„Doppelter Sahneglasur? Willst du etwa sagen ich bin fett?“ Marie schaut ihren Bruder bestürzt mit feuchten Augen an und Jean ist auf einmal ganz klein und versucht zu retten was zu retten ist: „Nein, nein, natürlich nicht! Du weißt doch wie gerne ich Sahne mag, das ist doch das, was ich an dir Liebe, du bist doch mein allerliebstes Schwesterherz. Du wirst einen Mann mal sehr glücklich machen, ich wollte doch nur sagen, dass in dir nur das Beste steckt, bitte glaub mir, ich wollte dich nicht beleidigen. Wie kann ich das wieder gut machen? Wenn du wieder lieb zu mir bist, gehe ich auch mit dir in die Oper, und du weißt, was für ein Opfer das für mich ist.“
Maries Schluchzen verwandelt sich schlagartig in ein breites Grinsen und sie antwortet mit ruhigen, gelassenen Ton: „Siehst du, so musst du dir das vorstellen, wie das von statten geht, wenn die Frau des Commissaire de polis ihren Mann manipuliert und ihm sagt, wen er befördern soll, nachdem du ihren Fifi gerettet hast. Übrigens glaub bloß nicht, dass du dich vor der Oper drücken kannst, du hast es mir gerade versprochen.“ Verdutzt schaut Jean ungläubig seine große Schwester an. „Das ist gemein, erst dieses Theater, dass du böse auf mich bist und dann muss ich noch in die Oper? Hast du mich den gar nicht mehr lieb? Wer hat dir denn beigebracht so unausstehlich zu sein?“ „Was heißt hier unausstehlich? Sei doch froh, dass dir jemand zeigt, wie es im Leben läuft, da kommst du mit deiner Tortenphilosophie nicht sehr weit. Plan mal deine Zukunft und finde eine nette Frau, die dir ein paar liebe Kinder schenkt, aber komm nicht wieder mit so komischen Damen an, wie du sie die ganze Zeit schon anschleppst. Ich merk mir schon gar nicht mehr ihre Namen.“ „Du hast gut reden, als meine ältere Schwester bist du doch erst mal an der Reihe, und glaub mir, ich gebe dir nicht bei dem Erstbesten meinen Segen.“ „Wie soll ich denn einen netten Mann kennenlernen, ich bin doch den ganzen Tag in den „Les Halles“ arbeiten, da kommen immer wieder die gleichen dummen Filous vorbei, die ich nicht mal mit der Feuerzange anpacken würde. Ach wie gerne wäre ich zum Theater gegangen, ich hätte abends meine Vorstellungen und die Männerwelt würde mir zu Füßen liegen, so wie der großen Sarah Bernard. Aber nein, ich musste ja das Erbe unserer Mutter antreten und Fische verkaufen, den Gestank bekommt man auch nach 2-3 maligen Waschen nicht weg. Ich weiß, ich sollte glücklich über den Arbeitsplatz in den Hallen sein, aber hätte ich nicht einen Gemüsestand betreuen können?“ „Nach dem Auftritt von gerade eben, glaube ich gern, dass du es im Theater zu was gebracht hättest. Aber siehst du, man muss eben damit zufrieden sein, was das Leben einem bietet, also muss ich mich mit diesem deutschen Beamten rumärgern. Wahrscheinlich ist es so ein preußischer Bürokrat, der alles peinlichst genau nimmt. Ich sehe ihn schon vor mir – ein kleiner untersetzter kahlköpfiger Typ, der seinen Bierbauch vor sich herschiebt und schon nach ein paar Schritten aus der Puste ist. Zum Glück gibt es auf der Ausstellung Rollstühle zu mieten.“ „Was soll das heißen, man muss mit dem zufrieden sein, was das Leben einem bietet, mit der Einstellung wirst du immer ein kleiner Kommissar bleiben.“
„Zugegeben, vielleicht hast du auch in gewisser Weise recht, aber ich muss mich trotzdem um diesen Deutschen kümmern, auch wenn ich nicht die geringste Lust dazu habe. Heute Mittag kommt er am Gare du Nord an und ich soll ihn dann in der Avenue d`Antin in Empfang nehmen. Wenigstens kann ich ein paar Spesen abrechnen. Der Deutsche wird wohl im Geld schwimmen, wenn er in so einer feinen Straße absteigt. Ich werde mir auf jeden Fall eine Droschke spendieren, ich habe keine Lust mich jetzt noch in den Bus zu quetschen – der Chef darf dann bezahlen!“ Nachdem sich Jean von seiner Schwester verabschiedet hat, macht er sich auf den Weg.
Als er sich der Adresse nähert, an der er den deutschen Beamten erwartet, sieht er schon von weiten den Gesuchten am Straßenrand stehen, der seine Vorstellungen sogar noch übertrifft. Nicht nur dass er klein, untersetzt, Mitte 50 ist und sonstige Klischees bedient, die sich Jean vorgestellt hat. Vor allem fällt seine Kleidung dermaßen auf, dass er am liebsten kehrt gemacht hätte. Eine schöne Lederhose mit Hosenträgern, ein komischer Hut und weiße Kniestrümpfe – mon dieu.
Jean reißt sich zusammen, geht auf ihn zu und will ihn gleich testen. Er spricht ihn auf Französisch an, wobei er dabei auch noch höflich salutiert. „Bonjour, sind Sie der deutsche Kommissar, der für die Ausstellung abkommandiert wurde?“ Der Mann schaut ihn verdutzt an und fragt zurück: „Wos host gsagt?“ Jean rollt mit seinen Augen, als hätte er es nicht gewusst, nicht nur dass er kein Französisch kann, sondern der Dialekt ist so schlimm, dass er sich fragt, ob das überhaupt Deutsch ist. Also fragt er ihn nochmal auf Deutsch, aber so langsam, dass es jeder verstehen müsste: „Sind – Sie – der – deutsche – Kommissar –für – die - Weltausstellung?“ „Bist deppert? I watt auf mei Frah!“ kam eine forsche kurze Antwort zurück.
Anscheinend ist er nicht der gesuchte Kommissar, auch wenn Jean nicht verstanden hat, was der andere geantwortet hat! Glück gehabt, das war der Falsche, wie hätte das funktionieren sollen, wenn er den Deutschen nicht verstehen würde? Am Ende steht er noch dumm da, weil seine Kollegen denken würden, er könnte gar kein Deutsch, obwohl er immer damit angegeben hatte. Er entschuldigt sich noch bei dem armen Mann am Straßenrand und begibt sich zum Haus der genannten Adresse.
Jean läutet bei der Concierge, die mit ziehen an einem Draht die Türe öffnet. Jean begibt sich zur Pförtnerloge, die es nur in den feineren Häusern gibt und fragt gleich nach dem deutschen Gast: „Bonjour Madame, mein Name ist Jean Roussou von der Pariser Polizei, ist hier heute Mittag ein Deutscher abgestiegen?“ dabei zeigt er noch seine Dienstmarke, um sich auszuweisen. „Non, Non Monsieur, es ist kein Deutscher hier im Haus, wir sind hier ein anständiges Haus, hier kommt so schnell kein Deutscher rein. Wäre noch schöner, einen Deutschen zu beherbergen, da müsste ich das Bettzeug verbrennen, wenn der wieder geht, am besten sogar das ganze Bett. Non, Non, Monsieur, hier wohnen nur anständige Leute“, antwortet die Concierge aufgeregt, die offensichtlich keine Sympathie für Leute aus Deutschland zu haben scheint, wohl ein Überbleibsel vom Krieg vor ca. 30 Jahren.
„Sie missverstehen mich Madame, ich bin auf der Suche nach einem deutschen Kommissar, der hier ein Apartment haben soll.“ „Ein Kommissar? Hier bei uns? Aus Deutschland? Was bezahlen die dem, dass er sich unser Haus leisten kann? Aber was soll`s, wie ich Ihnen schon gesagt habe, wohnt hier kein Deutscher. Nach der Namensliste, die ich bekommen habe, sind heute ein englischer Gentleman namens John Butterfield, ein Landsmann Namens Albert de Menier und eine feine russische Dame abgestiegen – also kein deutscher Inspekteur! Heute wird auch sonst keiner mehr erwartet.“ „Merde, da haben mir die Idioten auf der Wache die falsche Adresse mitgeteilt.“ Mit lauten Flüchen verlässt Jean das Gebäude wütend und genervt.
Das fängt gut an, erst dieses Geschrei unten am Eingang, was man eher in einer Absteige erwarten würde und dann sollte ich eigentlich bereits vor einer Stunde von einem französischen Kollegen abgeholt werden. Wenn der mich schon am ersten Tag versetzt, kann ich mich auf etwas gefasst machen. Wenn ich jetzt gehe und er kommt doch noch, sieht es schlecht für mich aus, aber ich bin jetzt schließlich in Paris und da sollte ich keine Zeit verlieren. Nichts desto trotz, ist die Wohnung hier schon unglaublich, es gibt sogar eine Toilette innen drin, da muss man nicht raus auf den Flur oder in einen Hinterhof. Wenn ich jetzt noch einen Bediensteten hätte, wäre das hier perfekt, aber so muss ich eben alles selber machen. Nachdem Albert alles resümiert hat, macht er sich dann doch auf den Weg zum deutschen Konsulat.
Sein erstes Abenteuer wird eine Fahrt mit dem Pariser Omnibus sein. Albert begibt sich bei der nächsten Station zum Bureau d` Omnibus und zieht eine Nummer. Diese Nummer ist die Reihenfolge in der die Fahrgäste zusteigen dürfen. Ist der Omnibus voll steht am Bus „complète“