Ich lasse über diese Klopstockschen Gedanken gerne einem jeden seine Gedanken; aber, wenn ich sie, und die beiden Aufsätze desselben Verfassers über die Poetische Composition einiger Biblischen Gemälde,3 und einige stille Winke Winkelmanns in den Schriften desselben, und verschiedene offenbarere Anmerkungen Webbs, über die Gemälde der Religion, zusammen setze: so dünkt mich dies Klotzische Gemische darüber
– – Staub, den der Wind zerstreut.
Hr. Kl. findet unter allen, die über den Glanz um das Haupt der Heiligen geschrieben, keinen, der die Maler darüber getadelt hätte: er thuts, und siehet nicht, was ein solcher Bogen zur Majestät Gottes thun sollte? Als Kreisbogen freilich nichts, aber wenn sich nur seitwärts einige rückbleibende Stralen verlieren: so sehe ich nicht, wie diese hinderlich wären. Bei Gestalten der Heiligen sind sie eine einmal angenommene Symbole, und der Gestalt Gottes, (wenn Gott anders Menschlich gestaltet werden soll,) ein Zeichen der Majestät, so fern, als der Dichter singet:
– & avertens cervice refulsit,
Ambrosiæque comæ divinum vertice ododrem
Spiravere – –
oder so fern die Biblischen Dichter auch hierinn große Gemälde vom Glanze des Herrn geben. Diesen kann der Dichter innerhalb der Grenzen seiner Kunst so bescheiden folgen, als die Griechen den Poetischen Symbolen ihrer Religion folgten.
Ferner hat Hr. Kl. den Einfall,4 auch Flügel könnten aus den Göttlichen Bildungen der Alten beibehalten werden. Ich will glauben, er meine nur etwa Engel, oder den geflügelten Blitz in der Hand Gottes: denn der Gottheit selbst Flügel zu geben, halte ich, (Hr. Kl. führe mir noch ein so langes Register von Göttern an, die bekannter Weise geflügelt gebildet wurden,) unserm höchsten Gotte halte ich ein Paar Flügel ganz unwürdig. Kaum würdig der Engel, nach den edlen Begriffen unsrer Religion; wenn nicht, als unterscheidende Symbole, wenn nicht etwa im Fluge, um denselben dem Auge wahrscheinlich zu machen. Selbst die Griechen, nachdem sie die Allegorie nach und nach abgestreift hatten, in ihren schönsten und edelsten Bildungen, warfen dein Jupiter die Flügel ab, damit er nicht wie ein Ikaromenippus des Lucians erscheine, und gaben sie seinem Adler. In der That, den Allerhöchsten mit einem Paar Gänseflügeln vor mir zu sehen, ist unleidlicher, als, ihn graubärtig, und als Greis, zu erblicken. Dies giebt noch eine leidliche Allegorie von ihm, dem ewigen Vater; aber was soll jenes zu der Idee des Allgegenwärtigen? –
»Die Griechen bildeten Jupiter auf einem Donnerwagen.« Nun hat es Hr. Michaelis längst gezeigt, daß die Cherubim, die Donnerpferde der Juden, wahrscheinlich Geschöpfe der Aegyptischen Einbildungskraft sind, und daß die Griechen ihre Donnerpferde Jupiters ebenfalls daher ursprünglich entlehnet: könnte auch gezeigt werden. Hier fließen also aus Einer Quelle zween Flüsse, und die Poeten beiderlei Religionen scheinen nicht anders verschieden zu seyn, als daß sie sich Eine Vorstellung, jeder nach der Art seiner Nation, gedacht haben. Warum sollte also der Christliche Künstler nicht diese Bildung der verschwisterten Griechischen Vorstellungsart ablernen? warum sollte er nicht auch den wahren Gott wie einen donnernden Jupiter bilden, der seinen Donnerwagen und Donnerpferde mit dem Schalle des Schreckens durch den weiten Himmel jaget?
Hr. Kl. hat für gut befunden, diese Vorstellungsart anzupreisen;5 und ich fände es beinahe gut, davor zu warnen. Der Begrif der Gottheit, der jetzt, als Hauptcharakter, den Gemüthern der Menschen beiwohnet, ist erhabner und gereinigter, als daß er ein solches Bild ertrüge. In den sinnlichen Zeiten der Jüdischen Dichter war »furchtbare Macht« gleichsam der Hauptanblick, mit dem man sich den Herrn dachte; man schrieb nach einem Idol der Erziehung, und nach einem herrschenden Zeitbegriffe, dem Wagen Gottes die gewaltigen Donner zu, die über das Jüdische Land hinzogen, und dahin aus, auf diesen sinnlichen Begrif, gehen auch die höchsten Bilder der Propheten. Irre ich nicht, so ist die gemeine Vorstellungsart unsrer Christlichen Zeiten darinn sanfter. Das erste Bild, das wir uns von unserm Gotte machen, ist vielmehr das Bild von dem vollkommensten, weisesten, gütigsten Wesen, dem Vater, und unsichtbaren Erhalter der Welt; als von einem zornigen Donnerer, von einem allmächtigen Weltverwüster. Soll also ja der Höchste gebildet werden, so zeige man ihn in dieser, für uns der würdigsten Stellung, oder gar nicht. Die Propheten des alten Bundes schuffen Bilder für ihre Zeit, und auch in dieser nicht für den bildenden Künstler: nicht für den Anblick des Schönen; sondern für Poetische Seelen, und in diesen nichts als der Religionsbegriffe halben. Der Künstler unsrer Zeit thäte also Unrecht, wenn er sich solchenfalls damit, als mit Biblischen Vorstellungen, rechtfertigen wollte; denn der Kunst hat die Bibel wohl keine Bildergallerie liefern wollen.
Es bleibt also nur das Vorbild der alten Kunst übrig, die ihren Jupiter Donnerfahrend bildete – aber ich antworte, das war auch ihr Jupiter, und nicht unser Gott! Jener seine, Charakter nach der Donnerer, der
Ἐλατὴρ ὑπέρτατος βροντᾶς
ἀκαματόποδος
Ζεύς – –
wie ihn Pindar nennt, erhabner, als die spätern Dichter, die Hr. Klotz anführt. Jupiter hatte einmal nach altem guten Herkommen die Function, der ὑψιβρεμέτης, καταιβάτης, fulminans zu seyn, und wie man ihn mehr nennen will; als solcher konnte er Pferde jagen und Rosse lenken: das Kar Jovialisch. Ein solcher aber ist nicht unser Gott dem Hauptcharakter nach; und eine solche Kunstvorstellung nicht Göttlich. Die Kunst arbeitet für Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott vor meinen Augen verewigt zu sehen, als – einen zornigen Fuhrmann!
Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und allen Griechen wissen, daß in denen Zeiten, da sich Mythologie erzeugte, und die Kunst galt, ein Pferd, wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein sehr würdiges Geschöpf, und Pferdeverrichtungen sehr edle Handthierungen waren – bei uns nicht mehr. Was sagt mir also dies Bild Gottes? Nichts, oder etwas Unwürdiges. – Der Künstler brauche es also nicht, und lasse den Klotzischen Einfall immer lieber wieder verunglücken.
Ueberhaupt weiß ich noch keinen Durchweg, um zwischen den höchsten Federungen der Religion und der Kunst mit einer Bildung Gottes, insonderheit für sich selbst,