entstammte, ist ein uraltes; es leitete die Wurzeln
seiner mythischen Stammbäume tief hinab in die Zeitenfrühe,
bis zur Wurzel Jesse. Ein Dalberg soll,
nachdem Jerusalem durch Titus zerstört worden, mit
der zweiundzwanzigsten Legion römischer Krieger
nach Worms gekommen sein und dort den neuen
Stamm begründet haben, auch Hauptmann der Stadt
Worms geworden sein. Er brachte viele Juden als
Sklaven mit und verkaufte ihrer dreißig um einen Silberling
an die Stadt Worms. Im Mittelalter wurde den
Dalbergen der Ehrentitel die Kämmerer von Worms,
und sie wachten mit Ernst über ihres Geschlechts uralten
Stamm. Einst wollte eine Dalbergin hinüber
zum Stift auf Unser-Lieben-Frauen-Berge nahe bei
Worms fahren, allwo der übervortreffliche Wein
wächst, Liebfrauenmilch geheißen, der Kutscher aber
wußte nicht, wohin sie fahren wollte, und fragte sie,
da sprach sie ganz stolz: Zu meiner Muhme nach
Liebfrauen – und meinte mit der Muhme die Jungfrau
Maria. So sehr hob sich der Dalberge Geschlecht zur
Blüte, daß zu Worms nach ihnen eine Gasse ausschließlich
die Kämmerergasse hieß; auch standen unmittelbar
unter diesen Kämmerern von Worms des
Heiligen Reiches Kammerknechte, die Juden. Und
wenn die deutschen Könige und Kaiser nach ihrer
Krönung junge Edle durch den Ritterschlag erheben
wollten, so mußte jedesmal vor allen andern der Herold
ausrufen und fragen: Ist kein Dalberg da?
47. Wormser Wahrzeichen
Am westlichen Portal des uralten Domes Unserer Lieben
Frauen zu Worms ist als ein steinern Bildwerk
ein Weib mit einer Mauerkrone zu erblicken, reitend
auf einem seltsamen vierfüßigen Tiere – das wird
eines der Wahrzeichen der Stadt Worms genannt und
ist vielfach ausgedeutet worden. Manche meinen, das
Frauenbild stelle dar die Babylonierin der Apokalypse,
andere die triumphierende christliche Kirche; noch
andere meinten, es sei Brunhild, die Gemahlin des
Austrasierkönigs Siegberth, über welche, nachdem sie
bereits achtzig Jahre alt geworden, ein furchtbares
Strafgericht ihrer Herrschsucht wegen gehalten ward.
Drei Tage lang wurde Brunhild gemartert, alsdann auf
ein Kameel gesetzt und allem Volke zur Verspottung
darauf umhergeführt, endlich an eines wilden Hengstes
Schweif gebunden und dahingeschleift über Stock
und Steine. Ein anderes Wahrzeichen findet sich am
Dome außerhalb als seltsames Steingebilde, das stellt
den Teufel dar mit seiner Großmutter, und zwar sucht
das liebholde Enkelchen etwas, was man nicht gerne
nennt, vom Kopf der Großmutter zu entfernen.
Weiter zeigt sich auf freier Straße westlich vom
Dom nach St. Andreaspforte zu ein Felsstück, das
warf vom Rosengarten, einer Insel im Rhein, welche
berühmt ist durch das alte Heldenbuch, ein Recke bis
herein in die Stadt. Ohnweit davon ward eine Stange
aufbewahrt, so auch lange zu sehen, war groß wie ein
Weberbaum, war spitz und dreiundzwanzig Werkschuh
lang. Das soll, wie die Sage geht, der Weberbaum
gewesen sein, mit welchem der hörnene Siegfried
den Drachen erschlug, wie im Volksbuche zu
lesen. Eine andere Riesenstange, sechsundsechzig
Werkschuh lang, ward vordessen im Dome aufbewahrt,
auch hat man lange Jahre hindurch bis zum
großen Brande zu Worms des hörnen Siegfrieds Grab
gezeigt.
48. Die Königstochter vom Rhein
Vor grauen Zeiten soll das alte Worms auch die
Hauptstadt des burgundischen Reiches gewesen sein.
Ein Zigeunerweib stahl aus der Insel des Rosengarten
eine Königstochter in einem kleinen Badewännlein
und trug sie über den Rhein. Niemand wußte, wo das
Kind hingekommen. Sein Vater grämte sich zu Tode,
und seine Mutter starb fast vor Herzeleid. Achtzehn
Jahre gingen darüber hin, da ritt der Königssohn
durch einen Wald, fand dort ein Wirtshaus und kehrte
ein; den Wein, den er begehrte, brachte ihm eine
schöne Jungfrau, die ihm über alle Maßen wohlgefiel.
Da er nun eines Fußbades begehrte, so rüstete ihm
das die Maid mit frischen grünen Kräutern und brachte
es in einem Badewännlein dargetragen. Die Wirtin
aber war ein häßliches, altes, braunes Weib, die gab
der Maid böse Rede und sagte dem jungen Rittersmann,
den sie nicht kannte, daß jene nur ein Findelkind
sei, vor langen Jahren von ihr angenommen und
auferzogen zu einer Dienstmagd. Wie aber der Königssohn
sich das Badewännlein ansah, gewahrte er
mit Staunen daran das burgundische Wappenschild
und dachte bei sich selbst: Wie kommt dieses Wännelein
mit dem Wappen meines Stammes in dieses
schlechte Wirtshaus? Und da fiel ihm bei, gehört zu
haben, daß vor langen Jahren sein Schwesterlein zusamt
dem Wännchen, in dem es gebadet worden, aus
dem Rosengarten verschwunden sei, und daß seine
Mutter ihm oft erzählt, das Schwesterlein habe ein
Malzeichen am Halse gehabt, und dasselbe Zeichen
entdeckte nun alsobald der Königssohn am Halse der
Dienerin. Da grüßte und umfing er sie als seine liebe
Schwester, und als die Wirtin hereintrat, fragte er
diese, von wem und von wannen sie diese edle Jungfrau
habe. Die Wirtin erschrak gar sehr, zitterte und
erbleichte und fiel auf die Kniee. Sie hatte, da die
Wärterin nur auf eine kurze Zeit sich entfernt, Kind
und Wännlein davongetragen und war eilend in einem
Kahn über den Rhein hinübergefahren.
Da zog der Königssohn sein Schwert, das war sehr
spitz und scharf, und stach die böse Wirtin damit in
das