Feenfuchs und Feuerkuss. Lara Kalenborn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Kalenborn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789983
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genommen, als Jeska sich herrlich über den verwöhnten Schnösel aufregte. Sie hatte sich gerade richtig in Rage geredet, als Luisa auch noch eröffnete, dass Sams Familie leider nichts mit dem englischen Geheimdienst zu tun hatte. Woraufhin Jeskas Redeflut sich zu einem wahren Wort-Tsunami steigerte.

      Kurz nachdem sie einige Zeit später den Fernseher ausgeschaltet und sich in ihrem Bett eingekuschelte hatte, vibrierte ihr Handy.

      „Sam“, flüsterte Luisa und plötzlich war sie gar nicht mehr müde.

      ‚Hey Luisa‘, schrieb er, ‚können wir uns morgen etwas später treffen? Ich muss dienstags kochen. Könnte dann auch zu dir kommen. Greets, Sam‘

      ‚Klar. Kein Problem‘, tippte Luisa in ihr Handy ein, ‚Schreib mir, wann du kommst. Meine Adresse: Platanenallee 17.‘ Dass sie sowieso nichts Besseres vorhatte, weil ihre Mutter ihr den einzigen Lebenssinn genommen hatte, schrieb sie nicht in die SMS.

      Sie drückte auf Senden und lächelte. Das kam ihr jedoch mit einem Male komisch vor und sie zwang ihre Mundwinkel wieder herab.

      Sie versuchte krampfhaft an etwas anderes als an Sam zu denken, aber als sie in den Schlaf fiel, schlich er sich wieder zurück in ihren Kopf.

      4 Flammende Verse

      Luisa spürte den fauligen Atem ihres Verfolgers im Nacken. Sie rannte so schnell sie konnte über den unebenen Waldboden durch die finstere Nacht. Ihre Wadenmuskeln schmerzten, jeder hastige Atemzug tat weh. Das grauenhafte Wesen hinter ihr stieß ein heiseres Knurren aus. Seine scharfen Klauen schlitzten ihren Pullover und ihren Rücken auf. Luisa schrie verzweifelt um Hilfe – und erwachte schweißgebadet aus ihrem Alptraum. Sie setzte sich auf und strich sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Ihr Herz klopfte wie verrückt.

      „Verdammt“, fluchte sie. Nie wieder würde sie vor dem Einschlafen einen Zombie-Film im Fernsehen gucken. Aber nach dem turbulenten Tag gestern, hatte sie sich mit Dawn of the Dead ablenken wollen. Vielleicht wäre einer von Mollys Jane-Austen-Filmen doch die bessere Wahl gewesen.

      Nach einem kurzen Blick auf ihren Wecker sprang sie hektisch aus dem Bett.

      „Das darf doch nicht wahr sein!“

      Vor lauter Sorge um Ophelia hatte sie gestern Abend vergessen den Wecker zu stellen. Wenn sie jetzt nicht alles gab, würde sie zu spät zur Schule kommen.

      Wie ein Wirbelwind sauste sie ins Badezimmer, um nach einer Katzenwäsche hastig Klamotten aus ihrem Schrank zu ziehen. Schwarze Röhrenjeans, ein grauer Hoodie und ihre alten Chucks waren genau das Richtige für diesen ätzenden Dienstagmorgen.

      Luisa band sich ihre schwarzen Locken zu einem unordentlichen Zopf hoch und schlüpfte in ihre kurze Lederjacke.

      Wo war denn nur ihre Dienstagsuhr?

      Abgesehen von den weißen, in Silber gefassten Muschelohrringen, die sie von ihrem Vater Ansgar aus Barcelona mitgebracht bekommen hatte und so gut wie jeden Tag trug, machte sie sich nicht viel aus Schmuck. Nur Uhren hatten es ihr angetan. Luisa nannte eine beachtliche Sammlung ihr eigen und hatte für jeden Wochentag und jede besondere Gelegenheiten eine bestimmte Uhr. Sie wühlte in der obersten Schublade ihrer antiken Kommode.

      „Hab ich dich“, flüsterte sie erleichtert und band sich die schwarze Taucheruhr um ihr Handgelenk.

      „Musst du nicht mal langsam los? Du kommst sonst noch zu spät!“, ertönte die Stimme ihrer Mutter von unten.

      Luisa verdrehte die Augen, schnappte sich ihren Rucksack und stürmte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter.

      „Wirklich? Das wäre mir jetzt gar nicht aufgefallen“, entgegnete Luisa sarkastisch, als sie die Küche erreichte. „Du hättest mich ruhig mal wecken können!“

      Ihre Mutter blickte sie über den Rand ihrer Zeitung hinweg herausfordernd an: „Ich fördere nur deine Selbstständigkeit.“

      Ohne eine Erwiderung verließ Luisa wütend das mütterliche Hexenhaus und schwang sich auf ihr Hollandrad. Manchmal könnte sie ihrer Mutter echt den Hals umdrehen.

      Ausgerechnet heute musste sie auch noch gegen einen fürchterlichen Gegenwind ankämpfen. Anscheinend hatte sich heute die ganze Welt gegen sie verschworen.

      Völlig außer Atem erreichte sie die Schule. Wenigstens hatte sie dank Sam die Hausaufgaben. Eine wahre Premiere, die ihre Laune etwas hob. Endlich konnte ihr Englischlehrer Herr Barnes kein Minus in die Hausaufgabenliste machen und seinen selbstgefälligen Blick würde er sich auch sparen müssen.

      „Sie werden Augen machen, Mister Barnes“, versprach Luisa und musste leise lachen, weil er pedantisch auf die englische Anrede bestand. Die Nichtbeachtung hatte schon zu übertriebenen Strafarbeiten geführt.

      Einige Stunden später betrat Luisa eilig die Bibliothek des Schillergymnasiums. Der verschlissene, grüne Teppich dämpfte ihre Schritte. Es roch muffig nach alten Büchern. Das leise Gemurmel der anwesenden Schüler war das einzige Geräusch, das durch die Stille drang.

      Luisa musste ihre Freistunde opfern, um ihr Geschichtsreferat über die Dolchstoßlegende im Ersten Weltkrieg vorzubereiten. Es war mal wieder kurz vor knapp, denn sie würde den Vortrag in der nächsten Doppelstunde halten müssen.

      Sie lief an den hohen Bücherregalen vorbei und erreichte den Arbeitsbereich. An einem der Plätze erkannte sie Molly, die gedankenversunken aus dem Fenster starrte. Luisa trat an ihren Tisch, der mit Büchern und vollgekritzelten Notizzetteln übersät war. Molly hatte sie immer noch nicht bemerkt.

      Luisa griff nach einem Zettel, dessen Rand mit Herzchen verziert war. Da kam plötzlich Leben in ihre Freundin. Erschrocken fuhr Molly auf: „Gib das sofort wieder her.“ Sie versuchte Luisa den Zettel zu entreißen.

      Diese konnte gerade noch die erste Zeile des Gedichts lesen: „Es zerbricht mein Herz so wunderbar.“

      Mit entrüstetem Blick bekam Molly den Zettel wieder in die Finger.

      Die Lehrerin, die Aufsicht hatte, schaute missbilligend von ihren Korrekturen auf und bedeutete den beiden, still zu sein. Mit hochrotem Kopf setzte Molly sich wieder an ihren Platz und sortierte ihre Bücher.

      Luisa schob einen der Stühle neben ihre Freundin und schaute sie fröhlich an. „Entschuldige, Mollymaus. Ich wusste ja nicht, dass deine Gedichte neuerdings geheim sind.“

      Molly, deren blonde Haare zu einem französischen Zopf geflochten waren, zuckte mit den Schultern. „Es ist noch nicht fertig.“

      Luisa beugte sich näher zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Wenn ich verspreche, niemandem davon zu erzählen, darf ich es dann lesen?“

      Sie konnte Molly ansehen, wie sie mit sich rang. „Wehe, du erzählst Jess davon. Sie macht sich sowieso schon genug darüber lustig, dass ich immer an Kaspar denken muss.“

      Luisa blickte ihre Freundin ernst an, hob die rechte Hand zum Schwur und wisperte: „Ich, Luisa Frost, schwöre hiermit feierlich, dass ich die Kenntnis über dieses Gedicht mit in mein Grab nehmen werde.“

      Molly kicherte leise und reichte Luisa unsicher ihr Gedicht.

      Es zerbricht mein Herz so wunderbar,

      Bebend liege ich verraten da.

      Klagelaute und Tränenfluten,

      Erstickt beginne ich zu rufen:

      Was bleibt, mein Licht, nur ohne dich?

      Hassen werde ich wie immer mich.

      Verbiete mir an dich zu denken.

      Wem soll ich mein halbes Herz noch schenken?

      Luisa blickte ihre Freundin erstaunt an. Diese Bedrücktheit kannte sie aus Mollys bisherigen Gedichten nicht.

      „Warum