Man kann hören wie sich Schritte nähern, der Schlüssel wird in das Schloss geschoben und mit einem knarzenden Geräusch öffnet sich die Türe. Das Mädchen schreckt zusammen,…
Der Schaffner fordert die Reisenden an der Grenze zwischen Belgien und Frankreich erneut auf, den Zug mit dem Handgepäck zu verlassen und zum Zollhäuschen zu gehen. Pastor Koch schleppt wiederum seine Provianttasche mit sich und Albert ist gespannt, ob dieser nun diesmal kontrolliert wird. Es sind sechs Warteschlangen, an denen man sich anstellen kann. Nachdem sich Albert angestellt hat und Isabell mit Fräulein Sophie hinter ihm, stellt sich der Pastor in eine der anderen Reihen an. Der wird wohl auf uns Rücksicht nehmen wollen, um uns nicht zu kompromittieren, wenn er seine Tasche öffnen muss, das ist aber anständig von ihm, denkt sich Albert noch. Da die Schlange des Pastors schneller abgefertigt wird, sieht Albert, wie der Pastor nun an die Reihe kommt. Nach dem der Beamte fragt, ob der Pastor etwas zu verzollen hätte, verneint er dies. Jetzt ist er fällig, jetzt wird er erwischt! Aber nein, der Zollbeamte markiert ohne hineinzuschauen die Tasche des Pastors und wünscht ihm noch einen schönen Tag.
Nachdem alle anderen auch abgefertigt wurden, eilt Albert zum Pastor in den Warteraum und fragt: „Wie haben Sie das gemacht? Haben Sie den Beamten bestochen oder verhext?“ „Aber nicht doch, ich sagte Ihnen doch, dass ich noch nie meine Taschen öffnen musste. Der Herr ist eben mit mir.“ Albert schaut den Pastor ungläubig an. Da nimmt der Pastor ihn beiseite und erklärt: „Ich muss zugeben Herr de Menier, es ist nicht nur Gottvertrauen alleine, manchmal muss man dem Herrn helfen, dass er uns helfen kann. Ist Ihnen etwas aufgefallen, als wir die Zollstation betraten?“ „Nichts Besonderes, da waren die Schalter mit den Zollbeamten in ihren Uniformen, der Lange Tisch auf dem man sein Handgepäck präsentiert, Fahrgäste, die teilweise verärgert über den ganzen Aufwand waren und in den Schlangen standen, sonst nichts.“
„Aha, sonst nichts? Wie sind Sie nur Kommissar geworden?“ stichelt er den jungen Polizisten an. „Es standen 6 Zollbeamten hinter dem Tresen, davon waren zwei noch ganz jung, die sich keinen Fehler erlauben dürfen und deswegen alles peinlich genau und akribisch durchsuchen. Die 4 anderen waren verheiratet und schon etwas älter, die nehmen es nicht mehr so genau, da sie schon zu lange dabei sind. Schließlich habe ich mich für die eine Reihe entschlossen, da dieser Beamte auch noch ein Kreuz um den Hals trug, da wusste ich, dieser wird einen Mann Gottes nicht durchsuchen.“ Jetzt ist Albert aber baff, hat er den Pastor so unterschätzt? „Donnerwetter, Sie sind ja mit allen Wassern gewaschen, wo haben Sie denn das gelernt?“ „Als Pastor braucht man eben gute Menschenkenntnis und wenn man die Welt bereist, kommt man ohne diese Fähigkeit leicht unter die Räder.“ Albert ist immer noch etwas über den guten Herrn Pastor überrascht, oder sogar schockiert. Aber was soll`s, jetzt geht’s erstmal wieder in den Zug und auf die letzte Etappe der Reise. Paris wir kommen!
Jetzt nach der Landesgrenze und kurz vor der Stadtgrenze steigt die Nervosität des jungen Kommissars, wie wird er an seiner neuen Arbeitsstätte aufgenommen? Wie ist seine Unterkunft? Wird alles so, wie er es sich vorgestellt hat, oder verwünscht er diese Stadt in kürzester Zeit?
Sophie ist die erste die den Eiffelturm in der Ferne entdeckt und macht alle auf ihn aufmerksam.
In Kürze wird der Zug im „Gare du Nord“ eintreffen, da wird sich diese illustre Gruppe wieder trennen, Albert hofft zumindest, dass es kein Abschied für immer wird.
Der Zug wird schon langsamer, als er ins Stadtgebiet einfährt und beim Erreichen des Bahnhofes steigen nun alle aus. Pastor Koch marschiert voraus zum Ausgang, ohne sein Gepäck abzuholen. Die anderen begeben sich währenddessen zum Warteraum des Zolls, um ihr Gepäck, welches in Berlin aufgegeben wurde, in Empfang zu nehmen. Allerdings dauert es nicht lange und der gute Pastor steht wieder bei den anderen. „Wo sind Sie denn abgeblieben?“, fragt Albert. „Haben Sie das nicht in ihren Reiseführern gelesen? Man soll sich gleich eine Kutsche reservieren, wenn der Zug ankommt, und nicht erst warten, bis man sein Gepäck bekommt. Man muss dem Kutscher nur nach seiner Nummer fragen und schon hat man diese reserviert. Aber keine Angst, Sie müssen nicht mit dem Bus fahren, ich habe gleich eine große Kutsche reserviert, da können Sie und die beiden Damen gerne mitfahren, wir haben ja alle den ähnlichen Weg.“ Das ist aber nett vom Pastor, aber bevor Albert sich bedanken kann, öffnen sich die Türen und jeder muss sein Gepäck selber aus den Haufen heraussuchen, mit dem man doch tatsächlich wieder durch den Zoll muss. Diesmal braucht der Pastor keine Angst wegen seiner Tasche zu haben, da das Handgepäck nicht mehr kontrolliert wird, das geschah ja schon an der Landesgrenze – ach, ist das Reisen kompliziert!
Unter der Führung des Herrn Pastors geht es zur Kutsche, wobei Isabell und Sophie sich zwei Kofferträger leisten. Die armen Kofferträger, was Frauen immer mitnehmen müssen, wenn sie reisen. Sie haben sicherlich dreimal so viel wie die Herren dabei und Albert bleibt schließlich ein halbes Jahr!
Die größere Herausforderung hatte der Kutscher. Er musste sogar den Strapontin – den ausklappbaren Rücksitz - verwenden, um alles zu verstauen und nichts zu vergessen. Dennoch haben sogar die Reisenden in der Kutsche noch Platz gefunden. Die einen würden es als zu eng bezeichnen und andere wiederum, einfach nur gemütlich, natürlich sind die armen Pferde zu bedauern.
Die Fahrt führt über die Rue de Lafayette, Boulevard Italiens, weiter über die Oper in die Avenue de L`Opéra zur Rue de Rivoli, wo die Herren sich von den beiden Damen mit einem baldigen Wiedersehen verabschieden. Anschließend geht es über die Rue de Rivoli, den Place de la Concorde, der Champs Elysees zur Avenue D`Antin, in der sich Albert verabschiedet und dem Pastor eine gute Fahrt wünscht, die allerdings schon in der nächsten Parallelstraße endet.
„Mon dieu! Wieso ich! Wieso hat es ausgerechnet mich getroffen! Habe ich so etwas Schlimmes angestellt, dass mich das Leben so straft? Ich bin zwar kein Kind der Unschuld, aber das Schicksal treibt ein böses Spiel mit mir. Mama sagte damals – lern die Sprache des Feindes, das wird dich einmal weit bringen – Pustekuchen. Jetzt habe ich den Ärger, meine Kollegen ziehen mich ständig auf, nicht dass ich sowieso schon der Depp bin. Jetzt darf ich den Babysitter für diesen Crouton aus Deutschland spielen, der wahrscheinlich kein Wort unserer schönen Sprache spricht. Ich darf ihn wohl den ganzen Tag begleiten und jedes einzelne Wort übersetzen. Ausgerechnet jetzt, wo wir eh schon so viel zu tun haben, die Kriminalität ist in den letzten Wochen in Paris enorm angestiegen. Hat die Weltausstellung erst einmal begonnen, wird man gar nicht mehr Herr der Lage werden.“ „Ach Jean, reg dich nicht so auf, sei doch froh, während sich die anderen alle mit den Verbrechern herum ärgern, darfst du mit dem deutschen Kommissar eine ruhige Kugel schieben. Da mal einen kleinen Betrug aufnehmen, dort mal den Fifi einer feinen Dame suchen – also alles überhaupt kein Stress. Da kannst du auch mal auf deine große Schwester hören, mach einfach das Beste daraus, da kannst du vielleicht Beziehungen aufbauen, die dir später mal helfen werden. Vielleicht winkt dir danach noch der Titel eines Inspecteur divisionnaire.“ „Ja ja Marie, du glaubst doch nicht, dass man für das Auffinden eines Schoßhündchens befördert wird? Man wird befördert, wenn man einen spektakulären Mord oder Spionagefall aufklärt!“ „Das glaubst aber auch nur du. Wenn es das richtige ist, kann ein Schoßhündchen, einem Tür und Tor öffnen, die Dankbarkeit einer Dame ist nicht zu unterschätzen. Also merk dir, nicht der Commissaire de polis legt fest wer befördert wird, sondern zu 70 % seine Frau. Auch wenn ihr Männer glaubt, ihr hättet das sagen, wenn ihr erst mal verheiratet seid, macht ihr das, was die Ehefrau euch sagt. Wenn du Glück hast, findest du auch irgendwann eine, die dir sagt wo es lang geht, dann muss ich das nicht immer machen!“ „Jetzt hör aber auf,