"I"- Achtung Spyware!. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738022308
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sein im kühlen Kopf, reagieren in null Komma nix Bruchteilen von Sekunden. Ein Kunstschütze, der immer trifft weil er daneben schießt, hat deshalb nicht das Zeug zu einem echten Mafioso. Eine Frage von höchster italienischer Qualität. Da nützt die beste und längste Ausbildungszeit nichts. Ein Einbruch oder Überfall auf ein deutsches Häuschen, das zur Tatzeit leer steht, weil im Garten Party gemacht wird, gehört schließlich zu den leichteren Übungen. Selbst wenn die geplante Geiselnahme erschwerend hinzukommt. Aber die Deutschen kommen in diesem Fall hilfreich entgegen. So dumm, und dabei muss Giacomo grinsen, so dumm können auch nur die Germanen sein, bei Regen im Garten zu feiern. Ein Glück aber für Carlito stupido, denn exakt diesem Umstand hat er es zu verdanken, sich heute als perfekter Anwärter beweisen zu können. Vom Auszubildenden bis hin zu einem echten, weltweit anerkannten Mafioso ist dann allerdings noch ein weiter Weg. Und ohne Giacomo, dem besten Mann von Don Brandolo, dem Paten in dieser Stadt, geht gar nichts.„Attenzione!“ flüstert Giacomo drohend und sieht zu, wie Carlito ungeschickt versucht den brüchigen, dringend einer Reparatur bedürftigen Zaun vom Schnurre Grundstück zu übersteigen. Aus der Sicht der beiden Mafiosi prasselt das Lagerfeuer erneut auf, Bernhard hat neues Holz hineingeworfen. Der Regen lässt die Flammen aber sogleich wieder kleiner werden. Onkel Henry macht dennoch jede Menge Fotos vom Feuer, von „I“, von der Familie Schnurre. Die hocken nach wie vor gemütlich unter den Schirmen und essen mit Freude und Appetit. Giacomo und Carlito läuft bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Triefend nass inzwischen, verständigen sie sich „hochprofessionell“ durch Handzeichen und schleichen in gebückter Indianer Haltung um das Haus herum. Mick hat inzwischen sein Banjo geholt. Der Experte für Country-Musik spielt recht und schlecht und mit kaum erkennbarer Melodie den Yankee-Doodle, zur Ehre für den japanischen Amerikaner, wie er behauptet. Die stolzen Eltern applaudieren, worauf Mick das Banjo an „I“ weitergibt, die mit einem „Dida dadadadidadaaa“ die wenigen Griffe abspeichert und schnell nachspielt. Das weckt den Ehrgeiz von Bernhard, er geht um sein original amerikanisches Banjo zu holen. Henry wird zunehmend fröhlicher und lauter, so sehr gefällt ihm Deutschland und das deutsche Bier.

      „Country Music very good! Das muss ich Rosl erzählen!“ Ein bisschen neidisch kann man bei so viel Freude am deutschen Familienleben schon werden. Das würde Amelie natürlich nie zugeben, will sich aber eine Bemerkung nicht verkneifen. „Ich kann ja mein Klavier runterholen!“ sagt sie und beginnt gleich darauf zu lachen. Ein Scherz überbrückt jeden Anfall von Frust. Bloß nicht darüber nachdenken. Auch ist Bernhard jetzt zurück, mit seinem Banjo, und spielt ebenfalls den Yankee Doodle. „I“ antwortet zur Überraschung aller auf Micks Banjo. Es hört sich gut an. Bernhard spielt schneller, auch „I“ legt an Tempo zu. Es entwickelt sich eine Art „Dueling Banjos“, wie in ´Deliverance`, einem US-Film, den Monika und Bernhard vor Jahren in einer nächtlichen Retrospektive im Kino gesehen hatten. Damals, verdammt waren wir jung damals, denkt Bernhard während er sein Instrument bearbeitet, damals jedenfalls entwickelte sich eine Riesendiskussion mit Freunden, wie weit denn ein Kinofilm gehen kann. Es war eine üble Sexszene, mit allem Drum und Dran, die gezeigt wurde. Der arme Ned Beatty, eigentlich der Spaßvogel in der vier Männer Gruppe, die, um der Großstadt zu entfliehen eine abenteuerliche Flussfahrt unternommen hatten, wird mitten im Wald von einem Holzfäller vergewaltigt und seine gefesselten Freunde müssen die Sauerei hilflos mit ansehen. Wie gern wäre Bernhard der Held gewesen, damals, er hätte Monika noch mehr imponiert und die Holzfällerbande einfach umgelegt. Auge um Auge – Zahn um Zahn! Im Film hätte das eigentlich Burt Reynolds erledigen müssen, ein Großmaul und angeblicher Experte für Abenteuer, mit seinem irren Jagdbogen, den ein normaler Mensch nicht spannen konnte. Aber der war irgendwie gehandicapt, wodurch eigentlich? So richtig kann sich Bernhard nicht mehr daran erinnern. Jedenfalls war das ganz offensichtlich ein Fehler im Drehbuch, so wie sie die Dinge damals sahen, und der nette Ned Beatty, der überhaupt nicht schwul war, musste es büßen. Und Monika hatte einen Grund weniger um ihren Bernie zu bewundern. Sie war übrigens ganz anderer Meinung als die Mehrheit der Freunde, fällt ihm jetzt ein, wahrscheinlich weil ein paar vererbte Gene ihrer hippen ´Mammelie` rebellierten, was zu einem ersten größeren Streit führte, den sie allerdings noch in der gleichen Nacht auf der Couch im elterlichen Wohnzimmer kompromissvoll beendeten. In der Erinnerung zupft er noch ein paar schräge Akkorde aus seinem Banjo. Bernhard hat Spaß und ist endlich mal locker.„Okay, okay! Klasse, gefällt mir!“ „I love it too!“ sagt Henry, der Amerikaner, und fährt fort in dem er „I“ applaudiert.

      „Du sein gut für international friendship. Care for a gift?“ Und Monika übersetzt für „I“, wenngleich sie nicht wissen kann, ob die Puppe vielleicht Fremdsprachen beherrscht. „ Ein Geschenk will er dir machen?“ „Geschenk ?“

      echot „I“ und Henry steht lächelnd auf und winkt ihr ihm zu folgen. „I“ tut es, Monikas Frage kann sie sowieso nicht beantworten „Was habt ihr vor?“ Das macht dann Bernhard, durch Banjo Spiel und seine Gedanken dazu friedlich und freundlich gestimmt. „Wart‘ s doch ab, Schatz!“ „Überraschung!“ schreit Mick und Amelie fügt hinzu. „Surprise!“ Jetzt kommt Bernhard wieder mit seiner alten Ironie Nummer „Nicht zu fassen, wie so ein Auswärtsbesuch auf einmal motiviert Fremdsprachen zu lernen“. „Solltest du auch mal versuchen, Papa“,

      kontert Amelie und legt noch einmal Holz auf. Der flackernde Schein des Feuers huscht über die Gesichter der Schnurre Familie, ein bisschen hängt jeder seinen Gedanken nach. Das ändert sich aber schnell, denn jetzt erscheint „I“ mit unbewegtem Gesicht, was vielleicht ihren Stolz ausdrücken soll, wer weiß das schon, berechtigt wäre es allemal, denn neu gekleidet im grellen Outfit des amerikanischen Japaners sieht sie blendend aus, trotz der beiden spießig quer über die Brust gelegten Fotoapparate. Die Schnurres lachen, freuen sich, applaudieren, was „I“, die Situation scannend, zur Kenntnis nimmt.

      „Dida dadadadidadaaa.“ Auf Onkel Henry warten sie allerdings vergebens. Mick reagiert als erster. „Der Ami wird doch nicht eingepennt sein?“ „Jetzt sieh halt nach, Bernie. Vielleicht hat er sich verirrt.“ Gehorsam steht Bernhard auf, entledigt sich seines Banjos und latscht gemütlich hinüber zum Schuppen. Mick kann nicht anders, er muss wieder einen Kommentar loswerden. „Ein Usaaahhhh Auswärtsbesuch im deutschen Geräteschuppen. Ohne GPS – das geht ja gar nicht!“ Bernhard kann seinen Sohn nicht gehört haben, er kommt aus dem Schuppen zurück und ruft lachend „Hat der kein GPS? Gibt’s das?“ Darüber lachen bestenfalls doofe Amerikaner, findet die Schnurre Familie, und Amelie macht darauf aufmerksam, dass sowohl bei den ´Simpsons` als auch bei ´Two and a half men` öfter mal jemand verschwindet und unter saukomischen Umständen wieder auftaucht. Der Henry ist vielleicht so ein Komiker, der ohne Lachkulisse nicht auskommt. Und dann brüllen alle im Chor. „Onkel Henry!!! H e n r i i i i i … !“ Und “I”, die natürlich keine Ahnung hat worum es hier eigentlich geht, scannt die Situation und wiederholt dann emotionslos aber ebenfalls laut. „H e n r i i i i …!“

      *

      Mit einem Kartoffelsack über dem Kopf, dazu gefesselt und geknebelt sitzt der Vermisste im Auto der beiden Italo-Gangster. Keine Chance also, den Rufen der Familie Schnurre zu antworten, selbst wenn er sie hätte hören können. Eine Entführung in regendunkler Nacht! Eine Geiselnahme?! Wie konnte das passieren? Und warum ausgerechnet Onkel Henry, der stets freundliche Amerikaner mit den japanischen Wurzeln, die sprichwörtlich asiatische Höflichkeit in Person. Henry selbst hätte keine Antwort darauf geben können. Er wusste nicht wie ihm geschah in Schnurres Geräteschuppen, alles passierte so plötzlich, so überraschend und so völlig lautlos. „I“ hatte das Nachthemd ausgezogen und nach längerem Gestikulieren mit Henry die Klamotten getauscht, überraschender Weise ohne sich vor ihm zu genieren. Dafür hatte der gute Onkel dem Mädchen genau erklärt, wie der Fotoapparat funktioniert und ihr dann geholfen das Teil zu bedienen. Zahlreiche Bilder waren die Folge, abgespeichert auf dem Chip der Kamera (Made in Germany, nicht in Japan!), und Henry war stolz auf sein japanisches Foto know how und hatte Spaß bei den Aufnahmen. Und „I“, die ihm aufmerksam zuhörte, hatte manchmal sogar ihr „Dida dadadadidadaaa“ eingeschaltet. Und während Onkel Henry noch darüber nachdachte was die Tonfolge bedeuten könnte, vielleicht ein Signal für ihn, sozusagen ein persönliches ´Vielen Dank, lieber Henry` hatte „I“ den Gerätschuppen verlassen und ihm wurde plötzlich dunkel vor Augen. Das lag an dem Kartoffelsack, wie er jetzt weiß. Der wurde ihm plötzlich und unerwartet