Genau, dort, etwas weiter hinten in der rechten Ecke, das schien so etwas wie ein Verschlag zu sein, eine große Truhe stand auch dort, vielleicht konnte sie die Mutter dort ja erst einmal verstecken, und wenn sie in Sicherheit war, musste ihr Bruder kommen und ihr helfen, ihre Mutter endlich richtig zu begraben, damit sie ihren Frieden finden konnte.
Ihr Bruder? Ja, ganz tief drin in ihr was etwas Bekanntes, Vertrautes! Ja, sie hatte einen Bruder, aber wo war er? Warum ließ er sie allein und warum half ihr nicht? Wusste er überhaupt wo sie jetzt war und was ihr hier Schreckliches passierte?
Mit Mühe gelang es ihr endlich, den schweren Deckel der Truhe zu öffnen...... ein bestialischer Gestank schlug ihr entgegen und mit irrem Entsetzen ließ sie ihn schreiend wieder fallen! Es war ein großer Sarg, gefüllt mit toten und halb verwesten stinkenden Tierkadavern! Sie hielt die Tüte fest an sich gepresst und rannte, wie von Furien gehetzt, in die andere Richtung! Hinter ihr begannen die Toten auf dem Friedhof einen grauenvollen, dumpfen Gesang, nur unterbrochen von entsetzlichen schrillen Schreien!
Die Mauer! Sie hatte sie zu spät gesehen! Und sie war zu niedrig! Mit einem unmenschlichen Schrei stürzte sie über die Mauer in die Tiefe!
Kapitel 5
Kaum war Christian vom Bäcker zurück und hatte den Tisch gedeckt als seine kleine Tochter Valerie in die Küche kam. Sie rieb sich noch ganz verschlafen die Augen und gähnte herzhaft. Dann erst entdeckte sie ihren Vater.
„Papa! Warum bist du denn schon auf? Ich wollte doch heute den Tisch decken und dich überraschen! Ach Mensch! Warum hast du mich denn nicht geweckt?“
„Da habe ich gar nicht drüber nachgedacht! Und ich hätte natürlich wirklich daran denken können, mein Mädchen! Aber ich konnte nicht mehr schlafen und habe uns auch schon frische Brötchen geholt. Aber ich habe ganz vergessen den Kaffee zu kochen, willst du das nicht übernehmen?“
Das musste ihr kein zweites mal gesagt werden! Mit der Routine einer geübten Hausfrau ging sie mit vor Eifer rot glühenden Wangen an die Arbeit.
Jetzt erst fiel dem Mädchen ein, dass da ja noch etwas ganz Besonderes war!
„Ich wollte doch die Erste sein die dir gratuliert, Papa!“ Und mit ganz enttäuschten Augen sah sie ihn an.
„Bist du doch auch, mein Schatz! Alle anderen schlafen noch.“ Dabei hob er sie hoch, sie schlang ihre Arme um Papas Hals und gab ihm einen richtig dicken Schmatzer.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Papa. Und ich habe dir auch ein ganz tolles Geschenk gebastelt! So etwas hast du noch nie, nie, niemals bekommen!“
Sie riss sich los und rannte die Treppe hoch. Sekunden später kam sie schon wieder um die Ecke gesaust und hielt ihm strahlend ein in buntes Papier und mit einer großen roten Schleife versehenes Päckchen entgegen.
„Oh, das sieht aber gut aus! Da bin ich ja aber mal gewaltig gespannt, was du mir Schönes gebastelt hast!“ Vorsichtig, und natürlich auch ein bisschen umständlich, um die Spannung zu erhöhen, öffnete er die Schleife und löste den Tesafilm vom Papier, dann wickelte er sein Geschenk aus.
„Meine Güte, Vally! Das sieht aber schön aus! Das ist ja unsere ganze Familie! Das du so etwas schon basteln kannst beeindruckt mich ja gewaltig!“
„Hmhm, das hab ich auch ganz allein gemacht! Das bist du, das ist Mama, das ist Max und das bin ich! Ich hab gedacht das ist doch mal viel schöner als immer nur ein Foto, oder Papa? Gefällt dir das auch ganz bestimmt?“
Schmunzelnd betrachtete er die aus bunter Pappe gebastelten Figuren, die sie ausgeschnitten und auf einen großen blauen Bogen geklebt hatte. Anhand der gelben und beigen Wollfäden, die sie auf die Köpfe der Figuren geklebte hatte, war seine Familie natürlich auch ganz genau zu erkennen!
Er lächelte seine Tochter, die in ein paar Wochen neun wurde, liebevoll an!
„Das bekommt einen Ehrenplatz über meinem Schreibtisch unten im Büro. Aber erst morgen machen wir das an die Wand, heute müssen das erst einmal alle anderen bewundern können, okay?“ Damit war sie natürlich einverstanden.
Voller Stolz betrachtete er seine Tochter! An den Kindern merkte man immer wieder, wie schnell doch die Zeit verging, das war ihm ja heute in der Früh schon klar geworden. Max war jetzt schon 12 und ging seit 2 Jahren auf die Gesamtschule! Nicht mehr lange und sein Sohn würde konfirmiert werden! Der kirchliche Unterricht begann schon in ein paar Wochen. Es ging einfach alles viel zu schnell! War das früher auch schon so gewesen? „Nein, muss am Alter liegen“, dachte er! „Na ja, was solls! Da müssen wir ja nun mal alle durch“.
Oben klappte eine Tür, der Rest der Familie war also jetzt auch wach geworden. Wahrscheinlich war der Kaffeeduft nach oben gestiegen und hatte seine Frau geweckt. Amüsiert lauschte er dem Gespräch im oberen Stock.
„Max! Du liegst noch im Bett und liest? Wolltest du nicht mit Vally für Papa heute Frühstück machen?“
„Ach Mama, das hab ich total vergessen!“
Ja, wenn der Junge erst einmal ein Buch in der Hand hatte vergaß er die ganze Welt um sich. Aber Christian wusste nur zu gut von wem sein Sohn das hatte.
Katja stürmte im fliegenden Galopp die Treppe runter, aber anstatt zu Christian und Valerie in die Küche zu kommen lief sie die Treppe weiter runter in den Keller. Einen Moment später aber kam sie, eine Torte in den Händen balancierend, lachend auf ihn zu.
„Wenn ich schon verschlafe muss das Frühstück das wieder gut machen!“ Sie hob die Haube hoch und präsentierte strahlend seinen Lieblingskuchen, eine Philadelphia-Torte in Herzform!
„Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Schatz! Du hättest mich aber auch ruhig wecken können anstatt dich aus dem Bett zu schleichen! Ich wollte dir den Kuchen heute Morgen eigentlich im Bett servieren!“
Und jetzt kam auch sein Sohn Max, mit einem etwas verlegenen Grinsen im Gesicht und mit einer Schachtel in der Hand, auf ihn zu.
„Schau mal, Papa, hab ich selbst gemacht!“ Und Papa staunte nicht schlecht! Origami machte seinem Sohn fast genauso viel Spaß wie zeichnen und lesen, und hier hatte er die Papierbögen vor dem Falten mit Grafiken verziert, die er mit Lineal und Zirkel vorgezeichnet und dann bunt ausgemalt hatte! Und eine Schachtel mit Deckel gebastelt. Und der Deckel passte sogar genau auf die Schachtel! Millimeterarbeit! Und in der Schachtel selbst lag auch noch ein großes Marzipanbrot. Oh ja, sein Junge wusste genau was seinem Papa manchmal etwas zu gut schmeckte! Hatte er sich doch gerade erst heute Morgen etwas ganz spezielles vorgenommen?
Und schon wieder lief Katja in den Keller!
„Was ist denn jetzt, Maus? Wollen wir nicht mal so langsam mit dem Frühstück anfangen? Hast du denn noch gar keinen Kaffeedurst?“, grinste Christian, als sie, beladen mit der Leiter, wieder in die Küche kam.
„Doch! Aber erst hab ich noch was anderes vor!“ Und schon hatte sie die Leiter an den Küchenschrank gestellt und stieg flink darauf nach oben!
„Man muss sich ja was einfallen lassen wenn die Kleinen immer größer werden“, lachte sie, schnappte sich ein Päckchen aus dem obersten Fach und kam wieder runter.
Lachend schlang sie ihre Arme um Christians Hals, gab ihm erst einmal seinen wohl verdienten Geburtstagskuss und dann besagtes, mit Goldpapier eingepacktes Geschenk.
Tja, da konnte man es wieder sehen! Seine Frau wusste auch immer ganz genau, was er sich längst hatte kaufen wollen! Und das hatte sie in eine riesige Schachtel gepackt!
In der etwas größeren war eine kleinere und dasselbe noch einmal und noch