"I"- Achtung Spyware!. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738022308
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Energischer väterlicher Widerstand – viel diskutiert und schließlich gebrochen von einer disziplinierten, emanzipierten, sehr engagierten jungen Frau, die sich fortan Lola nennt und nach Abschluss der Schauspielschule ihr erstes Theater Engagement im österreichischen Brünn antritt; Würzburg, Stuttgart und schließlich Berlin folgen. Wer ist der geschäftstüchtige junge Mann, der gerade noch rechtzeitig vor der 1. Hauptprobe die vom Theater in Auftrag gegebenen Trachtenkostüme liefert. Edeltraut, die brave Garderobiere, klärt auf: Alphons Schnurre heißt er und besitzt ein kleines Modegeschäft, das exakt die Kleider auf Lager hat, die für das dramatische Bauernstück, das in einem entlegenen Dorf im öden Niederbayern spielt, kostengünstig gebraucht werden. Mammelie war immer schon neugierig auf das Leben, auf neue Rollen, auf die Menschen hinter den Rollen und nun auch auf den Menschen, der die original bayerische Bekleidung für diese Rollen zu liefern hatte. Und Monika, ihre doch leibliche Tochter, wenn auch irgendwie aus der Art geschlagen, fühlt manchmal ganz ähnlich wie Lola, nur sie kommt einfach nicht dazu so zu sein wie Mammelie war. Warum eigentlich nicht? Fuck! Verdammt noch mal, ehrlich! Mit ihrem Bernhard kann sie diese Gedanken sowieso nicht teilen, nicht darüber reden, ihre Gefühle und Ängste nicht artikulieren. Als Macho der alten Schule nimmt er seine Frau und ihre selbstgemachten Problemchen nicht ernst, würde grinsend ironische Bemerkungen vom Stapel lassen und darauf hinweisen, dass es anderen erheblich schlechter geht. Dass andere auf diesem Globus echte, wirkliche, lebensbedrohende Gründe für Klagen haben. Nicht nur Hunger und Durst, nicht nur Krankheit und keine medizinische Versorgung, nein, Mord und Totschlag durch korrupte Regierungen und religiöse Fanatiker sind weltweit an der Tagesordnung, davor darf man die Augen doch nicht verschließen, auch wenn sich gelegentlich die künstlerische Ader ihrer Mammelie zu Wort meldet, richtig? Aber wenn sie meint, dass die Welt schön und heil ist nur für die Schnurres nicht, dann soll sie doch einfach mal ihren Blick in die Ost-EU-Länder richten, würde er sagen, oder nach Afrika, und warum denn so viele Menschen zu ´uns` rüber wollen? Und die Antwort hätte er auch gleich parat: Weil wir für diese Leute vergleichsweise das Paradies sind, hier in Good Old Germany keinen Hunger kennen, jede Menge (viel zu viel) trinken können, ein Dach über dem Kopf und was zum Anziehen (viel zu viel) im Schrank haben und das seit Jahren, seit Jahrzehnten, seit dem 2. Weltkrieg und den verdammten Nazis. Und obwohl er ja das Glück der späten Geburt hatte (um mit Altkanzler Kohl zu reden), also in den späten Nach-Ludwig- Erhard Wirtschaftswunder-Jahren aufwuchs, müsse er doch eines heute mal feststellen dürfen ohne gleich in die rechte Ecke gedrängt zu werden: Bei den Nationalsozialisten herrschte Ordnung und Ruhe und mal abgesehen von den dummen Sprüchen, dass Hitler die Autobahn gebaut hat von der wir heute angeblich noch profitieren, also abgesehen davon, wären solche Exzesse und Schandtaten, wie sie täglich in allen Medien verbreitet werden, nicht möglich gewesen. Diesen Dreck wie zum Beispiel: Deutschland sucht die supermäßigen Models, die geilen Sänger, die armen Bauern suchen Frauen, die auch das Vieh lieben und diesen ganzen Scheiß! Nee, das hätte es damals alles nicht gegeben, abgesehen davon natürlich, dass es so richtig noch kein Fernsehen gab und schon gar nicht Internet und Spyware und Cyber Attacken. Und schon deshalb, würde Bernhard sein Referat dann abschließen, schon deshalb kann er nur zu äußerster Vorsicht raten! Nicht nur wegen der computergesteuerten Schaufensterpuppe, die immer mehr menschliche Züge annimmt, nein, auch wegen dem Schwager, dem japanisch-amerikanischen. Denn heutzutage kann man niemandem trauen, wer weiß weshalb der Ami plötzlich hier auftaucht und ob er nicht mit irgendwas von irgendwem beauftragt worden ist, oder noch schlimmer, ob er vielleicht „umgedreht“ ist, wie die Spionage Fachleute das nennen, und für die Chinesen oder Russen Geheimnisse rauskriegen soll an die man durch Abhören von Telefongesprächen oder dem abfangen vom E-Mails einfach nicht dran kommt.

      Trau, schau, wem, hat schon der Ur-Alt-Bundespräsident Lübke seinerzeit immer gesagt und obwohl der in seiner Amtszeit schon ziemlich Gaga, heute sagt man vornehm „dement“ war, hat er doch in manchen Dingen richtig gelegen. Damals schon. Punkt. Und nach diesem politisch/ menschlich/ weltweiten Überblick-Monolog würde Monika um des lieben Friedens willen den Mund halten, allerdings ohne damit dem Allerwelts- Geschwafel und Dampf-Geplaudere ihres Mannes zugestimmt zu haben (so viel ´Mammelie` fließt doch noch durch ihre Adern). Und in manchem hat er ja auch nicht Unrecht, versucht sie sich selbst zu überzeugen, besonders in seiner Behauptung, dass früher, viel früher …Was war das doch gleich? Schon hat sie es wieder vergessen oder verdrängt und ganz so wichtig war es auch wieder nicht denn jetzt ist etwas anderes angesagt: sie ist Gastgeberin, steht also im Mittelpunkt und das für einen ganz besonderen Auswärtsbesuch. Toleranz und Großzügigkeit sind gefordert und das wird sie liefern. Einen guten Eindruck machen und davon noch lange Zeit später profitieren. Wer weiß, wofür das alles gut ist, hat Mammelies Schwester, die alte Tante Gretl immer gesagt, ja, wer weiß? Der Regen indes will nicht aufhören und Monika hat jetzt alle Hände voll zu tun, dass das gemütliche, speziell deutsche Essen, für die ausländischen Gäste nicht buchstäblich ins Wasser fällt. Tut es nicht. Unter den Schirmen sitzend essen „I“, Onkel Henry, Bernhard, Amelie und Mick mit großem Appetit: Doppel Whopper und Chicken Mc Nuggets. Nur Crash beteiligt sich nicht an der Fressorgie und Monika behält souverän den Überblick und liefert gelegentlich nach – ganz wie sonst auch immer. Mick ist der erste, der sich kauend positiv äußert, auch wenn es nicht gerade das Lob ist, das Monika erwartet hätte „Besser kocht Mama auch nicht …“ „Halt die Klappe!“ verteidigt Amelie ihre Mutter. „Ich bin ein Schwachkopf, große schlaue Schwester, schon vergessen“ kontert Mick und beweist wieder mal, dass er immer das letzte Wort haben muss. Monika aber, unermüdlich um Harmonie und Frieden bemüht, versucht es im Scherz „Bloß keinen Streit vermeiden!“ und an „I“ gerichtet „Schmeckt’ s dir, Schatz?“ „I“ – weiterhin im Nachthemd – testet mit vollen Backen und gehörig lauten Verdauungsgeräuschen den Whopper, speichert anschließend alles ab was das Sandwich so zu bieten hat. Die Nährwerte sind im Ticker-Tape an der unteren Bildschirmkante nachzulesen: 670 kcal-Kohlehydrate 51g – Zucker 11g – Ballaststoffe 3g – Fett 50g – gesättigt 11g – trans 1,5g – Protein 28g – natrium 1020 mg – Energie aus Fett 350 kcal – Cholesterin 115 mg. „Dida dadadadidadaaa“ Und ohne zu wissen, dass „I“ gerade die Zutaten des Whoppers verinnerlicht hat flüstert Henry der Puppe ins Ohr. „Essen made in Germany! I’ve to tell about Rosl! Das muss ich meiner Rosl erzählen. Great!“ „I“ sieht ihn emotionslos aber durchaus aufmerksam an und wiederholt, was sie vorhin vom Werbe-Fernsehen gelernt hat. „Lieber lecker, lieber leichter! Ein Mayer Joghurt! Naturfrisch auf den Tisch – auch für unsere Kleinsten!“ Henry ist zwar verdutzt, knipst aber dann sein japanisches Lächeln an. Grünes Licht für die Schnurres, die lauthals loslachen. Im Ticker-Tape wird die Mahlzeit als kompatibel/ verdaulich ausgewiesen. „I“ reicht ein Stück vom Whopper an Crash weiter. Doch der Hund rümpft die Nase, ein Zeichen, dass er von diesem Fraß mehr zu verstehen scheint als die mit Appetit essenden Menschen.

      *

      Vor dem Garten, draußen auf der Straße, wird ein altes Auto ordnungsgemäß neben Schnurres VW-Bus eingeparkt. Ein weiterer Auswärtsbesuch ist eingetroffen, allerdings ohne Einladung. ´Bleifuß` Giacomo und ´Seifenhändchen` Carlito konnten dank ihrer „italienischen Beziehungen“ zur deutschen Polizei das Kennzeichen des VW-Bus mit der Werbeaufschrift ´Schnurres Modelädchen` ausfindig machen. Beide unterhalten sich in ihrer Muttersprache, zum besseren Verständnis hier aber gleich in deutscher Übersetzung. „Was hab ich dir gesagt, Amico?!“ zischt Giacomo seinem Kumpan zu und stellt Scheibenwischer und Motor ab, denn es regnet nach wie vor heftig. Carlito ist nicht der Schnellste im Kopf, wie wir schon vom Spielsalon wissen und fragt deshalb naiv „Was hast du mir gesagt?“„Ich habe dir gesagt, was mir unser Freund von der Polizei gesagt hat!“ Giacomo ist nervös und zugleich schon wieder genervt davon, dass sein Partner nie, aber auch wirklich niemals geistig auf gleicher Höhe ist wie er selbst. Weil er, der große Giacomo, italienisch selbstverständlich davon überzeugt ist ständig auf der Höhe der Zeit zu sein. Deshalb ist er ganz erstaunt, dass ihm Carlito in aller Ruhe und ohne jede südländische Aufgeregtheit antwortet. „Dass wir hier richtig sind: bei Schnurres Modelädchen“. „Molto bene, amico. Nur ein intelligenter Mafioso ist ein guter Mafioso.“ „Sagst du!“ „Sagt Don Brandolo!“ Sie nicken sich ernst und wichtig zu und verlassen das Auto. Leider regnet es immer noch, was Carlito veranlasst einen schlimmen Fluch auszustoßen, den man nicht so einfach wieder geben kann. Ins Deutsche übersetzt würde es ungefähr heißen