Man findet bei solchen Untersuchungen rezeptive Felder mit variablem Durchmesser, im Mittel von 50 μm. Die Beleuchtung des inneren Bereiches (nah der Ganglienzelle, von der man ableitet) ergibt eine Aktivierung der Ganglienzelle (ein sog. ON-Response). Außerhalb dieses zentralen ON-Feldes erzeugt man durch Belichtung eine Hemmung der Ganglienzelle, denn dabei überwiegt die laterale Inhibition die Hemmung der Ganglienzelle durch ihre Nachbarzellen.
Die Erkenntnisse über die Verschaltung der normalen Ganglienzellen und der intrinsisch fotoempfindlichen Ganglienzellen (ipRGC) miteinander und zu den Rezeptoren sowie daraus die Beiträge der Zapfen- und Stäbchensignale zu visuellen und nicht visuellen Verarbeitungen sind in den letzten Jahren durch intensive Forschungsarbeiten der Neurobiologie und Zellenforschung stark angewachsen. In der Abb. 2.2 sind die Verschaltungen der Signale der LMS-Zapfen und der Stäbchen zueinander und zu den Bipolarzellen veranschaulicht, die wiederum miteinander über die Amakrinzellen kommunizieren und Signale an die ipRGC übertragen. Die ipRGC sind selbst fotoempfindlich und absorbieren Photonen in deren melanopsinhaltigen Pigmenten. Das gesamte Signal einer ipRGC besteht somit aus den Signalen aus den Zapfen, Stäbchen und aus den selbst generierten Signalen. Die normalen Ganglienzellen enthalten dagegen nur Signale aus den Zapfen und den Stäbchen.
Eines der wichtigsten Ergebnisse der jüngsten neurobiologischen Forschung ist in [3] beschrieben. Ein neuer Typ von Amakrinzellen wurde identifiziert, die auf der Eingangsseite anregende Eingangssignale von ON-Bipolarzellen erhalten, die mit S-Zapfen direkt verbunden sind. Auf der Ausgangsseite dieser Amakrinzellen werden hemmende Signale an die ipRGC übertragen. Diese Ergebnisse sind insofern bedeutungsvoll, da sie zeigen, dass die Signale der ipRGC immer eine Komponente von S-Zapfen enthalten, die eine signalhemmende Wirkung aufweisen. Eine Vergrößerung der Signale der S-Zapfen führt zu einer Reduktion der ipRGC-Signale und zu einer Vergrößerung des Augenpupillendurchmessers [4, 5].
3.3.1.3 Die Sehbahn
Die Verarbeitung der visuellen Information verläuft über die verschiedenen Systeme der Sehbahn voneinander getrennt. Im sog. P-System (parvozellulär) werden Informationen zur Form und Farbe von Objekten transportiert und verarbeitet. Im sog. M-System (magnozellulär) werden dagegen Orts- und Bewegungsinformationen verarbeitet und weitergeleitet. In Abb. 3.8 ist der Verlauf der Sehbahn dargestellt.
Chiasma opticum: In der Sehbahnkreuzung werden die Gesichtsfelder sortiert (s. Abb. 3.8). Die jeweils rechten Sehfelder beider Augen werden in die rechte Gehirnhälfte geleitet, die linken in die linke. Oberhalb des Chiasmas sitzt der suprachiasmatische Nukleus (SCN). Dieses Kerngebiet verarbeitet einen kleinen Teil der nicht visuellen Augeninformation, er bildet eine Komponente der inneren Uhr und ist für zirkadiane Rhythmen zuständig, worüber später in diesem Buch berichtet wird. Speziell werden hier auch die sog. Sakkaden gesteuert. Sakkaden sind kurze, ruckartige Bewegungen der Augen, die unbewusst ablaufen und das Gesichtsfeld abtasten.
Seitliche Kniehöcker: Die seitlichen Kniehöcker sind Teile des Thalamus, der den größten Teil des Zwischenhirns bildet und sich aus vielen eng vernetzten Kerngebieten zusammensetzt. Hier laufen alle Signale von Sinnesorganen zusammen und werden an die Gehirnrinde weitergegeben. Die Bezeichnung „Tor zum Bewusstsein“ weist auf die Leitfunktion des Thalamus für sensorische Information hin. Der Thalamus kann verschiedene Signale regulieren, um „wichtigeren“ Eindrücken Vorrang zu geben. Im seitlichen Kniehöcker werden die visuellen Eindrücke gefiltert.
Abb. 3.8 Sehbahn im Gehirn. Quelle: TU Darmstadt [1].
Lichtmikroskopisch kann man im sog. Corpus geniculatum laterale (CGL) von Primaten sechs Schichten unterscheiden. Die Schichten 2, 3 und 5 erhalten Fasern aus dem ipsilateral gelegenen Auge, die Schichten 1, 4 und 6 aus dem kontralateralen Auge. Innerhalb dieser Schichten bekommen benachbarte Neuronen Signale von jeweils benachbarten Ganglienzellen der Retina. Die Schichten 5 und 6 gehören zu den magnozellulären Schichten. Sie bestehen aus großen Zellen und erhalten ihre Eingangssignale von den sog. Parasolzellen der Retina. Letztere Zellen haben größere Dendritenbäume und somit eine geringere Ortsauflösung, aber eine größere zeitliche Auflösung. Die parvozellulären Schichten 1–4 bestehen aus kleineren Neuronen und bekommen ihre Eingangssignale von sog. Midget-Zellen der Retina. Diese haben kleinere Dendritenbäume, eine hohe Ortsauflösung, aber eine geringere zeitliche Auflösung.
Vom CGL werden die Signale über die breit aufgefächerte Sehstrahlung, teilweise über die sog. Capsula interna, ein weiterer Knotenpunkt großer Nervenbahnen, zur primären Sehrinde im Hinterhauptslappen weitergeleitet.
Der visuelle Kortex: Mit dem visuellen Kortex ist hier der sog. primäre visuelle Kortex gemeint. Er ist unterteilt in zwei Pfade, den sog. ventralen und den sog. dorsalen Pfad. Dem ventralen Pfad werden in der Hirnforschung Form- und Objekterkennung sowie die Speicherung im Langzeitgedächtnis zugeschrieben. Dorsal werden Bewegungen und Orte erkannt sowie Bewegungen des eigenen Körpers koordiniert. Der visuelle Kortex ist in die visuellen Rinden V1–V5 [8] aufgeteilt, denen verschiedene Funktionen zugewiesen werden.
3.3.1.4 Gesamte Netzwerkstruktur des Sehsystems – ein Überblick nach [6]
Fällt die optische Strahlung mit einer bestimmten Intensität und Spektrum in den menschlichen Augenapparat ein, kann man den visuellen Verarbeitungsweg aus der heutigen Sicht der Forschung schematisch, wie in der Abb. 3.9 dargestellt, beschreiben.
Nach dem Passieren der Augenoptik (s. Abb. 3.9) trifft die optische Strahlung auf die drei Zapfentypen (L, M, S), Stäbchen R und auf die fotoempfindlichen Ganglienzellen G. Aus den Signalen der Zapfen L, M, S werden die Signale für die beiden Opponenzkanäle (L−M) und S−(L+M) sowie für den Luminanzkanal (L+M) gebildet (s. auch Kap. 2). Diese Bildung findet auf dem Weg zu den „normalen“ Ganglienzellen sowie auch im Kortex statt. Im mesopischen Bereich (wie am Abend bei der Straßenbeleuchtung oder im Kino) kommen die Signale der Stäbchen hinzu [7–10].
Abb. 3.9 Verarbeitungsschaltung für die visuelle Wahrnehmung. Quelle: TU Darmstadt.
Jüngste Untersuchungen, wie in [11] beschrieben, wiesen die Beteiligung von melanopsinhaltigen Ganglienzellen an der Bildung der Helligkeitswahrnehmung nach, was auch durch die Modellierung der Helligkeit in [12] auf der Basis der psychophysischen Experimente bestätigt wurde. Somit resultieren die Helligkeit und die anderen visuellen Attribute aus allen Komponentensignalen, Opponenzkanälen und melanopsinhaltigen Ganglienzellen. Durch die Entwicklung von Farbwahrnehmungsmodellen [13, 14] und Farbqualitätsmodellen [15, 16] ist die visuelle Wahrnehmung in der Licht- und Farbwissenschaft bereits relativ gut verstanden, auch wenn das nicht immer direkt und sofort in Normungen, Regelungen sowie in der Lichtproduktentwicklung berücksichtigt ist. Die visuelle