Feenfuchs und Feuerkuss. Lara Kalenborn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Kalenborn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789983
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blies ihre Wangen auf und sagte lachend: „Ich habe keinen blassen Schimmer.“

      Sam schien das nicht so wirklich zu amüsieren. „Okay. Dann erkläre ich es dir. Und dann liest du es noch einmal.“

      Luisa nickte brav.

      „Euer Lehrer hat euch eine Szene aus Romeo und Julia gegeben …“

      „Oh, ich liebe den Film“, stieß Luisa hervor.

      Sie biss sich auf die Zunge, als sie Sams entsetztes Gesicht sah. „Es geht hier aber nicht um Leonardo DiCaprio.“ Er tippte mit dem Finger auf den Zettel. „Es geht um Shakespeares Romeo.“

      Wieder nickte sie und machte sich einen Knoten in die Zunge, damit sie nicht noch mehr albernen Kram von sich gab.

      „Romeo sieht in dieser Szene Julia zum ersten Mal und beschreibt ihre unvergleichliche Schönheit.“

      Luisa suchte für einen Moment in den Zeilen nach Anhaltspunkten für Sams Aussage, aber ihre Augen mochten lieber auf seinen Lippen ruhen, als er fortfuhr. „Für ihn bringt ihr Erscheinen Fackeln zum hellen Leuchten. Ihr Glanz erhellt die Nacht, ist wie ein Edelstein auf dunklem Grund …“

      Während Sam weiterredete, lief ein Schauer Luisas Rücken hinab.

      Sie musste schlucken, als Sam seine leidenschaftliche Erklärung beendet hatte, und murmelte: „Mir war gar nicht klar, dass Shakespeare in dieser Art über Liebe schreibt.“

      Sam hob seine Augenbrauen. „Ja, bei diesem Thema zeigt sich sein ganzes Talent.“

      Er sah ihr bei diesen Worten tief in die Augen, direkt in ihre Seele hinein. Aber vielleicht versuchte er auch nur einen Funken Intelligenz in ihrem verträumten Blick zu erkennen. Luisa musste zugeben, dass sie bisher in Sams Nähe nicht gerade mit Cleverness geglänzt hatte.

      Sie richtete sich auf und befeuchtete ihre Lippen.

      Okay, Shakespeare, dachte sie, sei so nett und lass mich nicht dumm da stehen.

      Sie räusperte sich und versuchte die schönen Beschreibungen Julias nicht zu sehr zu verhunzen.

      Als sie endete, sah Sam sie immer noch unergründlich an.

      „So schlimm?“, fragte sie unsicher.

      Erst reagierte Sam nicht, dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Schön“, sagte er mit rauer Stimme und strich sich Haarsträhnen aus der Stirn. „Sehr schön.“

      Luisa fiel ein Stein vom Herzen. „Okay, Romeo. Jetzt müssen wir nur noch diese Fragen beantworten“, sagte sie und zeigte Sam die Aufgaben, die Herr Barnes ihnen diktiert hatte.

      Er sah irritiert drein. Sie wollte sich schon entschuldigen, weil sie ihn Romeo genannt hatte, aber dann sammelte er sich und las sich die Fragen durch.

      Luisa kratzte sich am Kopf. Wie schaffte sie es nur immer wieder, in Sams Gegenwart die Kontrolle über ihr Mundwerk zu verlieren?

      Nachdem sie auch ihre Französisch-Hausaufgaben bezwungen hatten, was Luisa himmelhoch jauchzend stimmte, machte Sam sich auf.

      Im Flur nahm er seinen Helm und griff nach der Haustürklinke.

      „Bis morgen dann“, sagte er schnell und öffnete das Tor zur Freiheit. Offensichtlich konnte er es kaum erwarten von ihr wegzukommen.

      „Warte“, rief Luisa. Der Anblick seines Motorradhelmes hatte sie auf eine Idee gebracht. „Kannst du mich vielleicht mitnehmen?“

      „Ich hab leider keinen zweiten Helm bei.“

      Luisa überlegte kurz. „Ich habe noch einen Fahrradhelm.“ Sie sah ihn hoffnungsvoll an.

      Sam schüttelte den Kopf. „Das ist verboten.“

      „Ach, uns erwischt schon keiner.“

      „Lieber nicht.“

      „Bitte. Du könntest mich zu meinem Pferd fahren. Sonst schaffe ich es nicht mehr, bevor meine Mutter nach Hause kommt.“

      „Ich weiß nicht.“

      „Bitte, ich muss Ophelia dringend sehen. Meinem Pferd geht es nicht gut zurzeit.“

      „Dein Pferd heißt Ophelia?“, hakte er nach.

      „Ja.“

      „Hamlet sagt dir nichts, oder?“

      Luisa fühlte sich ertappt. „Nein“, gab sie zerknirscht zu und nahm sich vor, es nachzugucken, wenn sie nach Hause käme.

      Sam atmete tief durch. „Dann hol mal deinen Fahrradhelm.“

      5 Finsternis

      Ungläubig betrachtete Luisa das Spektakel, das sich ihr bot. Nachdem Sam sie am Gestüt abgesetzt hatte und wieder gefahren war, hatte sie Ophelia nicht in ihrer Box vorgefunden. Luisa war zum Springplatz geschlichen, wo sie ihr Pferd vermutete. Sie blieb im Schatten eines Baumes stehen, um unentdeckt den Beritt beobachten zu können. Doch jetzt wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Denn als sie Ophelia nun erblickte, hielt sie erschrocken die Luft an und die Hoffnung, dass die Angestellte des Gestüts ähnlich talentiert und einfühlsam wie Jonathan ritt, zerschlug sich. Sie erkannte, dass die Frau mit Schlaufzügeln arbeitete. Ophelia galoppierte mit unruhig schlagendem Schweif auf einem verkleinerten Zirkel. Die Bereiterin zog den Kopf des Pferdes mit Hilfe der Schlaufzügel so tief, dass die Fuchsstute sich fast in die Brust biss. Als wäre das noch nicht schlimm genug, zischte immer wieder die Gerte auf die verschwitzte Kruppe ihres Pferdes.

      Luisa wandte sich fassungslos ab und rannte auf das Haupthaus zu. Es war ihr in diesem Moment vollkommen egal, ob sie sich vielleicht Ärger mit ihrer Mutter einhandelte. Sie würde jetzt diesen Friedrich Lichthang zur Rede stellen. Und sein scheinheiliger Sohn konnte sich auch auf etwas gefasst machen!

      Sie hastete die Treppe hinauf, schob die massive Holztür auf und blieb in der lichtdurchfluteten Eingangshalle stehen, um sich kurz zu orientieren.

      Durch eine nur angelehnte Tür rechts neben ihr drang eine erregte Stimme: „Was glaubst du eigentlich, warum wir die Frühjahrsauktion veranstalten? Zum Vergnügen?“ Die tiefe Stimme von Friedrich Lichthang wurde immer lauter. „Die Umsätze müssen einfach besser werden. Und du sorgst ja nicht gerade erfolgreich dafür, dass die Anfragen für den Deckhengst steigen.“

      Luisa trat auf die Tür zu, neben der ein Pferdegemälde an der hellgelb gestrichen Wand mit reichlich weißem Stuck hing.

      „Ist doch nicht meine Schuld, dass Alcantarro auf Hallenturnieren nicht so springt wie Zuhause.“

      „Nicht deine Schuld? Dass ich nicht lache! Du bist dir anscheinend gar nicht bewusst darüber, dass du Zuhause viel einfühlsamer reitest als auf Turnieren. Dein Ehrgeiz vor Publikum überfordert das junge Pferd.“

      „Du musst dich auch mal entscheiden, was du willst. Sportlicher Erfolg oder …“

      Herr Lichthang fiel Jonathan ins Wort und kam jetzt richtig in Fahrt: „Ich will, dass du Verantwortung übernimmst. Du bist schließlich das Aushängeschild für unser Gestüt.“

      Luisa verzog betroffen das Gesicht, anscheinend war sie nicht die einzige, die Probleme mit ihren Eltern hatte.

      Da hörte sie auch schon Jonathans empörte Stimme: „Du kannst froh sein, dass ich mich komplett für das Gestüt aufopfere und mich als Aushängeschild hergebe. Schwing dich doch mal selbst wieder in den Sattel. Du verkriechst dich aber lieber hinter deinem Schreibtisch. Außerdem, die letzten drei Bereiter, die du angestellt hast, sind total unfähig. Erst gestern hat sich die Tochter von Frau Frost beschwert, weil sie ihr Pferd verängstigt vorgefunden …“ Als es gerade richtig interessant wurde, öffnete sich schwungvoll die Eingangstür.

      Erschrocken fuhr Luisa herum. Herrn Lichthangs