Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Schöppner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772664
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Dieser verkündigte dem Knaben, daß über die

       reichen Wucherer, wofern sie nicht schleunigst Buße

       thäten, schreckliche Krankheit und Noth kommen

       würde. Das erzählte der Knabe aller Orten. Die Wucherer

       schrieen: das sei Teufelstrug, und fuhren fort,

       die armen Leute zu bedrücken. Da geschah es um Johanni,

       daß der Engel dem Hirtenknaben zum drittenmale

       erschien, als dieser seine Schafe auf der Trift

       weidete. »Gieb mir ein Stücklein Brod!« sagte er zu

       dem Knaben. Allein der Knabe litt selber Noth und

       hatte nichts mehr, als ein trocken Rindlein, für selben

       Tag seinen Hunger zu stillen. Das theilte er gutherzig

       mit. Da nahm es der Engel aus der Hand des Knaben

       und sprach: »Gottes Segen wird sein über diesem

       Brode, ich will hingehen und es vertheilen auf allen

       Wegen.« Und siehe, von Stund' an bewährte sich das

       Wort und der Hunger verschwand und es kam wohlfeile

       Zeit, also daß die Leute glaubten, die Gestalt sei

       eines Engels gewesen.

       184. Das Zwergloch bei Marlesreuth.

       Ausf. Beschreib. des Fichtelbergs, S. 93. G r i m m d.S.

       I., 42. C.v. F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S.

       96. Mündlich von L. Z a p f .

       Zwischen Selbitz und Marlesreuth (bei Naila) befindet

       sich im Wald eine Felsenhöhle. Man heißt sie das

       Zwergloch. Hier unterm Felsen wohnten vor mehr als

       hundert Jahren Zwerge, die mit den Bewohnern der

       Ortschaft Naila Verkehr hatten.

       Zwei redliche und glaubwürdige Männer aus Marlesreuth,

       Albert Neffel und Hans Kohmann, welche

       daselbst in hohem Alter in den Jahren 1679 und 80

       starben, haben darüber dem Pfarrer Hedler zu Selbitz

       den 15. Juli 1654 folgenden Bericht abgestattet.

       Des Kohmanns Großvater fuhr einst mit zwei Pferden

       auf seinen Acker in der Nähe des Zwerglochs.

       Sein Weib hatte ihm zum Frühstück ein neugebackenes

       Brod zugebracht, es in ein Tuch gewickelt an den

       Rain gelegt, und war nach Gras auf die Wiese gegangen.

       Da kommt in einer Weile ein Zwergweiblein und

       bittet den Ackersmann, ihm das Brod zu geben, das

       ihrige läge noch im Ofen, die hungrigen Kinder aber

       könnten nicht abwarten, bis es fertig wäre, Mittags

       wollte sie's richtig zurückerstatten. Der alte Kohmann

       hat dem Weiblein das Brod herzlich gern hingegeben.

       Mittags kommt darauf die Zwergin wieder und

       bringt einen noch warmen Kuchen auf sehr weißem

       Tuche, reicht ihn jenem mit Dank und sagt, er möge

       das Brod nehmen und ohne Scheu genießen, ihr Tüchlein

       aber liegen lassen, da sie es selbst abholen

       würde.

       Dieß ist auch geschehen. Und das Weiblein hat

       hinzugefügt, nun müßten sie bald scheiden und ihren

       bequemen Sitz hier verlassen, denn es würden so viel

       Hammerwerke in der Gegend aufgerichtet, die sie beunruhigten;

       auch vertreibe sie das viele Schwören und

       Fluchen der Menschen umher, gleich wie die Sabbatsentheiligung,

       wo die Hausväter vor der Frühsonntagskirche

       auf's Feld gingen und die Früchte beschauten,

       welches doch sündlich wäre.

       An einem Sonntage sind einmal etliche junge Marlesreuther

       Bauern mit Lichtern in die Zwergenwohnung,

       bald aufrecht, bald gebückt, eingedrungen und

       nach langem Gehen endlich auf einen geräumigen

       Platz in viereckiger Form und zierlich mit Felsen ausgearbeitet,

       gelangt. Nach allen Seiten hin haben sie

       viele kleine Thüren und Kämmerlein gefunden und

       zum Theil besehen.

       Da ist ihnen aber ein Grausen angekommen, sie

       haben den Rückweg wieder gesucht, und sind Alle einige

       Tage unwohl gewesen.

       185. Die Gräfin Beatrix von Orlamünde, oder

       die weiße Frau auf der Plassenburg.

       Die Literatur der Sage bei F a l k e n s t e i n Nordg.

       Alterth. III., 151. G r i m m d.S. II., 376;

       S t a d e l m a n n Archiv. f. Oberfr. I., 116. Die ältesten

       Erzähler: L u c ä uralter Grafensaal S. 373; B r u s c h

       chron. mon. Germ. p. 133, R e n t s c h Cedernhayn S.

       318. Neuerdings: J.v. M i n u t o l i die weiße Frau.

       Berlin 1850. Hier nur die Sage der P l a s s e n b u r g ;

       was N e u h a u s , Berlin etc. angehört, s. bei

       M i n u t o l i . G r i m m a.a.O. u. H o r m a y r

       Taschenb. 1830, S. 441.

       Beatrix, des Grafen Otto von Orlamünde ehelich Gemahel,

       eine geborne Herzogin von Meran, verlor frühzeitig

       ihren Herrn. Sie war aber von ungemeiner

       Schönheit und wohnte zu Plassenburg mit ihren Waisen,

       einem Knäblein und einem Mägdlein, beide unter

       zwei Jahren. Wie nun der Wittwe seltene Schönheit

       dem jungen Burggrafen Albrechten zu Nürnberg behagte,

       also erklärte einstmals derselbe seine keusche

       Liebe, vorgebend, wann nicht vier Augen im Wege

       stünden, wollte er mit dieser Wittwe zu Plassenburg

       eine Heirath anschlagen. Sogleich hinterbrachten dieses

       Wort des Burggrafen der Gräfin zu Plassenburg

       die heimlichen Ohrenbläser. Weil nun solches ihren

       Ohren schmeichelte, auch ihren Lüsten wohlgefiel,

       gedachte sie darauf, wie sie die Kinder aus dem Weg

       räumen möchte. Und damit es das Ansehen hätte, als

       wären sie an einer heftigen Krankheit gestorben und

       schnellen Todes verfahren, so durchstach sie den Wirbel

       auf dem Haupte beider mit einer Nadel und tödtete

       also ihre leibliche Kinder.

       Etliche wissen, die Gräfin sei eine Tochter des

       Landgrafen Ulrich von Leuchtenberg gewesen und

       habe sich 1321 mit dem Grafen Otto von Orlamünde

       verheirathet. Auch wird sie bald Agnes, bald Kunigunde

       geheißen.

       Die Leichname der ermordeten Kinder seien in dem