Tasmund lächelte knapp. »Und die meine.«
Auch wenn die Kämpfe gegen den Schwarzen Lord und seine Orks zu
einem erneuten Bund von Menschen und Elfen geführt hatten, war der
Anblick elfischer Wesen selten. Sie schätzten die Zurückgezogenheit ihrer
Häuser und mieden im Allgemeinen den Kontakt zu den sterblichen
Menschen. Zwar kannte man Lotaras und Leoryn in der Hochmark, doch nun
waren die Geschwister mit einem Gefolge elfischer Krieger erschienen, und
Gerüchte fluteten durch die Stadt und die Burg Eternas. Die zurückhaltende
Ernsthaftigkeit der Elfen tat ein Übriges, die Aufregung angesichts ihres
Erscheinens noch zu steigern. Im Augenblick standen die Kämpfer, die
langen Bogen an die rechte Schulter gelegt, im vorderen Burghof, scheinbar
erstarrt und mit unbewegten Gesichtern. Nur die Bewegungen ihrer Augen
verrieten, dass noch Leben in ihnen war. Der Anblick verunsicherte so manch
einen Burgbewohner, und einige der Frauen achteten sorgsam darauf, dass
ihre Kinder den seltsamen Wesen nicht zu nahe kamen. Schließlich hatte man
schon allerlei unheimliche Geschichten von den Elfen gehört.
Lotaras zwang sich zu einem Lächeln. »Wir entbieten Euch die Grüße
Elodarions aus dem Hause Elodarion. Wir fühlen uns dem Haus der
Hochmark verbunden und …«
Garodem nahm die Grußworte Lotaras mit unbewegtem Gesicht entgegen
und räusperte sich dann mit einem sanften Lächeln. Er erhob sich hinter
seinem Schreibtisch, und nachdem er das Möbel umrundet hatte, trat er an
eines der Fenster heran und blickte in den Innenhof hinunter. »Eure Bogen
sollten sich entspannen, Hoher Herr Lotaras«, sagte er leise und fügte dann
lächelnd hinzu: »Mein Freund.« Er wandte sich zu dem Elfen um. »Hundert
Eurer Bogenschützen machen nicht den weiten Weg, um an einem geselligen
Abend der Pferdelords teilzunehmen. Zumal sie im Moment nicht so wirken,
als wüssten sie Geselligkeit zu schätzen.« Garodem strich sich über den
ergrauten Bart. »Lotaras, mein Freund, wir haben Seite an Seite gestanden, als
die Orks Eternas berannten. Ihr seid hier unter Freunden und könnt frei
sprechen. Also, nennt mir den Grund für Euer Erscheinen.«
»Es ist schwer zu erklären«, meldete sich die Elfin Leoryn zu Wort. »Für
ein Menschenwesen«, schränkte sie ein. Sie lächelte den Pferdefürsten
entschuldigend an. »Wir haben eine Nachricht erhalten. Vielmehr Elodarion,
unser Vater. Eine Nachricht von höchster Bedeutung für das Volk der Elfen.«
Garodem wippte ein wenig auf den Füßen. Er verstand die Zurückhaltung
der Elfen nicht. Aber wer verstand schon wirklich ein elfisches Wesen? »Eine
Nachricht?«
»Nun, eine Botschaft«, korrigierte Lotaras. »Ein Gedanke, der Elodarion
eingegeben wurde.« Der Elf strich über sein weiches Gewand und ordnete
nicht vorhandene Unregelmäßigkeiten in dessen Faltenwurf, bevor er sich
schließlich straffte und Garodem ernst ansah. »Einige der ältesten Elfen,
darunter unser Vater Elodarion, verfügen über besondere Fähigkeiten,
Garodem, Pferdefürst. Sie können Gefühle spüren und gelegentlich auch die
Gedanken anderer Wesen empfangen. Es ist … schwer zu erklären«, seufzte
er. »Man sagt, es hänge mit den Schröpfungen zusammen.«
Kein Lebewesen war in der Lage, mit der Last unsterblicher Erinnerungen
zu leben. Die Elfen hatten die Fähigkeit entwickelt, alle fünfhundert Jahre
ihre Erinnerungen zu löschen. Dies geschah unter Aufsicht und Begleitung
anderer Elfen. Doch zuvor schrieb ein Elf seine Erinnerungen in die elfischen
Lebensbücher, sodass nichts wirklich verloren ging, was von Bedeutung war.
Nur ein kleiner Teil der Erinnerungen, die Person, ihre Bindungen und
Fertigkeiten betreffend, verblieben dem geschröpften Elf. Auch Lotaras und
Leoryn würden wohl bald zum ersten Mal dieser Zeremonie unterworfen
werden.
»Ihr Menschenwesen erinnert Euch an das gute Graue Wesen, das wir in
Enderonas, der Stadt Eures Königs, trafen?«
»Marnalf, den Berater des Königs?« Garodem lächelte. »Oh ja, wir
erinnern uns. Er rettete dem König das Leben. Unzweifelhaft ein gutes
Wesen, was man von den Grauen im Allgemeinen ja nicht sagen kann.«
Die Grauen. Jene Wesen, die so menschlich wirkten und doch einer
fremden Art angehörten, viel fremder noch als die Elfen. Einst hatte es viele
von ihnen gegeben. Zauberer, welche die Freunde der Menschen und anderer
Wesen waren, ihnen mit ihren magischen Fähigkeiten beistanden und ihre
Entwicklung wohlwollend, wenn auch manchmal amüsiert verfolgten. Einige
wenige von ihnen waren zu Weißen Zauberern aufgestiegen, Wesen von
ungeheurer Macht. Aber dann hatte die Finsternis des Schwarzen Lords mit
seinen Legionen von Orks das Land überzogen. Die Weißen und Grauen
waren verschwunden und ihre einstigen Heimstätten, die beeindruckenden
Wohntürme, verwaist. Als man ihnen erneut begegnete, hatte sich das Wesen
der Grauen gewandelt, und aus den einstigen Freunden der Menschen waren
Furcht einflößende Feinde geworden, die sich mit ihrer Magie und der
Fähigkeit, ihre Gestalt jeder Lebensform anzugleichen, auf die Seite des
Schwarzen Lords geschlagen hatten. Marnalf jedoch war ein Grauer Zauberer,
der den Mächten der Finsternis nicht erlegen war, und hatte dem
Menschenvolk getreu zur Seite gestanden.
»Auch die Grauen Zauberer verfügen über gewaltige Fähigkeiten.« Lotaras
nickte zu seinen Worten. »In vielerlei Hinsicht sind diese sogar größer als
diejenigen der Mitglieder unseres Hohen Rates. Elodarion also empfing eine
Botschaft Marnalfs.«
»Eine Botschaft?« Garodem begann in dem Amtsraum auf und ab zu
schreiten, wie er es oft tat, wenn ihn etwas beschäftigte. »Wie lautete die
Botschaft?«
»Nun,