Die dunkle Seite der Seele. Dorle Weichler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dorle Weichler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738021363
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noch keinen festen Babysitter wie die meisten anderen, ihr erst 3 Monate alter kleiner Sohn Timmy würde sicher ganz schnell zum begehrten Mittelpunkt werden. Er war aber auch einfach so goldig, dass man selbst fast wieder Lust bekam, auch noch ein Kind in die Welt zu setzen! Nur schade, dass die Kinder immer viel zu schnell groß und eigenständig wurden.

      Katja gab wieder einen Seufzer von sich, drehte sich zu seiner Seite und legte ihre Hand auf seine Schulter. War sie schon wach? Nein, ihr Atem war noch immer tief und gleichmäßig.

      Christian aber war mittlerweile hellwach. Leise setzte er sich auf, legte Katjas Arm vorsichtig auf sein Kopfkissen und warf einen Blick zurück auf seine Frau... sie sah so friedlich und entspannt aus! Sollte sie sich ruhig ausschlafen, der Tag würde noch stressig genug für sie werden, da konnte er jetzt wenigstens schon mal alles fürs Frühstück vorbereiten und endlich frische Brötchen holen. Es war jetzt schon nach sieben, der Bäcker machte auch am Wochenende schon früh auf, da konnte er doch schon alles fertig haben bevor die Familie aufstand. Wenn er nur nicht schon wieder eine viertel Stunde durch seine Tagträume vertrödelt hätte! „Muss alles vom Alter kommen,“ tröstete er sich grinsend.

      Christian war so in seine Erinnerungen und Gedanken versunken gewesen dass er heute sogar fast vergessen hätte aufzustehen. Komisch, dafür war er eigentlich gar nicht der Typ! Aber jetzt ab ins Badezimmer und unter die Dusche, er hatte schießlich noch so einiges zu erledigen.

      Doch als das erfrischende Nass ihn traf machten die Gedanken sich wieder selbstständig. Den Glückwunschreigen beginnen würde ja mit Sicherheit wieder seine Tante Lena. Auf sie war Verlass! Schade, sie würde dieses Jahr nicht kommen können. Sie hatten noch vor zwei Tagen telefoniert, ihr war es gar nicht so gut gegangen, anscheinend hatte sie sich einen Magen- und Darmvirus eingefangen, und sie hatte sich gar nicht wie sonst immer angehört! Fühlte sich mächtig schlapp und müde. Und dann ein paar Stunden mit dem Wagen auf der Autobahn..... das ging gar nicht, konnte er auch wirklich nicht von ihr verlangen. Irgendwie merkte er, dass er sich doch etwas Sorgen um sie machte! Gleichzeitig sagte er sich: „Quatsch! Doch nicht Lena! Die lässt sich doch von so einem Klacks nicht unterkriegen! Da war sie schon mit ganz anderen Sachen fertig geworden! Wie sie es immer wieder schaffte, alle körperlichen und gesundheitlichen Probleme zu bewältigen.... alle Achtung! Da kannte er doch eine ganze Menge Mitmenschen die sich schon für schwerst krank hielten wenn ihnen mal ein Pups quer saß!

      Es war schon erstaunlich genug, dass sie sich mit ihrer angeschlagenen Gesundheit immer so schnell wieder erholte! Das reinste Stehaufmännchen! Aber trotz allem würde sie bestimmt wieder die erste sein, die anrief! Und ein Geschenk für ihn war mit Sicherheit auch längst auf dem Weg! Sie hatte ihn in all den Jahren noch nie vergessen! Außerdem war sie auch seine Patentante und die einzige in der Familie, die nicht nur immer eine positive Einstellung zu allem hatte, sondern die auch immer etwas fand, über das er sich wirklich freuen konnte! Warum nur konnten seine Eltern nicht wenigstens einen Hauch so sein wie sie?

      „Mann! Christian! Stehst unter der Dusche und träumst!“ Was war bloß heute los mit ihm? Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal so intensiv über seine Familie morgens unter der Dusche nachgedacht zu haben! Wirklich merkwürdig! War das vielleicht doch ein Zeichen dass er doch alt wurde?

      „Quatsch! Sieh zu dass du endlich fertig wirst und spinn nicht rum, Alter!“ Er lachte seinem Spiegelbild zu, tippte sich an die Stirn und zog sich endlich an.

      Kapitel 4

       Sie war so schrecklich müde, aber sie durfte jetzt nicht schlafen! Mühsam öffnete sie die Augen, wo war sie denn nur? Sie lag auf dem Boden, der bestand aus groben Steinplatten, und die waren eiskalt. Und sie zitterte schon wieder am ganzen Körper! Ihre Zähne schlugen aufeinander, so sehr fror sie. Aber irgendwie kam ihr doch das alles sehr bekannt vor! War sie nicht kürzlich noch hier gewesen? Aber dieser Ort machte ihr furchtbare Angst! Überall sah sie dunkle Schatten und sie bildete sich ein, auch flüsternde Stimmen zu hören! Wenn sie doch nur wüsste wie sie an diesen unheimlichen Ort gekommen war!

       Die seltsamen Sachen, die sie trug, waren schwer und ihr vollkommen unbekannt. Wann nur hatte sie sich diesen langen, dunklen Rock und diese altmodische, dunkelrote Bluse gekauft? Die waren doch gar nicht nach ihrem Geschmack! Oder hatte ihr jemand anders diese Sachen angezogen?

       Sie musste sich einfach an alles erinnern und dazu musste sie sich richtig konzentrieren. Mit Panik kam sie nicht weiter. Erst musste sie eins nach dem anderen klären. An was konnte sie sich denn überhaupt noch erinnern? Sie schloss ihre Augen und versuchte, die irre Angst, die von ihr Besitz ergriffen hatte, auszuschalten. Wenn das alles nur so einfach wäre!

       Ihr Kopf schmerzte ganz entsetzlich und immer wieder verschwamm alles vor ihren Augen. Also, noch einmal ganz von vorn, was war passiert? Richtig, sie hatte es ja mit letzter Kraft geschafft, sich vor der Wanderhure zu verstecken! Dem Himmel sei Dank dafür! Aber wo war die jetzt denn nur? War sie mit ihren Heerscharen vorbei gezogen und sie hatten sie nicht gefunden? War die Gefahr endgültig gebannt und konnte sie jetzt endlich wieder nach Hause gehen? Wenn sie doch wenigstens den Hauch einer Ahnung hätte wo ihr Zuhause war!

       Sie blickte sich um, aber alles, was sie sehen konnte, warf nur neue Fragen auf und schürte die Angst immer wieder neu! Wenn sie sich doch wenigstens etwas beruhigen könnte!

       Also, ganz tief ein und aus atmen, ruhiger werden und nach Lösungen suchen! Oder wenigstens den Hauch einer Lösung! Sie sah sich nach allen Seiten um und versuchte, sich ein klares Bild ihrer Umgebung zu machen.

       Vor sich sah sie kurze, schwarze, metallische Pfeiler mit jeweils einer runden Kuppe oben drauf. Diese Pfeiler waren irgendwie sehr gezielt im Boden verankert, kleine Flächen mit Wegen dazwischen? Mühsam kam sie auf die Füße und sah sich das Muster aus der Nähe an. Genau genommen sah es irgendwie wie ein Friedhof auf, kahle dunkle Gräber, dazwischen schmale Pfade. Aber ein Friedhof? Ganz ohne Pflanzen und Grabsteine? Ihr kroch wieder ein kalter Schauer über den Rücken, das alles hier war einfach unheimlich! Ob sie sich hier überhaupt verstecken und ausruhen konnte? Aber welche Wahl blieb ihr denn schon?

       Jetzt erst bemerkte sie, dass sie eine Tasche in der Hand hatte! So eine große Papiertüte mit Henkel, sie öffnete sie, sah hinein und ....... oh Gott! Nein! Gellend schrie sie auf und warf entsetzt die Tasche weit von sich! In der Tüte befand sich der Kopf ihrer Mutter! Das konnte doch gar nicht wahr sein! War ihre Mutter nicht längst tot? Hatten sie etwa vergessen, sie damals zu begraben? Die Fragen sprangen sie von allen Seiten wie kleine schwarze Teufel an ….. aber sie hatte doch keine Antworten! Ihr Kopf war leer und ihre Erinnerungen wie ausgelöscht!

       Mit zitternden Beinen ging sie auf die Tasche zu! Sie musste sich geirrt haben! Das konnte unmöglich der Kopf ihrer Mutter da drin sein! Nein! Nein! Und nochmals Nein!

       Doch bei der Tasche angelangt sah sie, dass die Augen ihrer Mutter weit geöffnet waren und sie stumm und vorwurfsvoll ansahen!

      „Was willst du von mir“, schrie sie. „Rede wenigstens mit mir!“ Aber sie bekam keine Antwort, nur diese schrecklichen, starren, vorwurfsvollen Blicke, die sie unentwegt anschauten!

       Sie versuchte, ihr Grauen und ihre Angst zu verdrängen, setzte sich auf den Boden und öffnete mit zitternden Händen langsam die Tüte ganz. Sie enthielt nur die Büste der Mutter! Und der untere Teil der Büste war über und über mit Erdklumpen bedeckt, so als hätte man diesen Teil von ihr aus dem Grab gerissen!

      „Gott im Himmel, bitte hilf mir! Ich weiß nicht mehr weiter! Lebe ich noch oder bin ich in der Hölle? Habe ich diese Strafe vielleicht verdient? Warum kann ich mich denn nur nicht daran erinnern? Was soll ich denn jetzt mit ihr machen? Soll ich sie hier vielleicht begraben? Ober ist gar eines dieser Gräber das meiner Mutter? Habe ich ihr das angetan?“

      „Hilf dir selbst dann hilft dir Gott“, schien der Blick der Mutter zu sagen, „also reiß dich jetzt endlich mal zusammen. Du musst hier weg! So schnell du nur laufen kannst!“