reichen Wucherer, wofern sie nicht schleunigst Buße
thäten, schreckliche Krankheit und Noth kommen
würde. Das erzählte der Knabe aller Orten. Die Wucherer
schrieen: das sei Teufelstrug, und fuhren fort,
die armen Leute zu bedrücken. Da geschah es um Johanni,
daß der Engel dem Hirtenknaben zum drittenmale
erschien, als dieser seine Schafe auf der Trift
weidete. »Gieb mir ein Stücklein Brod!« sagte er zu
dem Knaben. Allein der Knabe litt selber Noth und
hatte nichts mehr, als ein trocken Rindlein, für selben
Tag seinen Hunger zu stillen. Das theilte er gutherzig
mit. Da nahm es der Engel aus der Hand des Knaben
und sprach: »Gottes Segen wird sein über diesem
Brode, ich will hingehen und es vertheilen auf allen
Wegen.« Und siehe, von Stund' an bewährte sich das
Wort und der Hunger verschwand und es kam wohlfeile
Zeit, also daß die Leute glaubten, die Gestalt sei
eines Engels gewesen.
184. Das Zwergloch bei Marlesreuth.
Ausf. Beschreib. des Fichtelbergs, S. 93. G r i m m d.S.
I., 42. C.v. F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S.
96. Mündlich von L. Z a p f .
Zwischen Selbitz und Marlesreuth (bei Naila) befindet
sich im Wald eine Felsenhöhle. Man heißt sie das
Zwergloch. Hier unterm Felsen wohnten vor mehr als
hundert Jahren Zwerge, die mit den Bewohnern der
Ortschaft Naila Verkehr hatten.
Zwei redliche und glaubwürdige Männer aus Marlesreuth,
Albert Neffel und Hans Kohmann, welche
daselbst in hohem Alter in den Jahren 1679 und 80
starben, haben darüber dem Pfarrer Hedler zu Selbitz
den 15. Juli 1654 folgenden Bericht abgestattet.
Des Kohmanns Großvater fuhr einst mit zwei Pferden
auf seinen Acker in der Nähe des Zwerglochs.
Sein Weib hatte ihm zum Frühstück ein neugebackenes
Brod zugebracht, es in ein Tuch gewickelt an den
Rain gelegt, und war nach Gras auf die Wiese gegangen.
Da kommt in einer Weile ein Zwergweiblein und
bittet den Ackersmann, ihm das Brod zu geben, das
ihrige läge noch im Ofen, die hungrigen Kinder aber
könnten nicht abwarten, bis es fertig wäre, Mittags
wollte sie's richtig zurückerstatten. Der alte Kohmann
hat dem Weiblein das Brod herzlich gern hingegeben.
Mittags kommt darauf die Zwergin wieder und
bringt einen noch warmen Kuchen auf sehr weißem
Tuche, reicht ihn jenem mit Dank und sagt, er möge
das Brod nehmen und ohne Scheu genießen, ihr Tüchlein
aber liegen lassen, da sie es selbst abholen
würde.
Dieß ist auch geschehen. Und das Weiblein hat
hinzugefügt, nun müßten sie bald scheiden und ihren
bequemen Sitz hier verlassen, denn es würden so viel
Hammerwerke in der Gegend aufgerichtet, die sie beunruhigten;
auch vertreibe sie das viele Schwören und
Fluchen der Menschen umher, gleich wie die Sabbatsentheiligung,
wo die Hausväter vor der Frühsonntagskirche
auf's Feld gingen und die Früchte beschauten,
welches doch sündlich wäre.
An einem Sonntage sind einmal etliche junge Marlesreuther
Bauern mit Lichtern in die Zwergenwohnung,
bald aufrecht, bald gebückt, eingedrungen und
nach langem Gehen endlich auf einen geräumigen
Platz in viereckiger Form und zierlich mit Felsen ausgearbeitet,
gelangt. Nach allen Seiten hin haben sie
viele kleine Thüren und Kämmerlein gefunden und
zum Theil besehen.
Da ist ihnen aber ein Grausen angekommen, sie
haben den Rückweg wieder gesucht, und sind Alle einige
Tage unwohl gewesen.
185. Die Gräfin Beatrix von Orlamünde, oder
die weiße Frau auf der Plassenburg.
Die Literatur der Sage bei F a l k e n s t e i n Nordg.
Alterth. III., 151. G r i m m d.S. II., 376;
S t a d e l m a n n Archiv. f. Oberfr. I., 116. Die ältesten
Erzähler: L u c ä uralter Grafensaal S. 373; B r u s c h
chron. mon. Germ. p. 133, R e n t s c h Cedernhayn S.
318. Neuerdings: J.v. M i n u t o l i die weiße Frau.
Berlin 1850. Hier nur die Sage der P l a s s e n b u r g ;
was N e u h a u s , Berlin etc. angehört, s. bei
M i n u t o l i . G r i m m a.a.O. u. H o r m a y r
Taschenb. 1830, S. 441.
Beatrix, des Grafen Otto von Orlamünde ehelich Gemahel,
eine geborne Herzogin von Meran, verlor frühzeitig
ihren Herrn. Sie war aber von ungemeiner
Schönheit und wohnte zu Plassenburg mit ihren Waisen,
einem Knäblein und einem Mägdlein, beide unter
zwei Jahren. Wie nun der Wittwe seltene Schönheit
dem jungen Burggrafen Albrechten zu Nürnberg behagte,
also erklärte einstmals derselbe seine keusche
Liebe, vorgebend, wann nicht vier Augen im Wege
stünden, wollte er mit dieser Wittwe zu Plassenburg
eine Heirath anschlagen. Sogleich hinterbrachten dieses
Wort des Burggrafen der Gräfin zu Plassenburg
die heimlichen Ohrenbläser. Weil nun solches ihren
Ohren schmeichelte, auch ihren Lüsten wohlgefiel,
gedachte sie darauf, wie sie die Kinder aus dem Weg
räumen möchte. Und damit es das Ansehen hätte, als
wären sie an einer heftigen Krankheit gestorben und
schnellen Todes verfahren, so durchstach sie den Wirbel
auf dem Haupte beider mit einer Nadel und tödtete
also ihre leibliche Kinder.
Etliche wissen, die Gräfin sei eine Tochter des
Landgrafen Ulrich von Leuchtenberg gewesen und
habe sich 1321 mit dem Grafen Otto von Orlamünde
verheirathet. Auch wird sie bald Agnes, bald Kunigunde
geheißen.
Die Leichname der ermordeten Kinder seien in dem