gebissen.«
Nedeam lächelte trunken und grunzte enttäuscht, als er merkte, dass die
Blorflasche leer war. »Ja, das ist wahr. Kein einziges Mal hat sie ihn gebissen.
Überhaupt gar nicht.« Er schüttelte die Flasche. »Leer.«
Dorkemunt blickte Olruk an, der bedauernd die Schultern zuckte. Dann sah
sich der alte Pferdelord nach Beramuk um, doch der andere Zwerg war
irgendwo in der Menge untergetaucht. Dorkemunt glaubte nicht, dass der
Mann seinen Rausch ausschlief, denn so kleinwüchsig die guten Herren
Zwerge auch waren, schienen sie in ihrem Durst doch einem Pferd
Konkurrenz machen zu können. Inzwischen bezweifelte der Pferdelord, dass
Alkohol überhaupt eine Wirkung auf die kleinen Wesen hatte.
Wahrscheinlich wurden ihre Hüpflinge schon direkt nach der Geburt mit Blor
gestillt, und wer das überlebte, dem konnten Blutwein oder Gerstensaft
ohnehin nichts mehr anhaben. Nein, Dorkemunt vermutete eher, dass der
schlaue Zwerg nachsah, ob der gute Herr Malvin nicht irgendwo ein paar
versteckte Vorräte an Blor für die Herstellung seines »Zwergenglanzes« hatte.
»Heiler…stube«, murmelte Nedeam konzentriert.
»Ist Euch übel, mein bartloser Freund?«, erkundigte sich Olruk besorgt.
»Medi… Medi…«
Olruk runzelte ratlos die Stirn, aber Dorkemunt begriff. »Ja.« Er verzog
triumphierend das Gesicht. »Die gute Meowyn muss noch etwas Blor haben.
Für medizinische Zwecke«, fügte er erklärend hinzu. »Einreiben von
gezerrten Gliedern und so ein Zeugs.«
Nedeam erhob sich von den Stufen des »Donnerhufs« und hatte Mühe, auf
den Beinen zu bleiben. Am nächsten Tag würde er sein Verhalten bereuen,
doch im Augenblick kam ihm die Idee mit Meowyns Blorvorräten äußerst
schlau vor. Dorkemunt, der einem guten Trunk ebenfalls nicht abgeneigt war,
packte Olruk am Arm und zog ihn mit sich.
Gemeinsam gingen die drei die Hauptstraße von Eternas entlang in
Richtung Burg. Ihre Schrittgeschwindigkeit wechselte dabei ebenso häufig
wie die Marschrichtung, wobei sie die volle Straßenbreite ausnutzten, aber
schließlich erreichten sie das Tor der Festung. Nedeam winkte der auf dem
Wehrgang stehenden Wache fröhlich zu und wäre dabei fast auf den Rücken
gestürzt, aber Dorkemunt und Olruk bewahrten den jungen Pferdelord vor
dem Schlimmsten. Aus dem offenen Portal des Haupthauses drang dieselbe
Fröhlichkeit zu ihnen herüber, die schon die Stadt erfüllt hatte. Nedeam legte
verschwörerisch einen Finger an seine Lippen und versuchte unbemerkt durch
die mittlere Wehrmauer in den hinteren Burghof zu gelangen, wo sich der
Zugang zur Heilerstube befand.
Unbeachtet gelangten sie die wenigen Stufen hinauf und öffneten die Tür.
Nedeam blinzelte verwirrt, als er eine dunkle Gestalt am Behandlungstisch
des Raumes sitzen sah, aber Dorkemunt schob seinen Freund einfach in die
Heilerstube hinein und nickte dem Mann zu.
»Verzeiht, Hoher Herr, wir wollten Euch nicht stören«, sagte Dorkemunt
höflich und schob Nedeam weiter an den Tisch heran. »Aber mein guter
Freund hier hat es furchtbar mit dem Magen, und wie ich sehe, habt Ihr die
rechte Medizin dafür bereits gefunden.«
Der Mann wandte sich halb um, und nun erkannte auch Nedeam in ihm
den Ersten Schwertmann Tasmund, der sich offensichtlich in einem ähnlichen
Zustand wie der junge Pferdelord befand. Tasmund machte eine einladende
Geste und starrte die Neuankömmlinge mit leicht glasigen Augen an.
»Weiber«, murmelte Dorkemunt und seufzte leise. Er kannte diesen
gequälten Gesichtsausdruck und auch diese Form des Durstes, die kein Blor
jemals würde stillen können. »Glaubt mir, Freunde, ich stelle mich lieber den
Schwertern von hundert Orks als den Launen eines einzigen Weibes.«
Olruk wusste nicht, um was es hier ging, aber den Sinn von Dorkemunts
Worten konnte er nachvollziehen. So saßen schließlich drei Männer des
Pferdevolkes und ein Zwerg gemeinsam an dem Tisch und tranken sich dem
Morgen entgegen.
Kapitel 10
Marnalf hätte nicht sagen können, wie alt er eigentlich war: Jünger als ein Elf
und alt genug, um viele Generationen der Menschen durchs Leben begleitet
zu haben. Über so viele Jahreswenden hinweg hatte er die Entwicklung der
Menschenwesen, mal amüsiert, mal besorgt, beobachtet und mit angesehen,
wie ihre Reiche aufgestiegen und zerfallen waren, um neuen Königreichen
Raum zu schaffen.
Wie so viele andere Magier seiner Grauen Zunft hatte er seine
Erkenntnisse sorgsam niedergeschrieben und die Aufzeichnungen den großen
Weißen Zauberern anvertraut. Während die meisten Grauen die Menschen
aus der Ferne beobachteten, hatte Marnalf immer ihre Nähe gesucht.
Natürlich durfte er in ihre Entwicklung nicht eingreifen, sein Wissen nicht
preisgeben, doch war es ihm nicht untersagt, gelegentlich den ein oder
anderen Rat auszusprechen. Ja, Marnalf empfand Sympathie für die
Menschenwesen, und nun, nach den schrecklichen Ereignissen der letzten
Jahre, fühlte er sich ihnen noch tiefer verbunden.
Zu jener Zeit, da der Schwarze Lord seine Legionen gegen die letzten
Reiche der Menschen und die Häuser der Elfen schickte, verlor Marnalf die
Fähigkeit, die anderen Grauen seiner Zunft zu spüren, und er büßte den
geistigen Kontakt zu ihnen ein. Ein Verlust, der ihn erschreckte. Mit einem
Mal schien er das einzige Graue Wesen der Welt zu sein.
Zu dem Schreck hatte sich Entsetzen gesellt, als er erfahren musste, dass
seine Magiergefährten nicht einfach dahingegangen, sondern nun den
Finsteren Mächten verfallen waren. Sie setzten ihre Kräfte auf der Seite des
Schwarzen