rufen, ja?“

      Lena lächelte die Frau dankbar an und versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen, sie zitterte noch immer am ganzen Körper. Aber sie dachte noch einmal an das, was ihr gerade alles durch den Kopf geschossen war! Das Schicksal ihrer Mutter, ihr eigenes Schicksal, und ganz besonders das mehr als lieblose Verhalten ihres damaligen Ehemanns! Wie konnte sie so viele Jahren einfach verdrängen, was für einen üblen Charakter ihr Mann hatte! War sie vor Liebe blind gewesen? Wann war es passiert, das sie sich scheinbar selbst aufgegeben und nur noch das Leben, das ihr Mann von ihr verlangte, gelebt hatte?

      Sie dachte an die vergangene und endlich abgeschlossene Ehe! Zwanzig Jahre war sie mit dem Mann verheiratet gewesen und hatte sich von ihm regelrecht umerziehen lassen! Und was hatte ihr armer Sohn gelitten und sie selbst hatte sich irgend wann nicht mehr getraut, sich vor ihn zu stellen und den Jungen zu schützen! Und wieder stiegen die Tränen in ihr auf! So viele verlorene Jahre! Diese Zeit würde sie niemals wieder gut machen können!

      Doch plötzlich kam ihr etwas ganz anderes in den Kopf! Sie erinnerte sich! Auch wenn diese Erinnerungen furchtbar waren, sie waren real! Und darüber war sich Lena endlich im Klaren und ein Felsen der Erleichterung fiel ihr vom Herzen!

      Sie konnte sogar wieder dankbar lächeln als die nette Schwester mit einem Krug Wasser und einem Glas in der Hand eintrat, das sie Lena auf den kleinen Tisch stellte und diesen in Lenas Nähe rollte.

      Dann legte sie ihr erst sehr behutsamen die Infusion und dann den neuen Katheder an, dann kam wieder der komische Fingerhut auf den Zeigefinger.

      „So Frau Kirchner, jetzt ist alles wieder in Ordnung und Sie können bis zum Frühstück noch ein paar Stunden schlafen. Oder brauchen Sie noch etwas?“

      „Nein danke,“ erwiderte Lena. „Sie sind so lieb zu mir! Mir ist das alles doch sehr unangenehm. Es tut mir sehr leid dass ich Ihnen so viele Umstände gemacht habe.“

      „Aber Frau Kirchner! Das ist doch unser Job! Und entschuldigen Sie bitte das Verhalten meiner Kollegin. Eigentlich ist sie ganz nett aber im Moment hat sie Eheprobleme, da wird sie manchmal ziemlich unleidlich.“

      Und mit einem netten Lächeln ging sie hinaus und Lena ließ sich, irgendwie fast entspannt, wieder auf ihr Kopfkissen fallen. Jetzt würde alles gut werden! Sie konnte sich endlich wieder an vieles erinnern. Sie schloss die Augen und war schon einen Moment später eingeschlafen.

      Kapitel 11

      Christian wurde von Minute zu Minute unruhiger! Er konnte seine Tante nicht erreichen, weder telefonisch übers Festnetz noch per Handy, und in der Firma konnte sie sich an einem Sonntag auch nicht gemeldet haben. Und natürlich war auch Michael, sein Cousin und Sohn seiner Tante, mal wieder nicht erreichbar. So weit es Christian wusste, war der irgendwo im Mittelmeerraum mit seinem Team unterwegs, mehr hatte seine Tante auch nicht erwähnt. Die beiden jungen Männer hatten auch nicht so den Kontakt zueinander, dafür waren sie viel zu verschieden.

      Während Christian grundsolide und sehr verlässlich war hatte Mike schon als kleiner Junge so seine Probleme gehabt. Sicher hatte ihn schon die Scheidung seiner Eltern negativ beeinflusst, zumindest aber die sogenannte Erziehung seines Stiefvaters Werner hatte den Rest besorgt! Seine Tante hatte anfangs nicht sehen wollen oder können, wie unbarmherzig ihr zweiter Mann war, mittlerweile aber waren es auch schon wieder zehn Jahre her, seit sie diesen gewalttätigen Idioten endlich verlassen hatte!

      War schon eine merkwürdige Beziehung gewesen! Irgendwie hatte die ganze Verwandtschaft so ihre Probleme mit ihm gehabt, allen voran seine Oma. Aber er war Lenas Mann und nur ihr zuliebe hatte man ihn immer mit in Kauf genommen.

      Tja, und Mike, der hatte schon als Kind nichts so sehr wie die Musik geliebt, in die er sich immer flüchten konnte, wenn Werner ausrastete. Oft war er auch einfach abgehauen! Er hatte mit ein paar Freunden schon früh eine Band gegründet und hatte nach den Proben dann oft im Probenraum oder bei einem seiner Freunde übernachtet, natürlich immer ohne dieses vorher zuhause zu sagen. Dass er damit in erster Linie seiner Mutter große Sorgen bereitet hatte... na ja.... dafür war er wohl einfach noch viel zu jung gewesen.

      In den Tagen, an denen er manchmal nicht aufzufinden war, brach er seiner Mutter fast das Herz, aber sie wusste leider auch nur zu gut, dass es die Brutalität ihres Mannes war, mit der er sie, genau genommen, beide unglücklich machte. Aber damals glaubte sie ihrem Mann, wenn er immer und immer wieder sagte, dass sie mit ihren Krankheiten ohne ihn ein Nichts wäre und mit einem Kind ohne ihn erst recht nicht existieren könnte!

      Erst Jahre später, als er sie nicht nur um ihr Vertrauen betrogen hatte, sondern auch um alles gebracht hatte, was sie sich in den Jahren nach ihrer ersten Scheidung als Sicherheit für ihr Alter aufgebaut hatte, nahm sie allen Mut zusammen und hatte sich einfach Arbeit gesucht. Und dann hatte sie gekämpft! Mit Anfang fünfzig und keinerlei Computerkenntnissen! Außerdem hatte sie zwanzig Jahre lang nicht mehr gearbeitet, und doch schaffte sie es durch ihre positive Ausstrahlung und ihren Kampfgeist, letztendlich zu gewinnen! Erfolg auf der ganzen Linie! Und genau diese ihre Einstellung bewunderte Christian besonders an ihr! Auch wenn sie viele eigene Probleme zu bewältigen hatte blieb sie freundlich und wirkte ausgeglichen.

      Es war sehr schade, dass Mike so wenig Anteil am Leben seiner Mutter hatte, aber irgendwie konnte er ihn doch auch verstehen! Mike's langjährige Lebensgefährtin hatte ihn mit der gemeinsamen Tochter verlassen und einen anderen geheiratet, das hatte seinen Cousin gewaltig aus der Bahn geworfen. Und obwohl dieser durchaus wusste dass die Schuld überwiegend bei ihm lag brachte ihn ihre endgültige Entscheidung fast um den Verstand!

      Mike hatte einfach seine Sachen zusammen gepackt und war für eine lange Zeit untergetaucht! Lange wusste niemand, was aus ihm geworden war! Erst Jahre später nahm er Kontakt zu seiner Mutter auf. Was auch nicht gerade einfach gewesen war, schließlich war diese mittlerweile, berufsbedingt nach Hessen, in die Nähe von Frankfurt gezogen. Als Alternative hätte ihr wahrscheinlich Arbeitslosigkeit gedroht, aber sie war damals einfach nicht bereit gewesen, dieses Risiko einzugehen!

      Was sollte sie auch in der Heimat halten? Ihrem Exmann über den Weg zu laufen oder, schlimmer noch, das er mal wieder vollkommen gewissenlos versuchen könnte, sie wieder und wieder anpumpen zu wollen? Ausgerechnet er, der sie viele Jahre belogen und betrogen hatte? Und wie immer seiner Exfrau erzählen zu wollen, dass er selbst natürlich ja an allem absolut unschuldig war!! Klar doch! Schuld hatten natürlich immer nur die anderen! Er stellte sich einfach blind wenn er in den Spiegel sah! Schließlich war er doch ein Ehrenmann und alle anderen betrachtete er, und bezeichnete sie auch noch so, als sogenanntes Gesocks! Allein dieses unwürdige Verhalten konnte Lena dann letztendlich nicht mehr akzeptieren! Und sie wollte das alles einfach nur noch hinter sich lassen.

      Es tat ihr so weh, dass ihr einziges Kind von jetzt auf sofort verschwunden war! Sie konnte ja nicht einmal sicher sein, ob er noch lebte oder sich vielleicht etwas angetan haben könnte! Immer, wenn sie den Sohn erwähnt hatte, konnte Christian sehen, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen! Und er hatte ja selbst Kinder, er durfte erst gar nicht daran