Und drinnen sah ich etwas anderes.
Eine schwarze Katze, die durch die Tür zu meinen Räumen kam und mich verrucht anblinzelte.
Und ich erinnerte mich an den Pfad durch den Sumpf, den ich gegangen war, an die Spuren im Schlamm, an den Schlamm an meinen Schuhen. Ich erinnerte mich an die Schramme an meinem Handgelenk und an das Schwarze Buch, in das ich meinen Namen geschrieben hatte. Genau wie Asaph Peabody den seinen hineingeschrieben hatte.
Ich wandte mich zu der Stelle, wo die Katze im Schatten lauerte, und rief sie sanft: »Balor!«
Sie kam und setzte sich mitten in der Tür auf die Hinterbeine.
Ich nahm meinen Revolver aus der Schublade meines Schreibtisches, zielte und schoss auf sie.
Sie fuhr fort, mich anzuschauen. Nicht einmal ein Schnauzhaar zuckte.
Balor. Einer der kleineren Teufel.
Das war also das Peabody-Erbe. Das Haus, das Land, die Wälder - sie waren nur die oberflächlichen materiellen Erscheinungsformen der außerdimensionalen Winkel des Geheimzimmers, des Pfades durch den Sumpf zum Versammlungsort der Hexen, der Unterschriften im Schwarzen Buch...
Wer, so frage ich mich, wird mich nach meinem Tode umdrehen, wenn ich so beigesetzt werde wie die anderen?
W. B. Seabrook: DIE RACHE DER HEXE
Der Streit zwischen Mère Tirelou und meinem jungen Bekannten Philippe beruhte auf der Tatsache, dass er sich in Maguelonne, die Enkelin der alten Frau, verhebt hatte.
Obwohl Maguelonne bereits neunzehn und mit Abstand das hübscheste Mädchen des Dorfes war, hatte sie keine Bewerber unter den Jünglingen des Ortes gehabt, denn die einheimischen Bauern von Les Baux, dieses rauen Bergfleckens in Südfrankreich, das ich seit Jahren in unregelmäßigen Abständen besucht hatte, waren vom Aberglauben durchtränkt und glaubten, die alte Mère Tirelou sei eine sorcière, eine Hexe.
Maguelonne, im Krieg verwaist, wohnte allein mit der alten Frau in einem alten, aus herabgestürzten Steinen erbauten mas, das, abseits des eigentlichen Dorfes, unter den Ruinen der lehnsherrlichen Burg dicht darüber lag, und der Klatsch wollte, dass Mère Tirelou das Mädchen, mit oder gegen dessen Willen, in ihre dunklen Machenschaften hineingezogen hatte. Sie wurden nicht verfolgt oder gehasst - die Bauern und Hirten von Les Baux und den umliegenden Bergen konsultierten Mère Tirelou sogar in bestimmten Notfällen -, doch mit Ausnahme dieser besonderen Konsultationen, die gewöhnlich mit einem Kaninchen, einem Krug Wein oder Öl bezahlt wurden, mied man die Alte und ihre Enkelin und »Gehilfin«, wenn sie das wirklich war, allgemein, wenn man sie nicht gar unverhohlen fürchtete.
Philippe jedoch, der sich jetzt als Angehöriger der großen Welt fühlte - er hatte eine Ingenieurschule in Marseille besucht und arbeitete nun in einer Flugzeugfabrik bei Toulon - betrachtete all diesen lokalen Aberglauben als dummes Zeug und Unsinn. Er war mit seinem Motorrad aus Toulon gekommen, um die Ferien hier zu verbringen. Wir hatten uns im vorangegangenen Sommer in Les Baux kennengelernt. Er und ich wohnten nun im selben kleinen Hotel, dem Hotel René, das am Rand des steilen Abhangs lag und von Philippes Tante, Madame Plomb, und ihrem Mann Martin geführt wurde. Und Philippe hatte sich, wie ich schon sagte, in Maguelonne verhebt.
So sah die Lage, kurz Umrissen, aus, als die seltsame Kette der Ereignisse begann, in die ich zunächst nur als zufälliger Zeuge, zuletzt aber als aktiver Teilnehmer verwickelt war.
Sie begann an einem heißen Nachmittag, als ich in meinem Zimmer lag und las. Mein Raum hatte zwei Außenwände mit Fenstern, von denen aus man das Tal überblickte, und einem Seitenfenster unmittelbar über dem Tor in der mittelalterlichen Befestigungsmauer, durch das sich die Straße in Serpentinen nach unten wand.
Dicht unter diesem Fenster hörte und erkannte ich ganz plötzlich die nörgelnde und krächzende Stimme von Mère Tirelou, die zornig lauter wurde, und Philippes Organ, das halb liebenswürdig, halb spöttisch antwortete.
Es war Zufall und kein Lauschen, unmöglich, sie zu überhören, und dann, nach einigen gemurmelten Äußerungen, hob die alte Frau wieder ihre Stimme, doch diesmal mit einem so eigenartigen, unnatürlichen Tonfall, dass ich aufstand, um zu sehen, was los war.
Sie standen in der Sonne genau unter dem Fenster, er groß, blond, das Haar zerzaust, barhäuptig, in Knickerbockern und Sporthemd; sie grau, gebeugt und wie ein Habicht - nein, eher wie eine Fledermaus, mit ihrer Arlesienne-coiffe und dem Umhang, die Arme ausgebreitet, um ihm den Weg zu versperren. Und sie stimmte einen unheimlichen Singsang aus Knüttelversen an, wobei sie mit ihren krallenhaften Händen in der Luft umherfuhr:
So fall, so fall, mein hübscher Jüngling,
Doch aufstehn wirst du nimmermehr.
Es windet sich der verstrickte Fuß,
Es folgt ihm das verstrickte Hirn.
So wirst du fallen, mein hübscher Knab’,
Doch aufstehn wirst du nimmermehr.
Verstricke dich und winde dich,
Netz und Schlingen sind gewoben.
Sie versperrte Philippe nun nicht mehr den Weg, sondern trat zur Seite und forderte ihn auf, vorbeizugehen, so dass ihr Rücken mir zugewandt war, während Philippe so dastand, dass ich sein Gesicht und den darüber huschenden Ausdruck sehen konnte - zuerst interessierte, ungläubige, überraschte Aufmerksamkeit, als könne er den eigenen Ohren nicht trauen, dann ein gutgelauntes, aber spöttisches und keckes Grinsen, während die alte Frau ihre Knüttelverse wiederholte.
»Nein, nein, Mère Tirelou«, sagte er lachend, »mit diesem Zeug kannst du mir keine Angst machen. Hol lieber einen Besenstiel, wenn du mich vertreiben willst. Spar dir deine Netze und Zaubersprüche für Bleo und die Hirten auf.«
So war er mit einem kecken und fröhlichen Gruß und einem au revoir auch schon pfeifend die Straße hinab, während die alte Frau hinter ihm her schrie: »So fall, so fall, so wirst du fallen, doch nicht aufstehn, mein hübscher Junge; nicht aufstehn, nicht aufstehn, nicht aufstehn!«
Ich sah zu, wie Philippe die gewundene Straße ins Tal hinabschritt, während Mère Tirelou, sich über die Brüstung lehnend, ebenfalls zusah, bis er weit unten nur noch ganz winzig zu erblicken war und hinter der Mauer des Obstgartens verschwand, der die Straße am Pavillon der Königin Jeanne säumt. Dann nahm sie ihren Stock auf, rief Bleo, ihren Hund, und humpelte durch das Tor.
»Also«, dachte ich, »glaubt die alte Frau tatsächlich, dass sie eine Hexe-ist, und denkt sicher, sie hätte Philippe mit einem wirksamen Bann belegt!«
Aber es fiel mir nicht ein, mich auch nur im Geringsten beunruhigen zu lassen. Ich hatte recht umfangreiche theoretische Kenntnisse über Hexerei, oder glaubte sie zu haben. Ich glaubte, sie laufe letzten Endes nur auf Suggestion und Autosuggestion hinaus. Ich hatte erlebt, dass sie zu konkreten Ergebnissen führte, aber nur in Fällen, in denen das Opfer selbst (meist ein Angehöriger primitiver oder unzivilisierter Volksgruppen) zutiefst abergläubisch und infolgedessen furchtsamen Regungen zugänglich war. Ich war absolut sicher, dass völliger, hartnäckiger, skeptischer Unglaube, Verachtung und Lachen einen stärkeren Gegenzauber bildeten als jede Menge von Exorzismen und heiligem Wasser, und deshalb kam es mir nicht einen einzigen Augenblick in den Sinn, Philippe könnte in der kleinsten Gefahr schweben.
Mit dieser Überzeugung und die gesunde Wiederkehr von Philippe deshalb als sichere Schlussfolgerung vorwegnehmend, dachte ich an jenem Nachmittag kaum noch an die Angelegenheit; las zu Ende, aß früh zu Abend, spazierte zur Spitze des Abhangs, um den Sonnenuntergang zu sehen, und ging früh zu Bett.
Gewöhnlich Hegt das ganze Dorf Les Baux einschließlich des Hotel René kurz nach zehn Uhr in tiefem Schlaf und ist still wie ein Grab. Es war das Geräusch hastiger Schritte, die auf den Steinplatten des Hotelflurs tappten, das mich spät in der Nacht weckte, doch gleichzeitig hörte ich leise Stimmen auf der Straße unter meinem Fenster, sah Lichter blitzen, hörte Stiefel auf dem Straßenpflaster klappern.
Ich