Albert Graf von Nürnberg spricht:
»Herzogin ich liebe nicht;
Bin ein Kind von achtzehn Jahren
Und im Lieben unerfahren,
Würde dich zum Weib ich nehmen,
Doch vier Augen mich beschämen;
Wenn nicht hier vier Augen wären,
Die das Herze mein beschweren.«
Orlamündens Herzogin
Spricht zu sich in ihrem Sinn:
»Wittwe bin ich schön vor allen,
Aller Fürsten Wohlgefallen;
Wenn nicht hier vier Augen wären,
Würde seine Lieb' mich ehren.
Kinder ihr vom schlechten Mann,
Der mich hielt im strengen Bann.
Weil ihr meine Land ererbet
Wenn ihr nicht unmündig sterbet.«
Also Oel in Flammen wüthet,
Das statt Wasser aufgeschüttet.
Also deutet sie die Rede
Auf zwei eigen Kinder schnöde,
Die im Saal zum Spiel abzählen
Unter sich den Engel wählen.
»Engel, Bengel, laß mich leben
Ich will dir den Vogel geben.«
Nadeln aus dem Wittibschleier
Zieht sie, daß er falle freier,
Zu dem wilden Hager spricht:
»Nimm die Nadeln und verricht,
Schwarzer Hager, du mein Freier
Fürchtest nicht den schwarzen Schleier,
Fürchtest du nicht auch vier Augen,
Die zum Zusehn auch nicht taugen,
Setz' dich mit zu ihren Spielen,
Daß sie keine Schmerzen fühlen,
Daß die Wunden niemals sprechen,
Mußt du in das Hirn sie stechen.«
Herkules zum Hager spricht,
Eh' der ihm das Hirn einsticht:
»Lieber Hager, laß mich leben,
Will dir Orlamünde geben1,
Auch die Plassenburg, die neue,
Und es soll mich nicht gereuen.«
Herula zum Hager spricht,
Eh' er ihr das Hirn einsticht:
»Lieber Hager, laß mich leben,
Will dir meine Docken geben,
Engel, Bengel, laß mich leben,
Will dir meinen Vogel geben.«
Hager sich als Mörder nennt,
Eh' er sich das Hirn einrennt.
»Gott, ach Gott, wo werd' ich ruhen,
Höre schon den Vogel rufen,
Gott, ach Gott, wo soll ich fliehen,
Sehe schon den Vogel ziehen.«
Albert spricht zur Herzogin,
»Das war nicht der Rede Sinn,
Meinte unsre eignen Augen,
Wie wir nicht zusammentaugen.«
Beide Kinder unverweset
Liegen noch im Marmorsarge,
Als wär' heut der Mord gewesen,
Recht zum Trotze allen Argen.
Fußnoten
1 Var: Will dir Norden und Nisden geben.
189. Marienweiher.
J . A . E i s e n m a n n , geograph. Beschreibung des
Erzbisthums Bamberg. S. 443.
Vor Zeiten war die Gegend um Marienweiher mit
dichten Wäldern bedeckt, und an der Straße, welche
durch dieselbe von Franken nach Sachsen führte,
standen in verschiedenen Entfernungen von einander
sogenannte Nothwirthshäuser. Im zwölften Jahrhunderte
befuhr einmal auch ein sächsischer Fuhrmann,
welcher ein Marienbild in Franken hatte fertigen lassen,
um solches mit nach Hause zu bringen, die
Straße, und nahm in dem Wirthshause an diesem
Orte, damals Vordersee genannt, sein Nachtquartier.
In derselben Nacht wurde das Haus von Räubern
überfallen; der Fuhrmann aber mit seiner ganzen
Habe entkam glücklich den gierigen Händen der Räuber.
Aus Dankbarkeit gegen Gott und Maria, welche
er in dieser großen Gefahr um Hülfe angefleht hatte,
ließ er hierauf das mitgeführte Marienbild an dem
nämlichen Orte aufrichten und eine Kapelle von Holz
darüber bauen; auch soll er sich daselbst später, nachdem
er seine Güter in Sachsen verkauft hatte, angesiedelt
haben. Bald wurde diese Kapelle von Pilgern und
andern Andächtigen, nah und fern, häufig besucht.
Als dieselbe, aus nicht benannter Ursache, in Brand
gerieth, warfen die dortigen Bewohner, deren Zahl inzwischen
sich sehr vermehrt hatte, das Bild, um es
vor den Flammen zu retten, in den nahen Weiher: entdeckten
aber an demselben, als sie es wieder herauszogen,
eine Beschädigung in dessen Gesichte neben
der Nase, welche jetzt noch zu sehen ist. Nachher
wurde daselbst eine große Kirche von Stein, wahrscheinlich
vom Bischofe Otto II. erbaut und darinnen
das berühmte Marienbild, dessen Verehrung je länger
desto mehr sich verbreitete, aufgestellt.
190. Der Geist zu Lichtenfels.
J. H e l l e r , in: Das Königreich Bayern in seinen
Schönheiten III., 20. L. B r a u n f e l s die Mainufer S.
87.
Noch sieht man im Städchen Lichtenfels die Mauerreste
einiger Burgen, in welchen es, der Volkssage
nach, nicht geheuer ist; denn es geht dort der Geist
des edlen Fräuleins Podica von Schaumberg um, welche
vor Kummer starb, als ihr Bräutigam aus der
Fehde bei Scheßlitz nicht wieder zurückkehrte. Nun
hört man nächtlicher Weile ihr leises Rufen: »Kömmt
mein Kunimund noch nicht?« Und so lange muß das
Fräulein rufen und auf Erlösung warten, bis ihr eine
barmherzige Stimme antwortet: »Längst fiel dein Kunimund
bei Scheßlitz.« Warum ihr bis heute Niemand
den Liebesdienst erwiesen, verschweigt die Sage.
191. Alberada zu Banz.
Von F r a n z S c h m i d t . – H e n r i c i origg.
Banz. ap. L u d e w i