kommenden Morgen noch erlebte. Oh ja, Einohr hatte Feinde, und so
manches Rundohr hätte ihm gerne das Schlagschwert durch die Eingeweide
geschoben.
Unter ihnen, in einer lang gestreckten Schlucht, schimmerten Rüstungen
und Leder im Widerschein des schwachen Lichts. Hier standen die vier
Legionen des Allerhöchsten Lords, formiert in ihren Kohorten. Achttausend
Orks waren bereit, den Willen ihres Herrschers zu erfüllen. Doch wenn der
Plan des Schwarzen Lords aufging, würde dies nur die Vorhut einer
gewaltigen Armee sein, die das Land der Menschen überschwemmen und den
Tod bis zu den Elfen und Zwergen tragen würde.
Fangschlag war stolz auf die Rundohren seiner Legion; sie waren die
stärksten und besten. Als Waffen führten sie Spieß und Schlagschwert mit
sich, und als Rüstung trugen sie schwere Körperpanzer – nicht umsonst
nannte man sie Eisenbrüste. Die Spitzohren waren für solche Waffen und
Rüstungen viel zu schwach und mussten sich mit einem ledernen Harnisch
begnügen. Fangschlag bleckte nun offen seine Fänge, und seine Finger
zuckten nervös, als er Einohr vor die Legion treten sah. Diese nutzlose Made
hatte sich ebenfalls eine Rüstung besorgt, da sie offenbar fand, dies gehöre
sich bei einem Legionsführer. Rüstung, bah, dünnes Blech war das, damit die
Made unter dem Gewicht nicht zusammenbrach.
Auf dem Helm Einohrs erhoben sich die beiden metallenen Kämme eines
Legionsführers, und Fangschlag dachte missmutig an den einzelnen Kamm
des Kohortenführers, der seinen eigenen Helm zierte. Er, Fangschlag, war es
gewesen, der nach dem Wüstenabenteuer die Reste der Legion vor der
Vernichtung bewahrt hatte, und nicht das feige Spitzohr, das sich nun vor der
Legion so aufblähte. Ihm hätte der doppelte Kamm zugestanden und nicht
dieser nutzlosen Made, diesem Auswurf, diesem Dung der Bruthöhlen.
Einohr beschränkte sich in seiner Ansprache auf die notwendigsten
Kommandos, und Fangschlag trat an die Spitze seiner Kohorte, die aus der
typischen Mischung von Rund- und Spitzohren bestand. Er genoss es immer
wieder, wie die Legion, einem einzigen Wesen gleich, auf die Kommandos
reagierte. Dies waren vorzüglich ausgebildete und disziplinierte Truppen,
kein wild um sich schlagender Pöbel. Die Legion war eine gut geschmiedete
und gehärtete Waffe, die jeden Feind bezwingen würde. Bezwingen konnte,
wenn man sie richtig führte, schränkte Fangschlag ein, als er sich automatisch
in Bewegung setzte. Einohr würde Fehler machen. Spitzohren waren
hinterlistig und feige und für den ehrenhaften Kampf, Stahl gegen Stahl, nicht
zu gebrauchen. Ja, Einohr würde Fehler machen, und dann würde
Fangschlags Zeit gekommen sein.
Der felsige Boden war uneben, doch aus dem gleichförmigen Stampfen der
marschierenden Kolonne wurde ein stetes Geräusch, unter dem die Orks ihren
Weg suchten. Während die Spitzohren Lederstiefel trugen, die ihre Füße
rundum schützten, hatten die Rundohren gepanzerte Fußschienen, die mit
dickem Leder besohlt waren, Fersen und Zehen jedoch frei ließen. Immer
wieder gelangten Steine ins Schuhwerk, aber die Rundohren ertrugen es mit
stoischer Miene und verharrten allenfalls kurz, wenn die Pein zu groß wurde.
Über den Legionen wehten deren riesige schwarze Banner aus, jedes mit den
individuellen Zeichen versehen. Die Kämpfer schworen auf den
Allerhöchsten Lord, und sie schworen auf das Banner ihrer Legion, das ihnen
in der Schlacht als Sammelpunkt diente.
Zehnteltag um Zehnteltag marschierten sie und folgten der alten Straße, die
schon so viele Legionen dem Feind entgegengeführt hatte. Sie waren
ausgeruht und kamen schnell voran, obwohl der Weg sehr mühsam wurde, wo
Steinrutsche ihn blockierten. Sie verzichteten auf eine sichernde Vorhut, denn
sie bewegten sich im Land des Schwarzen Lords, und hier widersetzte sich
kein lebendes Wesen seinem Willen.
Das Land war karg und felsig und bot nur wenig Vegetation. Einst hatten
mächtige Wälder den Rand des Gebirges gesäumt, und es hieß, diese Wälder
hätten sich bis in die Ebene hinein erstreckt, aber die Schmieden der
Waffenmeister waren immer hungrig nach Eisenerz und Feuer. Die
Lavatümpel in den Bruthöhlen konnten den Bedarf nicht decken, und so
hatten Fangschlag und die Legion viele Zehntage lang Eisenerz und
Brennholz zu den Schmieden getragen, damit die Legionen ausgerüstet
werden konnten.
Gerade marschierten sie an einer Stelle vorbei, an der eine große Grube
ausgehoben worden war. Eine gemischte Gruppe aus Rund- und Spitzohren
wurde sichtbar, die dort nach Brennstein grub. Aufseher trieben die
Neugierigen mit Stachelpeitschen an die Arbeit zurück, und Fangschlag
bemerkte zufrieden, dass diese Aufseher Rundohren waren. Ein Spitzohr hätte
die schweren Peitschen auch kaum so elegant und wirkungsvoll schwingen
können.
Sie marschierten nun schon fast zwei Tageswenden ohne Pause, und der
Brutmeister machte noch immer keine Anstalten, den Marsch zu
unterbrechen. So tranken die Truppen ihr Wasser während des Marsches aus
den Feldflaschen und kauten dazwischen auf dem körnigen Brot herum. Noch
war der Hunger nicht groß genug, um die getrockneten Streifen ranzigen
Fleisches zu essen. Fangschlag dachte missmutig daran, dass eine große
Armee auch großen Hunger hatte und wie gering die Vorräte waren. Es war
höchste Zeit, dass sie das Menschenland erreichten und einen ordentlichen
Bissen zwischen die Fänge bekamen.
Ein Stück vor ihnen, dort, wo die vorderste Legion marschierte, ertönte ein
krachendes Poltern. Die Erosion hatte eine der Felswände ausgewaschen, und
in erschreckender Geschwindigkeit lösten sich nun etliche große Felsbrocken,
rissen dabei weitere mit sich und stürzten in die Tiefe.
Die