Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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»Der einzige Weg für uns, unnachahmlich zu werden, sagt Winkelmann, ist die Nachahmung der Alten.« »Ich würde, versetzt Klopstock, diese Einschränkung hinzusetzen: in denen Arten der Schönheiten, die sie erschöpft haben. Denn welches Genie würde nicht erschrecken müssen, wenn es sich nicht erlauben dürfte, an der Allgemeinheit jenes Satzes zu zweifeln? Haben z.E. die Griechen die Vorstellungen ausdrücken können, die wir uns von Engeln machen müssen? Aber wie vortrefflich haben sie nicht oft die Götter vorgestellt! Sollten wir nicht die Engel so machen? Gewiß nicht völlig so! Wir sollten jene Vorstellungen der Götter übertreffen. Bisher zwar sind wir, von diesem Uebertreffen, sehr weit entfernt gewesen. Wir malen Kinderchen, Frauenzimmer, und wenn wir uns recht hoch schwingen, schöne Jünglinge; geben diesen Figuren Flügel, und bilden uns ein, Engel vorgestellt zu haben. So gar Raphaels Michael ist ein Jüngling; und er sollte doch wenigstens ein Jupiter seyn, der eben gedonnert hat. Wenn nun Raphael vollends einen Todesengel hätte machen sollen; z.E. einen, durch dessen bloßen Anblick der erstgebohrne Sohn Pharaos niedersinkt. Michael Angelo also, wird man sagen. Nein, der auch nicht: denn er übertrieb zu oft. Der Contour des wahren Großen ist sehr sein! Wenn die Hand nur ein klein wenig ruckt: so kann es übertrieben werden. Wer also? Vielleicht ein noch ungebohrner Künstler, dem es aufbehalten ist, die heilige Geschichte würdig vorzustellen, nämlich die meisten schon oft wiederholten, neu, und dann viele sehr erhabene, die noch niemals gemacht worden sind. Wie würde ich mich freuen, wenn er schon lebte, und dieses läse. Er ist es, der noch viel was anders sagen würde, als die Griechen haben sagen können. Gott vorzustellen, würde er sich niemals unterfangen; niemals! Aber den Versöhner der Menschen einigermaßen würdig abzubilden, würde er alle Kräfte seines Genies anstrengen, und sich den großen Empfindungen, welche die Religion giebt, ganz überlassen.«

      – – Staub, den der Wind zerstreut.

      Hr. Kl. findet unter allen, die über den Glanz um das Haupt der Heiligen geschrieben, keinen, der die Maler darüber getadelt hätte: er thuts, und siehet nicht, was ein solcher Bogen zur Majestät Gottes thun sollte? Als Kreisbogen freilich nichts, aber wenn sich nur seitwärts einige rückbleibende Stralen verlieren: so sehe ich nicht, wie diese hinderlich wären. Bei Gestalten der Heiligen sind sie eine einmal angenommene Symbole, und der Gestalt Gottes, (wenn Gott anders Menschlich gestaltet werden soll,) ein Zeichen der Majestät, so fern, als der Dichter singet:

      – & avertens cervice refulsit,

       Ambrosiæque comæ divinum vertice ododrem

       Spiravere – –

      oder so fern die Biblischen Dichter auch hierinn große Gemälde vom Glanze des Herrn geben. Diesen kann der Dichter innerhalb der Grenzen seiner Kunst so bescheiden folgen, als die Griechen den Poetischen Symbolen ihrer Religion folgten.

      »Die Griechen bildeten Jupiter auf einem Donnerwagen.« Nun hat es Hr. Michaelis längst gezeigt, daß die Cherubim, die Donnerpferde der Juden, wahrscheinlich Geschöpfe der Aegyptischen Einbildungskraft sind, und daß die Griechen ihre Donnerpferde Jupiters ebenfalls daher ursprünglich entlehnet: könnte auch gezeigt werden. Hier fließen also aus Einer Quelle zween Flüsse, und die Poeten beiderlei Religionen scheinen nicht anders verschieden zu seyn, als daß sie sich Eine Vorstellung, jeder nach der Art seiner Nation, gedacht haben. Warum sollte also der Christliche Künstler nicht diese Bildung der verschwisterten Griechischen Vorstellungsart ablernen? warum sollte er nicht auch den wahren Gott wie einen donnernden Jupiter bilden, der seinen Donnerwagen und Donnerpferde mit dem Schalle des Schreckens durch den weiten Himmel jaget?

      Es bleibt also nur das Vorbild der alten Kunst übrig, die ihren Jupiter Donnerfahrend bildete – aber ich antworte, das war auch ihr Jupiter, und nicht unser Gott! Jener seine, Charakter nach der Donnerer, der

       Ἐλατὴρ ὑπέρτατος βροντᾶς

       ἀκαματόποδος

       Ζεύς – –

      wie ihn Pindar nennt, erhabner, als die spätern Dichter, die Hr. Klotz anführt. Jupiter hatte einmal nach altem guten Herkommen die Function, der ὑψιβρεμέτης, καταιβάτης, fulminans zu seyn, und wie man ihn mehr nennen will; als solcher konnte er Pferde jagen und Rosse lenken: das Kar Jovialisch. Ein solcher aber ist nicht unser Gott dem Hauptcharakter nach; und eine solche Kunstvorstellung nicht Göttlich. Die Kunst arbeitet für Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott vor meinen Augen verewigt zu sehen, als – einen zornigen Fuhrmann!

      Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und allen Griechen wissen, daß in denen Zeiten, da sich Mythologie erzeugte, und die Kunst galt, ein Pferd, wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein sehr würdiges Geschöpf, und Pferdeverrichtungen sehr edle Handthierungen waren – bei uns nicht mehr. Was sagt mir also dies Bild Gottes? Nichts, oder etwas Unwürdiges. – Der Künstler brauche es also nicht, und lasse den Klotzischen Einfall immer lieber wieder verunglücken.