Bergkette das glühende Rad der Sonne unter, aber
was leuchtete dort weit, weit her über die unermeßliche
Stromtalfläche, eine rote Feuersäule? Im Sonnenscheidekuß
flammte Unser Frauen-Münsters Turmriese,
und der Jubel der Schiffer grüßte das leuchtende
ferne Ziel. Aber immer noch liegen Stunden zwischen
dem Ziele und dem Schiffe – der Tag schwindet, die
Nacht bricht an, hell und rund steht der Mond am
Abendhimmel, das Münster taucht empor, wie ein
Geisterschiff, von der Schützenmatte her dringt
dumpfer Lärm des Volksgewimmels; jetzt beginnen
auch die im Schiff zu blasen mit hellen Zinken und
Posaunen, Pfeifen und Drommeten – jetzt endlich ist
Straßburg erreicht, und am Guldenturm legt das
Schifflein an. Jubel begrüßt die nimmermüden Stromfahrer,
die das nie Dagewesene vollbracht, in einem
Tage gefahren die unendlichen Strecken, und der Brei
im Topfe noch warm, gerade noch so recht mundrecht.
Das war ein gar festliches Begrüßen, mit Musik
und Fahnen wurden die werten Zürcher Gäste auf die
Maurerstube geleitet zum herzlichen Willkommen
und frohen Mahle. Von da brachte man die Zürcher,
nachdem der Brei verzehrt war, in den güldnen Hirsch
zur Rast, und am andern Tage beim Schießen wurden
sie hoch geehrt vor allen Gästen, und der Topf blieb
aufbewahrt für ewige Zeiten.
39. Das Hündchen von Bretten
Dir geschieht wie dem Hündchen von Bretten! sagen
die Leute in der Rheinpfalz. Damit deuten sie auf ein
Wahrzeichen des Städtleins Bretten hin und bezeichnen
mit dem Spruch den Empfang des bekannten Teufelsdankes
für gehaltene Treue. Zu Bretten war ein
Mann, der hatte ein treues frommes Hündchen, das
hatte er mit Fleiß abgerichtet zu allerlei Dienst und
Kunststück, insonderheit brauchte er es zum Fleischholen.
In einem Körbchen, darin eingewickelt das
Geld lag und auf einem Zettel stand, was es bringen
sollte, holte es beim Metzger Wurst und Fleisch, rührte
davon nie einen Bissen an, so brachte es dem Metzger
viele viele Kreuzer ins Haus. Da fügte sich's, daß
der Metzger einen Gesellen bekam, der war katholisch,
der Mann aber, dem das Hündlein zugehörte,
war evangelisch und sandte es auch am Freitag zum
Metzger, daß es, wie gewohnt, sein Fleisch oder seine
Wurst hole. Solches verdroß den Metzgergesellen,
und er sagte: Warte, Ketzer, ich will dir den dir gehörigen
Schlünker schicken, nahm das Hündlein, hackte
ihm auf dem Bloch das geringelte Schwänzchen grausam
ab und legt's in den Korb. Das arme Tier faßte
den Korb, lief blutend nach Hause, stellte den Korb
vor seinen Herrn, legte sich hin, winselte, streckte alle
Viere von sich und starb.
Die St. Galler Mönche erbeten Wein
Die ganze Stadt Bretten war entrüstet über solch ungetreue
Tat, der Gesell wurde alsobald ausgewiesen
und des Hündleins Bild ohne Schwanz in Stein ge-
hauen und übers Stadttor gesetzt, darüber ein Kranz,
den Lohn der Treue anzudeuten. Dieses ist das Wahrzeichen
von Bretten, in welcher kleinen Stadt der
große Philippus Melanchthon geboren wurde.
40. Trifels
Über dem Anweiler Tale bei Landau erhob sich eine
stattliche Kaiserpfalz, Burg Trifels. Es geht die allgemeine
Sage, daß König Richard Löwenherz von England
darinnen gefangengehalten worden vom Kaiser
Heinrich. Niemand wußte, wo er hingekommen, und
war große Sehnsucht nach Richards Wiederkehr in
seinem Reiche. Nun hatte Richard einen treuen
Dienstmann, der war ein Minnesänger und verstand
sich meisterlich auf die Kunst des Gesanges und der
Töne. Der machte sich mit einer Schar redlicher Mannen
auf, seinen König allüberall zu suchen. Reichen
Schatz an Gold und Kleinodien, den das Volk geopfert,
nahmen sie mit sich zum Lösegeld. Auch König
Richard war ein Minnesänger, und Blondel, so hieß
jener treue Dienstmann, kannte und konnte des Königs
Lieder. Vor mancher Burg, darinnen er den
König gefangen glaubte, hatte Blondel schon Weisen
angestimmt, auf welche, wie er sicher voraussetzte,
der König, wenn er ihn hörte, singend antworten
mußte, aber es war still geblieben hinter den festen
Mauern. Schon war er am Donaustrom auf- und abgezogen
und hatte auch all um den Rhein gesucht und
gesungen, da vernahm er, daß in der Nähe der Stadt
Landau, allwo man dazumal des Heiligen Reiches
Kleinodien aufbewahrte, die Kaiser Friedrich auf den
Trifels selbst eine Zeitlang bringen und bewahren
ließ, auf dreien Felsenzacken gar ein großes und stattliches
Kaiserschloß stehe, und da Blondel der Meinung
war, nur in einem solchen Schloß werde der römische
Kaiser seinen König und Herrn gefangen halten,
so wandte er sich dorthin mit den Seinen, umschlich
spähend die Mauern und stimmte am Fuße der
starken und hohen Türme, in deren Tiefen und Verliesen
man gewöhnlich die Gefangenen schmachten ließ,
jene Weisen an, die nur König Richard konnte. Und –
o Freude – endlich, endlich drang aus dem Gemäuer
des Turms auf Trifels antwortender Gesang in gleicher
Weise – hoch schlug vor Freude Blondels Herz,
sein Richard, sein König war gefunden und bald darauf
auch aus seiner Haft befreit.
Vom Schlosse Dürrenstein am Donaustrome geht
die gleiche Sage, alldort zeigt man noch ein Loch im
Trümmerfelsen, darin Erzherzog Leopold von Österreich
den heldenmütigen König soll gefangengehalten
haben.