Der mir dies alles nahm; womit erzürnt ich dich?
Und hab' ich dich erzürnt, so laß doch endlich
Durchs Blut so vieler Knaben dich versöhnen!
Und bald kommen Sängerinnen Molochs! und Priester Molochs! und Opfer Molochs! ja selbst wagt es Klopstock, zween Götzen redend einzuführen. Ich mag über die letzte Scene nicht urtheilen; aber die rührendsten Auftritte bleiben in Salomo immer die heidnischen. Wie rührt z.E. die unmenschliche abgöttische Wuth im Opfergesange Molochs!
Ich mag die Bodmerschen Epopeen nicht durchgehen. Wären in ihnen die Mythologischen Dichtungen nur oft etwas wahrscheinlicher für die Zeit, und für den Ort ihres Schauplatzes; am Heiligen und Unheiligen, an Wahrheit und Erdichtung, an Jüdisch und Heidnisch liegt, wenn ich nichts anders dagegen hätte, nichts!
Ich fühle es, ein so unbestimmt gesagter Einfall ist zu strohern, als daß ich so viel Mine mache, ihn weg zu heben; Dichter, die gewiß keines überspannten Enthusiasmus beschuldigt werden können, wiederlegen ihn. Machtvoll ist z.E. in der Kamlerschen Rhapsodie von einem Gebete – Machtvoll in ihrer Verbindung für den, der den Persischen Nachdruck kennet, die kühne Anrede:
– Und Oromazes und Gott! –
ohne doch eine hübsche Wortphrasis seyn zu sollen. Stark ist in Kleists Christlichem Gedichte von der Unzufriedenheit der Mythologische Vorwurf:
– Denkst du, wie Riesen der Fabel,
Auf Felsen Felsen zu häufen, und, durch den Unsinn bewaffnet,
Den Sitz der Gottheit zu stürmen?
Und endlich in den vortreflichen Grenadiersliedern: von welcher Wirkung ist die harte Vermischung des Christenthums, und der Mythologie in dem Munde eines harten Soldaten. Sein Gott ist ihm jederzeit, und in jedem Gesange alles: vor und nach der Schlacht: im Treffen, und im Siege.
– – – wär ihrer noch so viel,
So schlag ich sie mit Gott!
– – was kann wider unsern Gott
Theresia und Brühl – –
Mit rechtem Christenmuthe streitet er; und mit rechter Christendemuth, Gott dankend, preiset er Gott nach dem Siege; wie aber? hat der Grenadier darum an gehörigem Orte auch nicht seinen Mars und Apoll? kann er nicht darum auch von seinem Friedrich sagen:
Frei, wie ein Gott, von Furcht' und Graus
Steht er – – du hoher Paschkopoll
Sahst ihn, im Heldenangesicht
Den Mars, und den Apoll.
Und sollte deßwegen mein Grenadier kein ächter, guter Christenmann bleiben?
Der, wenn er stirbt, bekommt zum Lohn
Im Himmel hohen Sitz! –
Und deßhalb sollten seine Lieder nicht immer der Würde werth seyn, die ihnen Abbt anwünscht, vor der Schlacht gesungen zu seyn? Entweder muß überall die Mythologie hier nicht mehr Mythologie; eine liebe Wörterblume seyn, oder weg damit!
Indessen will Hr. Kl. uns auch in geistlichen Gedichten nicht ganz leer vom Nutzen der Mythologie ausgehen lassen, und schlägt vor:3 »Beschreibungen der Göttlichen Weisheit und Macht, hohe Bilder der Göttlichen Majestät, oft so vortreflich, so erhaben, daß man sich kaum vorstellen kann, wie sie in den Geist ungläubiger Sterblichen haben kommen können, und durch deren geschickte Nachahmung der Poet seinem Gedichte die größeste Würde geben könnte.« Der Vorschlag ist fromm, aber auch wenig mehr. Wenn Hr. Kl. nicht glaubt, daß Gott selbst in die Seele des Christlichen Poeten Bilder einschiebe, so kann ers nicht fremde finden, daß große Geister unter den Heiden auch große Dinge haben denken können, sie auch von ihren Göttern denken müssen. Ich mag keine Vergleichungen, insonderheit in Sachen, die gewisse Leser so gern umzukehren pflegen; allein wer wandelte unter edlern Bildern: der alte, oder der heutige Grieche? Jener zwischen seinen Göttern; dieser zwischen seinen gemalten Heiligen, der Papist zwischen seinen gehauenen Märtrern. Und bei wem war (ich rede blos von Poetischen Bildern) ein solcher Anblick gelegner, um große Gedanken zu wecken?
Zu dem: Beschreibungen der Weisheit, Macht, Majestät, sind eigentlich keine Mythologie mehr; es sind Dichterische Bilder über Mythologische Gegenstände; mit ihnen hat also Hr. Kl. keinen Gebrauch der eigentlichen Götterlehre vorgeschlagen. Dazu ist dieser Vorschlag so gemein, so bekannt, so gebraucht –
Ja, weint ich sagen soll, nicht einmal so hochnöthig. Ich gebe es gern zu, daß an Abbildungen der Schönheit, der Milde, und einer gewissen Menschlichen Würde der Gottheit, man von Griechen und Römern lernen könne, insonderheit, was die schöne Kürze, das unübertrieben Prächtige, das Angemessene im Ausdrucke solcher Beschreibungen betrifft. Aber Weisheit, Macht, Majestät, alles Hohe, und gleichsam Unbegreifliche in der Gottheit – darinn sind die Dichter des Morgenlandes, und die Ersten derselben, die Dichter des alten Bundes, eine weit reichere, unerschöpfliche Quelle. In solchen Bildern sind ein Silius Italicus, Ovid, Virgil und Claudian gegen einen Hiob, Moses, Jesaias und auch David, wie ein Tropfen gegen einen Ocean: und Schande ists, an einem Tropfen zu lecken, wenn ein Abgrund von Größe, Hoheit, Majestät vor uns ist. Nur eine Gefühllose kritische Seele, die hierinn einen Milton und Klopstock hinter einen Silius Italicus und Claudian anführen; die verschossenen Purpurlappen aus einem Ovid und Silius den geistlichen Dichtern unsrer Religion, als Raritäten, als theuere Vorbilder, vorhalten darf, und in unsern heiligen Büchern, und in unsern hohen Nachahmern derselben, das Sonnenmeer von Majestät, den Regenbogen von prächtigen Farben nicht erblicken will, in welchem »die Größe und Macht Gottes« gemalet wird.
Ich gebe es zu, baß diese Morgenländischen Bilder auch oft ein Morgenländisches Auge fodern: daß sie oft in einer Hülle des Orients erscheinen, die uns dieselben fremde, oder in einem Glanze, der uns dieselben betäubend macht. Ein geistlicher Dichter aber, und der Critikus dieses Dichters, sollte dem die Hülle unüberwindlich seyn? Sollte er nicht, den Spuren eines großen Michaelis folgend, sich solche Bilder gleichsam in die Sprache und Denkart seines Occidents übersetzen, und sie alsdenn mit Orientalischer Wärme fühlen! Die Proben, die dieser Verdienstvolle Mann gegeben, liegen in ihrer Entwickelung da, und wie verstäuben gegen sie die Schlacken eines Claudians! Blos das Leichte, das unsrer Denkart nähere, die für uns faßlichere Evidenz dieser Römischen Bilder ists, die uns dieselben empfielt. Wären die Orientalischen nach unserm Augenmaaße: so wäre der Vorschlag unleidlich. Kann man sie nicht aber nach seinem Augenmaaße stellen? nicht seinen Blick zu ihnen erheben? gewöhnen? und kannst du das nicht, so siehe die Sonne in diesem ihrem stralenden Wasserbilde. Siehe den Abglanz Orientalischer Hoheit in einem Klopstock; von Erde bist du, wenn du an einen Silius Italicus hierinn, als Vorbild, zurück eilest.
1 Der Messias. Gesang 6.
2 Gesang 7.
3 Epist. Homer. p. 86.
VIII.
»Auch Künstler sollen Gott und Christus würdig bilden!«1 Wie todt ist, was Hr. Kl. hierüber sagt, gegen das, was andre gesagt haben. Hier ist Klopstock, da er Winkelmann beurtheilet, und wem ist es nicht ein sehenswerther Anblick, zween solche Männer, zwei Enden des Menschlichen Geistes, zwei Extreme Deutscher Originale, von denen der Eine unter, der andre über Deutschland seinen Ort fand – ich sage, ists nicht ein merkwürdiger Anblick, solche zween Markgrafen Deutscher Hoheit von ihren Grenzsteinen