Solche Fragestellungen haben praktische Bedeutungen, um u. a. das Problem zu lösen, bei welchem Spektrum mit welcher Intensität und Lichtdauer sowie um welche Uhrzeit ein Lichtstimulus sowohl die subjektiven als auch die objektiven Befindlichkeitszustände der Lichtnutzer/-innen positiv beeinflussen kann. Gibt es auch bestimmte Lichtmerkmale, bei denen gegenläufige negative Effekte erwartet werden können?
3.2 Eingangsgrößen – eine Systematik
Die optische Signalverarbeitung beginnt mit der Lichtquelle (Tageslicht, Sonnenlicht, das elektrische Licht wie LED oder eine Leuchtstofflampe). Die Lichtquelle (eine Leuchte, eine Lampe oder eine Gruppe von vielen Leuchten) mit einer spezifischen spektralen Verteilung beleuchtet die Objekte im Gesichtsfeld eines Beobachters mit deren spektralen Reflexionsgraden R(𝜆), die den ankommenden Strahlungsfluss der Lichtquelle in Richtung zum Auge der Beobachterl aut Gl. (3.1) reflektiert (s. Abb. 3.2).
𝜙e(𝜆) vom Objekt reflektierter spektraler Strahlungsfluss (in W),
𝜙LQ(𝜆) auf dem Objekt ankommender spektraler Strahlungsfluss der Lichtquelle (in W),
R(𝜆) spektraler Reflexionsgrad des spezifischen Objekts.
Der in das Auge eindringende optische Strahlungsfluss (s. Abb. 3.2) ruft auf der Netzhaut im Auge sowie später in der weiteren Gehirnverarbeitung eine Helligkeitswahrnehmung, eine Farbwahrnehmung sowie nicht visuelle Lichtwirkungen hervor. Für eine anfängliche, stark vereinfachte Modellierung der Helligkeitswahrnehmung (Kap. 5 zeigt die fortgeschrittenen Helligkeitsmodelle) kann die Kenngröße Leuchtdichte gemäß Gl. (3.2) herangezogen werden.
V(𝜆) die spektrale Hellempfindlichkeitsfunktion für Tagessehen,
Le(𝜆) die spektrale Strahldichte des gesehenen Objektes bzw. der Lichtquelle.
Abb. 3.2 Vereinfachtes Schema der Signalubertragung von der Lichtquelle bis zum Gehirn. Quelle: TU Darmstadt.
Abb. 3.3 Beispiel einer beleuchteten und mit Objekten ausgestatteten Innenraumszene. Quelle: TU Darmstadt.
Für die farbwahrnehmungstechnische Analyse stehen die farbmetrischen Kenngrößen und Attribute der Farbwahrnehmung zur Verfügung, die in Abschn. 2.2 beschrieben sind. In den Abschn. 2.3, 10.3.2 und 10.3.3 sind die Metriken der nicht visuellen Lichteffekte ebenfalls ausführlich erörtert. In der Abb. 5.1 sind die Interaktionen und Kombination der lichttechnischen und farbmetrischen Kenngrößen miteinander für die gemeinsame Bildung der visuellen Wahrnehmung und die psychologisch-emotionale Bewertung einer Innenraumszene (s. Abb. 3.3) dargestellt.
In der Innenraumszene der Abb. 3.3 befinden sich auf dem Tisch wie an der Wand verschiedene Objekte mit unterschiedlichen Farben und Farbkontrasten in verschiedenen geometrischen Formen. Der Tisch und die Wände sind durch die Leuchten unterschiedlich durch indirekte Lichtstromanteile nach oben zur Decke wie auch direkt nach unten zum Tisch und zur Wand mit unterschiedlichen Helligkeiten beleuchtet. All diese Beleuchtungsmerkmale werden durch die Beobachter/-innen im Raum wahrgenommen, wobei die unterschiedlichen Zonen im Gesichtsfeld auf unterschiedliche Gebiete auf der Netzhaut abgebildet werden.
Für die in der Praxis arbeitenden Lichttechniker/-innen und Arbeitsmediziner/-innen stellen die fotometrischen, farbmetrischen und nicht visuellen Kenngrößen die Eingangsgrößen des Prozesses Mensch als System dar. So verwenden auch viele Lehrbücher und Fachartikel der Forschung fotometrische und farbmetrische Kenngrößen wie Beleuchtungsstärke (in Lux) oder Farbtemperatur CCT (in Kelvin) als Eingangsgrößen für die Betrachtung der Forschungsergebnisse. Streng genommen sind die wirklichen Eingangsgrößen die Dauer der Belichtung, der Zeitpunkt der Lichtexposition, der Ort des Lichteinfalls auf der Netzhaut und der spektrale Strahlungsfluss der Strahlung, die in das Auge eindringt. Die Beleuchtungsstärke am Auge, die D65-äquivalente Beleuchtungsstärke, die Farbtemperatur, der Farbort, der circadian stimulus (CS) usw. sind bereits mit der spektralen und lokalen Empfindlichkeit des Gehirnapparats verarbeitet, wobei verschiedene Augen- und Gehirnstufen beteiligt sind.
Im Fall der Beleuchtungsstärke sind die beiden Kanäle der L- und der M-Zapfen berücksichtigt. Im Gegensatz zu der Elektrotechnik oder Physik sind die in der lichttechnischen und humanmedizinischen Forschung verwendetenEingangsgrößen bereits eine Mischung aus der physikalischen Kenngröße (wie eine spektrale Strahldichte auf dem Gesichtsfeld) und der Systemantwort des Gehirns (wie die spektrale HellempfindlichkeitsfunktionV(𝜆)). Das macht die Analyse der Forschungsergebnisse und die Interpretation der praktischen Beobachtungen komplizierter.
Abb. 3.4 Spektren der Tageslichtphasen D50 und D65 sowie die thermischen Strahler mit einer Farbtemperatur von 2700 und 4000 K (plancksche Strahler P2700 und P4000). Quelle: TU Darmstadt.
Die Spektren der natürlichen und elektrischen Lichtquellen, deren Licht die Menschen mit ihrem Augenapparat tagtäglich begegnen, sind sehr vielfältig und in diesem Buch deshalb an verschiedenen Stellen kontextbezogen beschrieben. In der Abb. 3.4 sind die Spektren der durch die Internationale Beleuchtungskommission (CIE) definierten Tageslichtphasen D50 und D65 sowie die thermischen Strahler, berechnet nach dem bekannten Planckschen Gesetz, mit einer Verteilungstemperatur von 2700 und 4000 K (Plancksche Strahler P2700 und P4000) dargestellt.
Die Abb. 3.5 zeigt die relativen Spektren moderner Halbleiter-LEDs bei verschiedenen Peakwellenlängen.
Solche Halbleiter-LEDs (s. Abb. 3.5) mit elektromagnetischer Strahlung im sichtbaren Bereich von etwa