Wenn wahr ist, wie es denn allen Schein der Wahrheit an sich trägt, was Alkibiades vom Sokrates in Platons Gastmahl erzählt, so hat auch hierin der, den das Orakel (vielleicht hauptsächlich deswegen, was Ihr eben aus den Denkwürdigkeiten von ihm angeführt habt!) zum Weisesten erklärte, doch auch hierin seine Schuldigkeit beobachtet. Er stand einst im freien Felde vom Morgen an, den ganzen Tag über und die Nacht durch, unbeweglich auf einem Flecke in dem allertiefsten Nachdenken versunken und verloren: und betete die Sonne an, als ihre reine volle Feuersphäre über die östlichen Gipfel Strahlen des Lebens wehte.
In den geringsten Wissenschaften und Künsten herrschen verschiedne Meinungen; und es ist natürlich, daß in der höchsten die mehrsten herrschen, weil alle zum steilen Gipfel wollen und nur äußerst wenige dazu genug Atem in der Brust, Stärke in den Knochen und ausdauernden Mut und Verstand gegen alle die Gefahren haben, die in den halsbrechenden Pfaden auf sie lauern.
Nutzen? Soll man denn alles des Mauls und Magens wegen tun? und macht Erkenntnis der Wahrheit nicht schon an und für sich glückselig? ist sie nicht die höchste Glückseligkeit? Gehört das Vergnügen, die Freude nicht zu Nutzen?
Freilich muß jeder den Weg endlich selbst machen. Es muß erst einer wissen, wo der Ätna liegt, eh er hinauf will. Und dann ist für uns die Reise durch die Scylla und Charybdis die kürzeste, und durchaus zu Pferd ist nicht möglich. Oder: man muß ohngefähr so weit sein, als sie selbst waren, ehe man die Systeme großer Philosophen vollkommen versteht; und ferner sie nicht auf den ersten Seiten vollkommen begreifen wollen; man muß sie erst ganz kennen, ehe man nur etwas von ihnen in allem seinen Verhältnis einsieht.
Das System des Aristoteles liegt, es ist wahr, noch zum Teil da im Chaos; aber binnen zweitausend Jahren hat sich kein beßrer Architekt gezeigt. Er trug allen philosophischen Reichtum jener glücklichen Zeiten zusammen und brütete darüber wie ein Gott. Seine physischen und metaphysischen Werke sind ein langwieriges Studium, und es läßt sich in einem Gespräche davon kein Auszug machen. Ihr müßt sie selbst lesen; und es wird Euch Lust sein, zu sehen, wie er die Natur herumarbeitet und bis auf ihre kleinsten Bestandteile zergliedert, wenn Ihr auch nur den Tiefsinn des Menschen an ihm bewundern solltet.
Für jetzt nur noch einige Rhapsodien nach ihm und gegen ihn, und Launen und Einfälle. Stellt Euch das Universum wie eine Laute vor, worauf ich Euch nach augenblicklicher Lust und Liebe vorphantasiere. O nichts ist reizender und lockender dazu! es ist der schönste Gegenstand meiner Poesie in der Einsamkeit. O es macht mich glücklich, und mich überläuft wieder zuweilen ein menschlicher Schauder, wenn ich bedenke, was ich vielleicht schon war und ferner sein werde! was ich jetzt bin und den folgenden Morgen, die folgende Stunde schon vom neuen anfange zu sein. Übrigens genieß ich jeden Moment der Spanne meines gegenwärtigen Lebens, so gut ich kann, und ergebe mich Kleinigkeit in die Umwälzungen der ungeheuern Massen.
Was Demetri darauf ferner sagte, davon mehr nur den Inhalt als seine Worte, insoweit ich denselben gefaßt habe. Ich blieb bis jetzt noch immer der Meinung des Sokrates, daß auch die beste Metaphysik ein schönes Gebäude sei, welches bloß in der Luft schwebt, und daß man sich nur damit beschäftigen müsse, um sich nichts weismachen zu lassen und seinem Vergnügen in dieser Rücksicht ungestört nachzuhängen.
»Die Sinnen allein zeigen uns«, begann er vom neuen,22 »daß etwas außer uns da ist: Verstand selbst ist die Wurzel der Sinne. Von Sinn und Verstand alle unsre Erkenntnis; und was finden wir da?
In uns gekehrt die wunderbare Sicherheit, daß wir Wirkliches und kein Nichts sind, und allen Grund zu denken und zu handeln. Außer uns Sonne, Mond und Sterne im unermeßlichen Äther, und Luft und Meer und Land voll unzählbarer lebendiger Dinge.
Doch solche Menge Verschiedenheiten entdeckt nur das Auge, unser reichster, aber auch flachster Sinn; wir haben einen andern, der tiefer dringt und zu einfachern kömmt: das Gefühl. Kein Tier kann ohne dasselbe, aber ohne die andern Sinnen bestehen.
Und dieser Sinn erkennt?
Warm und Kalt und Feucht und Trocken.
Nichts weiter! denn alles übrige fällt in eins von diesen; daraus besteht die unendliche Mannigfaltigkeit des Weltalls.
Doch werden wir auch mit diesem so mächtig ergreifenden Sinne nur Oberflächen gewahr; allein tiefer in die Natur der Dinge können wir nicht eindringen, wenn wir nicht sie selbst werden. Und dann hört aller Sinn auf; wir sind es selbst und schweben im Genuß ohne alle wissentliche Unterscheidung.
Warm und trocken ist das Feuer. Warm und feucht die Luft. Kalt und trocken die Erde. Kalt und feucht das Wasser. Mit Flamme und Eis fängt Stockung und Zerstörung an, daraus keine Zeugung.
Wenn Feuer sich in Luft verwandelt, braucht es nur die Feuchtigkeit anzunehmen, und so, wenn Wasser sich in Erde, nur die Trockenheit. Wasser wird Luft durch die Wärme; Luft wird Wasser durch die Kälte. Feuer verwandelt sich in Erde durch die Kälte, Erde in Feuer durch die Wärme. Leicht ist dann der Übergang einer Natur in die andre und leicht Werden und Zeugen. Wenn aber Feuer Wasser werden soll und Wasser Feuer, Luft Erde und Erde Luft: dann ist ein doppelter Damm durchzustürmen; allein der Schleichweg ist bald gefunden. Feuer wird erst entweder Luft oder Erde; und so bleibt der Übergang auch bei den andern immer leicht.
Daraus alle die sonderbaren Erscheinungen! Und so verändert sich ewig in sich die Welt, begattet sich mit sich selbst und bringt neue Geschöpfe hervor und Blumen und Früchte.
Dies sind die vier Elemente, die der gemeine Menschenverstand durch alle Zeiten anerkannt hat; und sie sind die Grundverschiedenheiten nicht nur für das Gefühl, sondern auch für die übrigen Sinne, die alle verschiedene Abarten desselben sind und darauf beruhen.
Daß die Luft wieder so verschieden sein könne, als wir die Erde erkennen, wer will dies leugnen? und so das Wasser, und vielleicht noch das Feuer; wer hat die Elemente so untersucht? und wie wenig wissen wir noch von den Erden? Genug, daß der Übergang eines Elements in das andre gefunden ist.
Doch warum suchen wir Vervielfältigung der Elemente! Es hat Philosophen gegeben, die behaupteten, daß das Weltall, welches wir zusammen mit einem Namen Natur nennen, durchaus eins und dasselbe sei; die alle Evidenz leugneten, um ihren Verstand an einem Mutterwesen zu weiden, das bloß reiner Stoff und nichts von allem andern ist, was wir kennen, sondern alles zugleich in jedem Punkte; andern Menschen schier ebenso undenkbar wie Alles aus Nichts und Nichts aus Allem, das es auch bedeutet.
Die ältesten der Art blieben jedoch noch bei einem Elemente. Heraklit meinte, das Feuer sei der gemeinschaftliche Quell aller Dinge: und Thales das Wasser; beide aus dem heitern Ionien, von den Griechen, sonderbarlich! für die frühesten echten philosophischen Köpfe anerkannt und der erste als Stammvater aller eigentlichen Weisheit zum Sprichwort bei ihnen durch alle Zeiten geworden. Das organische Wasser, zum Beispiele der Mensch, ersaufe in dem einfachen Wasser; und das organische Feuer verbrenne in dem Feuer, das die Lust verliert, etwas anders zu sein. Feuer, Luft und Erde sei Wasser, und Wasser sei Erde, Luft und Feuer, und alles eins und dasselbe. Feuer sei heiß und kalt, und Wasser sei naß und trocken.
Andre suchten in der Folge den Widerspruch wenigstens im Ausdrucke zu vermeiden und setzten für irgendein Element überhaupt: Eins ist Alles