Die Kritik über den ehrwürdig lächerlichen Pater Ceva mit seinem Jesuskindlein1 kann ich übergehen; sie gehört nicht hieher, denn Ceva wollte schon so ein Heroischkomisches Gedicht, oder lieber ein Narrengemische, schreiben: und welche Ehre! wenn ein Ceva zwischen Homer und Lope di Vega und Milton stehet! – So kann ich auch die lange Schuldeklamation wider die Geschmacklosen Kenner der Alten2 überschlagen: die Gelegenheit, die sie an diesen Ort gebracht, scheint sie – – doch wer will deuten? – Ein Glück ists, in einem Buche, wie die Homerischen Briefe, wieder zwölf Seiten weg schlagen können; und siehe! es war Nichts! Nichts für Homer; für Wissenschaft, für Geschmack Nichts! –
1 p. 36 etc.
2 p. 44–55.
V.
Statt uns Homerische Betrachtungen mitzutheilen, schüttet Hr. Kl. einen locum communem aus seinem Collektaneenbuche: ob es uns frei stehe, heidnische Mythologien in Gedichten zu adoptiren?1 und, nach seinen Vorbereitungen zu achten, ist diese Abhandlung sehr wichtig.
Zu erst von der Mythologie in geistlichen Gedichten. Nonnus, Sannazaro, Claudian, (wie der nach Ordnung und Zusammenhang2 hieher kommt, wisse die allsehende Muse) Camoens, Dante, Petrarca, Ariosto, Marino, Tasso, Milton, Frischlin, Heinsius – welch Gemenge von Namen! – werden über der profanen Mythologie in ihren Gedichten scharf, und, nach der Reihe hin, getadelt. Ich glaube nicht, daß eine Kritik, die auf Dichter so verschiedner Zeiten und Gegenden mit einerlei Machtspruche fällt, so gründlich, so prüfend sey, als sie über Männer von so verschiedner Zeit, und so verschiednem Werthe seyn sollte.
Einige von diesen haben Lateinisch gedichtet: ein Punkt, der die Sache sehr verändert; denn wer kann genau ein Haar zwischen ziehen, wo die Lateinische Sprache aufhöre, und die Usurpation der Römischen Denkart anfange. Ich weiß, Hr. Kl. hat die Sache bei Gelegenheit der Recension eines gründlich Lateinischen Buches sehr leicht entschieden:3 eine spashafte Verwunderung über furcifer, ein paar Unterscheidungen, und einige Gegencitationen – so ist der Knoten gelöset, und Alexander ist Sieger des Orients. Aber nachdenkende Liebhaber der Lateinischen Sprache werden bei manchen Worten und Ausdrücken noch sehr zweifelhaft bleiben; sie werden mit einem Goldgewichte abwägen, wie weit manche nichts, als Lateinische Phrases, andere schon Vehikula der Römischen Denkart sind: sie werden also auf die jetzige Lateinische Poesie ein Mistrauen setzen, daß sie uns nicht, statt Römischgroßer Gedanken, einen Teppich von Römischen Wortblumen sticke, daß man also vielleicht von mehrern neulateinischen Versmachern das Urtheil fällen könne, was Hr. Kl. über Sannazaro fället:4 Præter sermonis Latini elegantiam, nihil in iis carminibus, qoud multa laude dignum sit, invenio. Parum aut nihil potius finxit: complures versus Horatio surripuit: similis Horatio, sed ut simia homini etc.
Und allerdings ist auch bei der Mythologie für mich der Unterschied oft zweifelhaft gnug, wo die Redart aufhöre, und ein Gedanke anfange? Es hat Hrn. Kl. gefallen5, bei Vida so gar zu billigen, daß das heilige Brot Ceres heißen könne, und daß, der poetischen Phrasis wegen, zu billigen, daß Christus dem Volke liba Cerealia ausgetheilet, bloß der Nachahmung Virgils wegen; und gilt das, was sollte nicht gelten? So wird mich immer die unmythologische Sprache platt, gemein, unpoetisch dünken können; und so wird endlich ein Lateinisches Gedicht eine Seifenblase, wo viel schöne Farben in der Sonne mir vorspielen; ich greife darnach, und sie sind nichts! – Es waren Lateinische Phrases.
Auch Hrn. Kl. so genannte Horazische Oden6 sind nicht ohne Mythologie: sie reden vom Gravidus, und von der Venus, von Musis und Camoenis, vom pater Lyaeus, dem ein ganzer Dithyrambe Mythologisch gesungen wird, von Faunen und Dryaden, von Nymphen und Najaden, von Pierinnen, von Diis und Deabus, vom Phoebus, und vom Pindus, von Mavors und Bellona, von Cynthia und Flora, ein ganzes Heer Allegorischer Personen ungerechnet. Fragt man mich, was alle diese Namen hier sollen? nach der Manier Hrn. Kl. in seinen Homerischen Briefen muß ich entweder sagen: unschicklich, eitle Gelehrsamkeit: verdrüßliches, fremdes Geschwätz: oder ich sage: schöne. Poetische Phrases! Nun danke, mein lieber Leser!
Als die schöne Lateinische Poesie nach jener langen Barbarei wieder erwachte: als die Sannazars und Vida's, und Bembo's und Fracastor's, geweckt vom Geiste der wieder aufgelebten Römer, sangen: welcher Phöbus Apollo hätte ihnen damals das Ohr zupfen können? »Dieser Ausdruck ist zu Mythologisch, dieses Römische Bild hat noch nicht gnug durch den Gebrauch, und durch die Gewohnheit seine Mythologische Natur abgelegt – weg damit! Aber hier mein lieber Vida! stehe Ceres statt panis; dort Musa statt poetica facultas: Neptunus pro mari: Vulcanus pro igne: Lyacus pro vino. In his licet originem suam superstitioni debeant, tamen amissa fere est, ut ita dicam, prima vis & abolita: carmini vero Latino non exiguam elegantiam eadem conciliant!«7 O der artige Phöbus Apollo! Wenn diese abergläubischen Wörter ihre erste Kraft verlohren haben, wenn sie ihre Natur ausgezogen, wenn ihr Gewicht weg ist; so mögen alle solche elegantiæ non exiguæ in den Orkus! Sie sind ein elender Flitterstaat, eine Poetische Sprache ohne Poetischen Sinn, ein Schulgeschwätz. Ist nur dann ein Mythologischer Ausdruck brauchbar, wenn ihm die Gewohnheit, der alltägliche Gebrauch seine ursprüngliche Bildvolle Bedeutung entnommen: so ist er ein Redezierrath ohne Wesen; und vor solcher Poesie behüt' uns liebe himmlische Muse!
Nein! für Schulmäßige Phrasesjäger will ich die Erwecker der Lateinischen Dichtkunst nicht nehmen; aber um so schwerer wird mir die Entscheidung: »wie weit kann eine wirklich Poetische, und in ihren Horaz und Virgil verzückte Seele, in ihrer Poetischen Begeisterung, auch gleichsam an seine Götter und geistigen Wesen gläubig werden? Wie weit kann sich die Horazische Laune, der Virgilianische Geist, insonderheit, wenn ich in ihrer Sprache singe, einstellen, daß ich Mythologie von ihrer Dichtungsart unabgetrennet und unabtrennlich erblicke, daß ich, indem ich, wie sie, singen will, auch mit ihrer Mythologie singe.« Wer kann hier aus dem Stegreife antworten? wer kann in der Seele derer, die wirklich mit Enthusiasmus dichteten, Grenzen ziehen, wie Römische Begeisterung, Begeisterung aus den Römern geschöpft, Begeisterung, die sich selbst in Römische Sprache ergoß, hie und da einen Schritt weiter im Ausdrucke zurück bleiben, hie und da etwas vorsichtiger in der Mythologie seyn sollten: denn sie dichteten doch heilig. Nun ja denn! immerhin heilig; aber Vida und seine Mitgefährten dichteten auch Lateinisch, und, zum Unglücke, wollten sie auch Römisch dichten; nun stehen wir vor einer dreifachen Wegescheidung – wer kann alle drei mit einmal