»Oh, kommen Sie, Mr. Peabody«, sagte Hopkins mit falscher Jovialität, »Sie wissen doch bestimmt, dass man Ihren Urgroßvater für einen Hexenmeister hielt!«
Außerordentlich beunruhigt verabschiedete ich mich von ihm. Trotz meines Schocks und meines Zorns, trotz meiner Entrüstung über die Art, wie die Einheimischen mir ihre Verachtung und... ja, Furcht zeigten, brachte mich der nagende Verdacht, zwischen den Ereignissen der vergangenen Nacht und denen von heute könnte es irgendeinen Zusammenhang geben, noch mehr außer Fassung. Ich hatte wirklich auf absonderliche Weise von meinem Urgroßvater geträumt, und nun hörte ich, dass man ihn viel eindeutiger schilderte. Ich wusste genug, um zu wissen, dass die Einheimischen meinen Urgroßvater abergläubisch für das männliche Gegenstück einer Hexe gehalten hatten - für einen Hexenmeister oder Zauberer; aber wie immer sie ihn auch bezeichnet hatten, sie harten ihn jedenfalls dafür gehalten. Ich unternahm keinen weiteren Versuch, auch nur höflich zu den Einheimischen zu sein, die den Kopf abwandten, wenn ich in ihre Nähe kam, sondern stieg in mein Auto und fuhr zum Haus. Dort wurde meine Geduld auf eine noch stärkere Probe gestellt, denn an die Haustür fand ich eine rüde Warnung genagelt - ein Stück Papier, auf das irgendein ungehobelter, übelwollender Nachbar mit Bleistift geschrieben hatte: »Weg hier, oder es passiert was.«
Wohl wegen dieser unseligen Vorfälle wurde mein Schlaf in der folgenden Nacht noch weit mehr durch Träume gestört als in den vorigen Nächten. Mit einem größeren Unterschied - die Szenen, die ich sah, während ich mich in ruhelosem Schlaf hin und her wälzte, waren zusammenhängender. Wieder war es mein Urgroßvater, Asaph Peabody, um den sie sich drehten, doch er sah jetzt so unheilverkündend aus, dass er bedrohlich wurde, und seine Katze war bei ihm mit gesträubten Haaren im Genick, nach vorn gespitzten Ohren und aufgerichtetem Schwanz - eine monströse Kreatur, die neben oder hinter ihm dahinglitt oder schwebte. Er trug etwas - etwas Weißes oder Fleischfarbenes, doch das Dunkel meines Traumes erlaubte mir nicht, es zu erkennen. Er ging durch Wälder, über das Land, zwischen Bäumen; er bewegte sich in schmalen Gängen, und einmal, ich war ganz sicher, befand er sich in einem Grab oder einer Gruft. Ich erkannte auch bestimmte Teile des Hauses. Aber er war nicht allein in seinen Träumen - im Hintergrund befand sich immer ein schattenhafter, aber riesiger Schwarzer Mann - kein Neger, sondern ein Mann von solch lebhafter Schwärze, dass er buchstäblich dunkler als die Nacht war, aber mit flammenden Augen, die aus lebendem Feuer zu sein schienen. Bei dem alten Mann befanden sich alle möglichen kleineren Geschöpfe - Fledermäuse, Ratten, abscheuliche kleine Wesen, die halb Mensch und halb Ratte waren. Außerdem hatte ich gleichzeitig akustische Halluzinationen, denn dann und wann war mir, ich hörte ein ersticktes Schreien, als litte ein Kind Schmerzen, und im selben Augenblick ein hässliches kicherndes Lachen und eine singende Stimme: »Asaph wird wieder sein. Asaph wird wieder wachsen.«
Ich hätte wirklich schwören können, dass in meinen Ohren noch das Schreien eines Kindes klang, das genau aus den Wänden zu kommen schien, als ich endlich aus diesem fortgesetzten Alptraum erwachte und das Licht der Morgendämmerung das Zimmer gerade schwach erleuchtete. Ich schlief nicht wieder ein, sondern lag mit weit geöffneten Augen, fragte mich, was die nächste Nacht wohl bringen würde, und die nächste, und die darauffolgende.
Die Ankunft der polnischen Arbeiter aus Boston ließ mich die Träume vorübergehend vergessen. Es waren schwerfällige, ruhige Leute. Ihr Vormann, ein untersetzter Mann namens Jon Cieciorka, ging mit seinen Untergebenen barsch und gebieterisch um; er war ein muskulöser Bursche von ungefähr fünfzig Jahren, und die drei Männer, die er kommandierte, folgten seinen Befehlen hastig, als fürchteten sie seinen Zorn. Sie hatten dem Architekten erzählt, sie könnten in dieser Woche noch nicht kommen, aber ein anderer Auftrag war aufgeschoben worden, erklärte der Vormann, und jetzt seien sie da; sie waren von Boston hergefahren, nachdem sie dem Architekten ein Telegramm geschickt hatten. Aber sie hatten seine Zeichnungen und wussten, was zu tun war.
Die erste Arbeit bestand darin, von der Nordwand des Zimmers unmittelbar unter dem Geheimraum den Verputz zu entfernen. Sie mussten sorgfältig vorgehen, weil die tragende Wand, auf dem das zweite Stockwerk ruhte, nicht erschüttert werden durfte, aber das war auch nicht nötig. Verputz und Fachwerk, die, wie ich sah, als sie anfingen, von der altmodischen handgemachten Art waren, mussten abgenommen und ersetzt werden; der Verputz hatte schon seit Jahren begonnen, sich zu verfärben und abzublättern, so dass der Raum kaum bewohnbar war. So war es auch bei dem Flügel des Hauses gewesen, den ich jetzt bewohnte, doch da ich dort größere Veränderungen hatte vornehmen lassen, hatte es länger gedauert.
Ich schaute den Männern eine Weile bei der Arbeit zu und hatte mich gerade an das Geräusch ihres Hämmerns gewöhnt, als sie plötzlich aufhörten. Ich wartete einen Augenblick, und ging dann hinauf und betrat die Halle. Ich war gerade noch rechtzeitig da, um zu sehen, dass sich alle vier an der Wand zusammendrängten, sich abergläubisch bekreuzigten und dann davonstürzten und aus dem Haus liefen. Als Cieciorka an mir vorbeikam, schleuderte er mir in Entsetzen und Wut einen Beinamen entgegen, den ich nicht verstand. Dann hatten sie das Haus verlassen, und während ich wie angewurzelt stehenblieb, hörte ich ihr Auto starten und von meinem Besitz holpern.
Völlig verwirrt wandte ich mich zu der Stelle, wo sie gearbeitet hatten. Sie hatten einen beträchtlichen Teil des Verputzes und Fachwerks entfernt; es lagen sogar noch einige von ihren Werkzeugen herum. Bei ihrer Arbeit hatten sie jenen Teil der Wand freigelegt, der hinter dem Balken des Fundaments lag, und mit ihm all den Gesteinsschutt, der sich dort im Lauf der Jahre abgelagert hatte. Erst als ich der Wand ganz nahe war, sah ich, was sie gesehen haben mussten, und verstand, was die abergläubischen Gesellen ängstlich und fluchend aus dem Haus getrieben hatte. Denn unten an der Mauer, hinter dem Balken, lagen zwischen seit langem vergilbten Papieren, die von den Mäusen halb zernagt waren, aber immer noch die unverkennbar kabbalistischen Zeichen irgendeiner dunklen Vergangenheit trugen, zwischen frevelhaften Instrumenten des Todes und der Zerstörung - kurze, dolchähnliche Messer, dunkelgefärbt von einer Flüssigkeit, die bestimmt einmal Blut gewesen sein musste - die kleinen Schädel und Knochen von mindestens drei Kindern!
Ich starrte ungläubig hin, denn nun nahm der abergläubische Unsinn, den ich erst einen Tag zuvor von Ahab Hopkins gehört hatte, eine unheilvollere Wendung. Soviel begriff ich augenblicklich. Kinder waren unter der Ägide meines Urgroßvaters verschwunden; er war der Zauberei oder der Hexerei verdächtigt worden, der Teilnahme an Zeremonien, bei denen die Opferung kleiner Kinder eine wesentliche Rolle spielte; und jetzt, hier, innerhalb der Wände seines Hauses, waren Überbleibsel, die dem Verdacht der Einheimischen über seine ruchlosen Betätigungen Gewicht verliehen!
Als mein erstes Entsetzen gewichen war, wusste ich, dass ich unverzüglich handeln musste. Würde diese Entdeckung bekannt, dann wäre mein hiesiger Aufenthalt in der Tat bitter unglücklich, dafür würden die gottesfürchtigen Einheimischen aus der Nachbarschaft sorgen. Ohne weiter zu zögern, holte ich einen Pappkarton, kehrte mit ihm wieder zur Wand zurück, sammelte alle Knochenreste ein, die ich finden konnte, und trug diese grauenvolle Last zur Familiengruft, wo ich die Knochen in die Nische ausleerte, die einst die, jetzt längst zu Staub zerfallenen Überreste von Jedediah Peabody enthalten hatte. Zum Glück zerfielen die kleinen Schädel, so dass jemand, der dort suchen würde, nur die Reste eines längst gestorbenen Wesens entdecken würde, und nur ein Fachmann imstande wäre, den Ursprung der Knochen zu bestimmen, die genügend unbeschädigt waren, um einen Hinweis zu liefern. Wenn die Berichte der Polen den Architekten erreichten, könnte ich sie bestreiten, doch auf diese Berichte sollte ich vergebens warten, denn die angstbesessenen Polen gaben dem Architekten niemals ein Wort über ihren wirklichen Grund zur Flucht vor diesem Auftrag preis.
Ich wartete nicht, um das von dem Architekten zu erfahren, der letzten Endes doch jemanden finden musste, der die von mir gewünschten Änderungen vornehmen würde, sondern ging, geführt von einem Instinkt, von dessen Existenz ich bisher nichts wusste, zu dem Geheimraum, wobei ich, entschlossen, ihn der peinlichst genauen Untersuchung zu unterziehen, eine starke Taschenlampe mitnahm. Doch fast unmittelbar, nachdem ich ihn betreten hatte, machte ich eine Entdeckung, die mich bis ins Mark erschauern ließ; obgleich die Fußtritte, die der Architekt und ich bei unserem kurzen Aufenthalt in dem Raum hinterlassen hatten, noch zu erkennen waren, gab es außerdem andere, frischere Spuren, die