Roß und ritt gen Worms zu seiner Frau Mutter. Die
Königin wunderte sich baß, als sie das Paar so seltsam
daherreiten sah, und fragte ihren Sohn: Welch
eine Dirne bringst du uns daher? Sie führt ja ein Wännelein
mit sich, als wenn sie mit einem Kinde ginge. –
Frau Mutter, ich bringe keine Dirne, sondern Euer
verlorenes Kind, mein lieb Schwesterlein, samt dem
Wännelein, darin es Euch geraubt ward vor achtzehn
Jahren! – Bei dieser Rede fiel die Königin vor Freude
in Ohnmacht, und als sie wieder in den Armen ihrer
Kinder erwacht war, priesen alle drei den Herrn.
49. Schwedensäule bei Oppenheim
Am Rheinufer im Ried ohnweit Oppenheim steht oder
stand über Steinstufen eine hohe Säule auf vier Kugeln,
die das Postament trägt, ruhend, in Form eines
Obelisken. Auf der Spitze trug sie den sitzenden
schwedischen Wappenlöwen mit behelmtem und gekröntem
Haupt, in den Vordertatzen Schwert und
Reichsapfel haltend. Es geschah, daß König Gustav
Adolf von Frankfurt über Darmstadt längs der Bergstraße
dem Rheine zufuhr und mit vier Getreuen in
einem Nachen von Rockstadt aus den Rhein befuhr,
die Gegend zu untersuchen, doch mußten diese
Schweden sich bald vor den um Oppenheim verschanzten
Spaniern zurückziehen. Dann aber ließ der
kühne Schwedenkönig in den Dörfern am rechten
Rheinufer die Scheunentore ausheben und sein Volk
statt auf Flößen auf diesen Scheunentoren überschiffen,
griff die Schanzen an und nahm Oppenheim mit
Sturm. Zum Gedächtnis dieses Sieges ließ König Gustav
Adolf diese Säule mit dem Löwenbilde aufrichten.
Nun trug sich's zu, daß hernach, als der tapfere
Schwedenheld bei Lützen gefallen war, wieder Kaiserliche
diese Gegend besetzten. Da unternahm es ein
kaiserlicher Offizier nicht ohne Gefahr, den hohen
Obelisk zu erklettern, um das Schwert dem Löwen
aus der Tatze zu nehmen, dann später dasselbe als ein
Siegeszeichen dem Kaiser Ferdinand II. darzubringen,
großer Belohnung, vielleicht einer güldnen Kette sich
verheißend. Aber der Kaiser wurde überaus zornig
über dieses Geschenk und sagte zu dem Offizier: Wie
konnte Er sich unterfangen, eines so großen und tapfern
Helden Denkmal zu berauben und zu verunehren?
Ihm gebührt eigentlich ein Strick um den Hals,
als einem Räuber. – Und hat der schwedische Löwe
sein Schwert hernachmals wieder erhalten, auch ist
die Schwedensäule späterhin, als sie den Wogen des
Rheins und dem Eisgange allzu nahe und zu gefährlich
stand, abgebrochen und besser landeinwärts gesetzt
worden.
Kapitel 4
50. Siegenheim
Nahe der Stadt Mannheim und an der Straße von da
nach Heidelberg liegt das Dorf Seckenheim, früher
Siegenheim, so genannt von einem großen Siege, den
Pfalzgraf Friedrich I., Kurfürst, genannt der Sieghafte,
im Jahr des Herrn 1462 in Siegenheims Gefild erfochten.
Damals ward ein steinern Kreuz auf der Walstatt
erhöhet, mit einer Gedenkschrift, welche Kurfürst
Friedrichs Sieg gegen den Bischof Georg zu Metz,
gegen den Markgrafen Karl von Baden und gegen
Graf Ulrich von Württemberg erfocht, da gewann der
junge mutige Sieger alle seine Gegner, den Markgrafen
Karl von Baden, den Herzog Ulrich von Württemberg,
den Bischof Georg von Metz und nicht minder
als zweihundertundvierzig Grafen und Herren nebst
noch einer großen Schar reisigen Volkes zu Gefangenen,
ohne das Volk, welches erschlagen ward und die
blutige Walstatt deckte. Da konnte man wohl vom
Siege reden. Alle Gefangenen ließ der Pfalzgraf gen
Heidelberg führen und mit den Fahnen, die er den
Feinden abgenommen, die Heilige-Geistkirche daselbst
ausschmücken. Die gefangenen Fürsten wurden
indes standesgemäß behandelt und ehrlich gehalten,
und des Abends rüstete man ihnen eine stattliche
Mahlzeit, da gab es Wild und Fisch und Beiessen und
Wein im Überfluß, und nichts mangelte, bis auf eines.
Und der Kurfürst trat zu den Gefangenen und munterte
sie auf, doch zuzulangen und wacker zu essen, es
werde ihnen doch schmecken nach so heißem Tage.
Aber sie aßen nicht, und einer sprach: Gnädigster
Herr Kurfürst: es mangelt uns an Brot. – Ha so! gegenredete
der Kurfürst, das tut mir leid, da ergehet es
euch gerade wie meinen Untertanen, denen ihr und
euer Volk alle Brotfrucht geraubt und verbrannt habt
und nicht einmal der Früchte auf dem Felde verschont.
Wo soll dann Brot herkommen?
Mit großen Summen mußten die Gefangenen sich
lösen und dachten all ihr Lebetag an den Tag bei Siegenheim
und an das Gastmahl zu Heidelberg.
51. Jettenbühel und Königsstuhl
Nahe bei Heidelberg liegt ein Hügel, heißt der Jettenbühel,
ist ein Teil vom Geißberg, nicht weit vom Königsstuhl,
der sich hoch über Stadt und Tal erhebt.
Man soll vom Gipfel dieses Berges, des Königsstuhl,
den ganzen Rheinstrom abwärts bis nach Köln sehen
können. Auf dem Königsstuhl habe schon vor Christi
Geburt ein deutscher König regiert, und seine Burg
habe Esterburg geheißen. Auf dem Jettenbühel aber
habe das alte Heidelberger Schloß gestanden. In einer
uralten Kapelle wohnte ein altes Weib, Jetta geheißen,
und war eine Wahrsagerin, die sich vor wenig
Menschen sehen ließ. Denen, welche kamen, ihre Zukunft
von ihr zu erfahren, erteilte sie die Antwort aus
dem offenen Fenster. Sie verkündigte, ihr Hügel