"I"- Achtung Spyware!. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738022308
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seine ältere Schwester an und meint versöhnlich „Was guckst´ du, Kleine?! Sport ist Mord! Weiß doch jeder!“ „Weiß sie nicht. Woher denn?“ antwortet Amelie, bemüht eindeutig Partei für DAS ETWAS zu ergreifen, ganz nach dem unter den Mädchen in der Schule heiß diskutierten Motto: Wir Frauen müssen zusammenhalten. Wir Frauen brauchen eine Quote! Wofür denn? Am besten für alles und jedes. Auf jeden Fall in der Politik und in der Wirtschaft und für alle zu besetzenden wichtigen Spitzenpositionen auf der ganzen Welt.

      *

      Im Stadion trabt die Sportlergruppe über die Tartanbahn um sich im Langlauf zu trainieren. DAS ETWAS läuft mit, immer noch im Nachthemd und rückwärts, keine Ahnung warum. Vielleicht weil sie die Sportler und ihr Tun dann besser beobachten kann. Das ist möglicherweise auch der Grund, weshalb die Puppe manchmal schneller, dann wieder langsamer läuft und sich schließlich mitten unter die Sportler mischt, die durch die Rückwärtsläuferin und ihren nackten Po, der aus dem hinten offenen Krankenhaushemd herauslugt, so ziemlich aus dem Rhythmus kommen, worüber sich einige ärgern, andere aber lachen. Sie verjagen schließlich das Mädchen, die irgendwie ratlos zurück bleibt.

      „Dida dadadadidadaaa“ düdelt es aus dem Speicher der Puppe und dann wiederholt sie ganz deutlich und voll zur Überraschung von Mick und Amelie, was sie bei Fred und den beiden Italienern im Spielsalon gelernt hat. „Verboten! Alles verboten! Avanti dilletanti! Bravissimo Idiota!“ Amelie und Mick geben sich stolz „five“, um gleich darauf auf dem Bildschirm zu sehen wie sich DAS ETWAS am Rand der Tartanbahn niederlässt. Sie wirkt jetzt müde und sieht älter aus. Eine Folge der Anstrengung, lässt ihre Kraft nach? Amelie sorgt sich und meint „Die müsste was essen!“ „Trinken wär wichtiger“, meint Mick, der Fachmann für alles und damit auch Sport Experte. Er freut sich kichernd über die Tatsache, dass die Puppe offensichtlich nicht auf den Mund gefallen ist und das auch ganz klar zum Ausdruck bringt. „Hätt‘ ich nicht gedacht, von so einem Teil. Die kann echt bös werden. Typisch Frau, von nix ´ne Ahnung, aber …“„Dann ist sie ja bei dir richtig“, lästert Amelie. „Der Mann, der alles weiß und kann! Jedenfalls mit dem Mundwerk“ „Kann ja sein, dass sie ein Zombie ist. Mit Killerinstinkt!“ knurrt Mick und kriecht zähnefletschend auf seine Schwester zu. Die schreit ihn an, verängstigt durch ihre eigenen fantasievollen Vorstellungen. „Hör auf mit dem Scheiß!! Und kein Wort darüber zu den Eltern. Die werden sie sonst löschen, ehrlich!“ Das unfreiwillig gemachte Angebot nützt der Experte für geschäftliche Dinge gnadenlos aus. „Was zahlst du?“ „Wieviel schuldest du mir?“ gibt Amelie geistesgegenwärtig zurück. „Dann sind wir uns ja einig“, sagt der Fachmann für Geldpolitik und grinst dabei fröhlich. Er bietet der Schwester neue „five“ an, aber diesmal verweigert sich Amelie, sie ärgert sich zu sehr.

      *

      Im Besprechungsraum der Havelstein Klinik sind am Reißbrett zahlreiche Fotos angepinnt: DAS ETWAS in allen möglichen Lagen. Detailbilder vom Kopf und von den Gliedmaßen. Dazu entsprechende Hinweise und Anmerkungen, die sicher keiner der Anwesenden medizinischen Laien versteht. Vor dem Pult liegen Journalisten, Fotoreporter und ein Team von RRTB, dem TV-Sender REGIONAL RADIO & TELEVISION BERLIN, auf der Lauer. Bea Freimuth, die investigative Reporterin und gleichzeitige Moderatorin bei dem neuen regionalen Kleinstsender hat sich eine gute Position gesichert. Sie sitzt direkt vor Prof. Dr. Dr. Havelstein, der eine Pressekonferenz in der für ihn so wichtigen Sache anberaumt hat und in der Hoffnung auf sensationelle News sind alle, alle gekommen. Dr. Mundfohl, der Assistenzarzt, ist ebenfalls anwesend, hält sich aber zurück. Er weiß, dass der eitle Professor sehr ungehalten wird, wenn man versucht ihm die Show zu stehlen. Und die hat nach ersten einleitenden Worten des Klinikleiters gerade begonnen. „Selbstverständlich, meine Damen und Herren von Presse und Fernsehen…“ schmeichelt sich der Professor sogleich bei den Presseleuten ein. „Selbstverständlich stehen Ihnen einige der in unserer Klinik gemachten Fotos zur Verfügung. Mit Details zur Patientin möchte ich Sie noch verschonen, bis wir alle Untersuchungs-Ergebnisse zusammengefasst und ausgewertet haben. Zur Person der Unbekannten darf ich vielleicht noch anmerken, dass wir die junge Frau auf keinen Fall für gefährlich halten. Darum mein Rat an eifrige Polizeikräfte: Bitte nicht von der Waffe Gebrauch machen, falls Sie das Mädchen aufspüren sollten.“ Jetzt lacht der Professor medienwirksam, die Zuhörer ebenfalls. Die Gelegenheit, denkt sich Dr. Mundfohl, das Wort zu ergreifen um seine Mitarbeit an diesem Fall wirkungsvoll zu unterstreichen. „Vielleicht interessiert Sie...“ „Aber bestimmt doch …!“ ruft Bea Freimuth dazwischen und kann sicher sein, dass die Presse Kollegen ihre Anwesenheit endlich zur Kenntnis nehmen.

      Dr. Mundfohl lässt sich indes nicht aus der Ruhe bringen. Presse ist wichtig, aber der Klinik Chef wichtiger für die eigene Karriere. Deshalb ignoriert er den Einwurf und fährt fort sich ins Rampenlicht hineinzumanövrieren. „Was wir über die Implementierung – also das Umsetzen eines Algorithmus oder sogenannten Softwareentwurfs – das Chris Eliasmith in seinem Buch …“ Und wieder stört Bea Freimuth und wirft rücksichtslos ein, was sie irgendwann mal gelesen und vielleicht sogar verstanden hat. „How to build a brain!“ Das kann Prof. Dr. Dr. Havelstein nun doch nicht zulassen, dass eine naseweise Pressetante der Medizin die Butter vom Brot nimmt. Also mischt er sich ein und macht zugleich Dr. Mundfohl zum Sündenbock. „Genau das, lieber Kollege Mundfohl, meinte ich, als ich von noch nicht ganz ausgewerteten Details sprach. Möglicherweise, ich betone, möglicherweise sind wir hier einem Phänomen auf der Spur, das ich in m e i n e m Buch ´Kennen wir unser Gehirn und unsere Seele` theoretisch schon beschrieben habe …“Bea Freimuth ist Profi. Oder will zumindest einer werden im neuen kleinen TV-Sender RRTB. Da gibt es kein zurück, auch wenn ein Professor höchst persönlich das Wort hat. Zur eigenen Sicherheit aber ist Weibliche Charme Offensive angesagt. „Professor, reden Sie über die Umsetzung von festgelegten Strukturen und Prozessabläufen in einem System von …“„Ich will hier kein wissenschaftliches Seminar abhalten, Frau …?“ „Bea Freimuth, vom Regional Sender RRTB“ drängelt sich Bea in die erste Reihe der Runde. Und der Professor, trotz seines fortgeschrittenen Alters dem Weiblichen immer noch zugetan, wiederholt charmant lächelnd den Namen der kessen Reporterin, den spätestens jetzt sich auch die Journalisten Kollegen gemerkt haben. „Frau Freimuth, nur so viel und zur Erweiterung Ihres medizinisch wissenschaftlichen Kenntnisstandes: Wer bestimmte Mechanismen beherrscht, dem verrät beispielsweise das Gesicht eines Menschen dessen Gefühle und Absichten. Er erkennt sozusagen einen Lügner durch den Spiegel der Seele.“ „Schwere Zeiten für Mediziner, Professor!“ lächelt Bea und tut so, als habe sie die Doppeldeutigkeit ihrer Bemerkung nicht gewollt.

      Das hämische Gelächter der anwesenden Journaille belehrt sie eines besseren, weshalb Dr. Mundfohl wiederum glaubt eine Rettungsaktion für den Chef starten zu müssen. „Nicht unerwähnt sollte eine Erfahrung sein, die ich selbst“ Aber das war‘ s dann auch schon, denn der Professor ist viel zu erfahren im Umgang mit den Medien um sich ins Abseits drängen zu lassen. Deshalb unterbricht er seinen Assistenten erneut. „Ganz recht, Herr Kollege, wenn Sie gestatten, gerade wollte ich es ansprechen. Falls Sie in nächster Zeit der jungen Frau begegnen sollten: Bitte, nicht berühren! Keinen direkten Haut Kontakt also. Die Patientin steht sozusagen unter Strom. Es kann deshalb zu einer Entladung größeren Ausmaßes kommen. Mein Assistent hier hat das bitter am eigenen Leib verspüren müssen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss dringend mal telefonieren. Bitte, Dr. Mundfohl!“ Und weist mit großer Geste auf seinen Assistenzarzt, bevor er mit dynamischen Schritten den Raum verlässt. Doktor Mundfohl bleibt nichts anderes übrig, als sich der Order zu beugen. Im Inneren aber kocht er vor Wut. Den ungestüm herandrängenden Journalisten und Fotoreportern darf man als verantwortungsvoller Arzt seinen Gemütszustand natürlich nicht offen zeigen, weshalb er stumm seine verbundenen Hände präsentiert: ein Lazarus! Ein Schelm, der schlecht darüber denkt.

      *

      „Unbekannte, als Mann verkleidete Frau, leert Automaten im

      Spielsalon!“ lautet der Aufmacher einer großen Boulevard Zeitung, es könnte BILD oder eine ähnliche Klatschzeitung sein. Don Brandolo ist Italiener, ein sogenannter Pate, offiziell aber der Besitzer des Pizza Restaurants, in dessen Hinterzimmer er gerade die Schlagzeilen gelesen hat. Nun ist es auf diesem Globus an und für sich nichts Besonderes, daß der Inhaber eines italienischen Restaurants zugleich auch Inhaber und Entscheidungsträger einer verschwiegenen,