»Oh, oh, oh!«, schluchzte sie; dann fasste sie Mut und sagte: »Ja, ich werde es tun, und wenn meine Großmutter mich tötet. Aber Sie müssen etwas finden, um das Schloss aufzubrechen, denn sie hat den Schlüssel immer bei sich.«
Sie führte mich in die Küche, die hinten war, fast unmittelbar unter den Mauern der alten Burgruine in den Felsen gebaut. Während sie eine Lampe anzündete, entdeckte ich ein kleines Beil.
»Es geht hier durch«, sagte sie und zeigte auf eine Abstellnische, deren Öffnung von einem Vorhang verdeckt wurde.
An der Rückseite der Nische, verborgen durch einige alte, an Nägeln aufgehängte Kleidungsstücke, war eine verschlossene kleine Tür. Sie bestand aus schwerem Holz, doch ich hatte kaum Schwierigkeiten, das Schloss aufzubrechen und die Tür zu öffnen, die eine schmale, sich in die Dunkelheit hinabwindende Treppe freigab.
(Es war nichts Geheimnisvolles an der Tatsache, dass es hier eine derartige Treppe gab. Die ganze Seite des Felsens unter der Burg wurde von ähnlichen Gängen durchzogen.)
Das Mädchen ging voran, und ich folgte ihr dicht auf dem Fuße, uns den Weg leuchtend, indem ich die Lampe über ihre Schulter hielt. Die kurze Treppe machte einen scharfen Knick und führte dann direkt in ein altes, vergessenes, rechteckiges Gewölbe, das früher einmal zu den Weinkellern oder Vorratsräumen der Burg gehört haben musste. Doch jetzt beherbergte es verschiedene absonderliche und unerfreuliche Gegenstände, auf denen die Schatten tanzten, als ich die Lampe auf einen Vorsprung stellte und mich umzusehen begann. Ich hatte gewusst, dass es in bestimmten Teilen Europas noch echte Hexen gab, die ihr Handwerk nach fast ungebrochener mittelalterlicher Überlieferung ausübten, war aber doch überrascht, das eindeutig irdische Zubehör des Gewerbes zu erblicken, das so unversehrt überlebt hatte.
Nicht nötig, alles davon genau zu beschreiben - der Ort war ruchlos, und viele der Gegenstände waren auf groteske Weise ruchlos; an der Wand gegenüber stand ein Altar, über dem ein Römerpaar hing, worunter die umgedrehten Buchstaben I.N.R.I. zu obszönen Symbolen verzerrt waren; daneben hing eine schwarze, zusammengeschrumpfte Ruhmeshand - und dort auf dem Fußboden, geschickt und mit unendlicher Sorgfalt verfertigt und beträchtlichen Raum einnehmend, befand sich das Ding, das zu finden wir gekommen waren und das mir trotz all meiner Anstrengungen, einen kühlen Kopf zu behalten, Schauder über den Rücken jagte, als ich es untersuchte.
Vier aufrechte Holzpflöcke waren wie Miniaturpfähle in den Fußboden getrieben worden und bildeten ein viereckiges Feld von etwa hundertzwanzig Zentimeter Durchmesser, das von Kordeln begrenzt war, die von Pflock zu Pflock liefen. In diesem Feld hing, an den umgebenden Kordeln befestigt, ein kreuz und quer gespannter, labyrinthischer, spinnenwebähnlicher Irrgarten aus Baumwollfäden.
In seiner Mitte war, einem in einem Spinnennetz gefangenen Insekt gleich, eine etwa fünfundzwanzig Zentimeter große Figur verstrickt - ursprünglich eine gewöhnliche Puppe mit einem auf den mit Sägespänen ausgestopftem Rumpf genähten Porzellankopf; eine Puppe, wie man sie für drei Franc in jedem Spielzeugladen kaufen könnte - doch welches Babykleid sie auch immer getragen haben mochte, als man sie gekauft hatte, es war alles entfernt und durch einen Anzug ersetzt worden, der roh die Knickerbocker-Sportkleidung eines Mannes imitierte. Die Augen dieses Männchens waren mit einem schmalen schwarzen Tuch verbunden; seine Füße und Beine gefesselt, gebunden, umgarnt von den kreuz und quer laufenden Fäden.
Es hing, krümmte sich dort in einem unnatürlichen Winkel, weder aufrecht noch hegend, lächerlich unheimlich, wie der Körper eines verwundeten, in einen Stacheldrahtzaun geratenen Mannes. All das scheint vielleicht albern, kindisch, wenn man es erzählt. Aber es war nicht kindisch. Es war böse und verworfen.
Ich löste das Männchen sanft aus den Fesseln und untersuchte es sorgfältig, um zu sehen, ob man es mit Nadeln durchbohrt hatte. Aber es waren keine Nadeln da. Die alte Frau war wenigstens vor einem Mordversuch zurückgeschreckt.
Und dann drückte Maguelonne es an ihre Brust und schluchzte: »Ah, Philippe! Philippe!«
Ich nahm die Lampe, und wir machten uns bereit, den Raum zu verlassen. Er enthielt jedoch noch einen anderen Gegenstand, den ich bisher nicht erwähnt habe, und den ich jetzt näher betrachtete. Mit einer schweren Kette an der Decke aufgehängt, baumelte ein offenes, käfigähnliches Gebilde aus Holz und geschwärzten Lederriemen und Eisen in natürlicher Größe - ein so pervers teuflisches Gerät, wie der menschliche Erfindungsreichtum auf seinen größten Abwegen je ersonnen hat, denn ich kannte seinen Namen und Gebrauch aus alten Stichen in Büchern über die dunklen, sadistischen Elemente der Hexenkunst des Mittelalters. Es war eine Hexenwiege. Und es war etwas an den Gurten, das mich stutzig machte...
Maguelonne sah, wie ich es untersuchte, und schauderte zusammen.
»Mademoiselle«, sagte ich, »ist es möglich...?«
»Ja«, antwortete sie mit gesenktem Haupt; »da Sie schon einmal hier sind, gibt es nichts mehr zu verbergen. Aber es war immer gegen meinen Willen.«
»Aber warum um alles auf der Welt haben Sie sie nicht angezeigt; warum haben Sie sie nicht verlassen?«
»Monsieur«, sagte sie, »ich hatte Angst vor dem, was ich wusste. Und wohin hätte ich denn gehen sollen? Und außerdem ist sie meine Großmutter.«
Ich war allein mit Philippe in seinem Schlafzimmer. Ich hatte das Männchen, in eine Zeitung eingewickelt, mitgebracht. Wenn es wirklich Hexerei war, hätte er in dem Augenblick, da die Fäden gelöst worden waren, auf magische Weise geheilt sein müssen. Doch in der Realität folgt die Magie gewundeneren Pfaden. Er lag noch genauso da, wie ich ihn verlassen hatte, sogar noch deprimierter. Ich erzählte ihm, was ich entdeckt hatte.
Er war gleichzeitig skeptisch, ungläubig und interessiert, und als ich ihm das Männchen zeigte, dessen Kleidung die seine imitieren sollte, und als ihm klar wurde, dass Mère Tirelou mit voller Absicht versucht hatte, ihm eine schlimme Verletzung zuzufügen, wurde er wütend, hob sich aus seinen Kissen und rief aus:
»Ah, die alte Vettel! Sie wollte mir tatsächlich etwas an tun!« Meiner Meinung nach war der Augenblick gekommen.
Ich stand auf. Ich sagte: »Philippe, vergessen Sie das alles jetzt! Vergessen Sie alles und stehen Sie auf! Jetzt ist nur noch eins nötig. Glauben Sie daran, dass Sie gehen können, und Sie werden gehen.« Er starrte mich hilflos an, sank zurück und sagte: »Ich kann es nicht glauben.«
Ich hatte es nicht geschafft. Seinem Geist fehlte, glaube ich, die nötige bewusste Vorstellungskraft. Aber es gab noch etwas, das ich versuchen konnte.
Ich sagte sanft: »Philippe, Sie mögen Mademoiselle Maguelonne doch, oder?«
»Ich liebe Maguelonne«, antwortete er.
Und dann erzählte ich ihm brutal, kurz, beinahe böse von dem Gegenstand, der in jenem Keller hing - und von seinem Zweck. Die Wirkung war so heftig, so physisch, als hätte ich ihm plötzlich ins Gesicht geschlagen. »Ah! Ah! Tonnerre de Dieu! La coquine! La vilaine coquine!«, schrie er, wie ein Verrückter aus dem Bett springend.
Der Rest war einfach. Philippe war zu wütend und zu sehr mit Maguelonne beschäftigt, um viel Zeit zu haben, Überraschung oder gar Dankbarkeit über seine plötzliche völlige Heilung zu spüren, war aber einsichtig genug, um zu begreifen, dass es für das Mädchen besser war, die Angelegenheit nicht an die große Glocke zu hängen. Als er also ging, um Maguelonne zu holen, nahm er seine Tante mit, und noch in derselben Stunde wurde sie mit ihren Habseligkeiten in Madame Plombs Zimmer untergebracht. Martin Plomb würde schon mit der alten Mère Tirelou fertigwerden. Wegen der Rolle, die sie bei Philippes Missgeschick gespielt hatte - und die sich juristisch kaum stichhaltig nachweisen ließe wollte er keine Anklage erheben, sie aber warnen, dass er Strafbefehl wegen Misshandlung eines minderjährigen Mündels gegen sie beantragen würde, falls sie je versuchen sollte, etwas gegen Maguelonne oder die bevorstehende Hochzeit zu unternehmen.
Es bleiben zwei ungelöste Elemente in diesem Fall, die man