Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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Xenophanes der erste, der dem Wesen seine eigentliche Reinheit gab, aber auch nichts weiter darüber bestimmte, sondern nur mit erhabner Stirn in den unermeßlichen Äther hin schaute und sagte: Das Eins ist Gott.

      Parmenides, sein Schüler, brütete nach ihm mehr darüber und suchte zu beweisen, daß Wesen der Vernunft nach notwendig nur Eins sein könne, für die Sinnen aber müsse man zwei Ursachen: Kalt und Warm, annehmen. Kalt sei das Unwesen und Warm das Wesen. Andre setzten dafür das Dicke und Dünne; nämlich das Wesen dehne sich aus und ziehe sich ein; und daraus alles Werden und Zeugen, alle Erscheinungen. Wenn es sich verdünne, werd es Luft und Feuer; und verdickt sei es Erde und Wasser; aber alles im Grund eins und dasselbe.«

      Ardinghello. Wenn also die unendliche Ausdehnung, außer den einzeln Bewegungen, durchaus sich einmal recht einzöge, so würden wir vielleicht alle zusammen mit ihr den allergrößten Stein ausmachen und die Welt als ein Diamant im leeren Raume hangen.

      Demetri (ein ander Gesicht annehmend). Wer weiß, was geschehen kann! Zeit hat sie nun in der Ewigkeit genug dazu, zur Kurzweil sich in allerlei Gestalten zu verwandeln.

      Diese Philosophen gaben übrigens keine Ursache der Veränderung an und ließen noch Ruh und Bewegung unerörtert.

      Wer beweisen will, daß aus Einem Alles sei, muß erst dartun, daß aus Allem Eins werde; und so weit hat es noch keine Chemie gebracht.

      Wenn bloß Eins ist, so muß es in Ruhe sein; denn ohne Reiz keine Bewegung, und das Gleichförmige reizt nicht. -

      In den Elementen liegen die Quellen der Bewegung. Sie ist allen eigen, und keins hat sie als einen besondern Vorzug; nur scheint das Feuer einen weit höhern Grad von Reizbarkeit dazu zu haben als Erde, Luft und Wasser. Alles in der Natur regt sich von selbst und hat Freiheit, Erkenntnis und Begierde. Jeder Teil, den wir von einem ihrer unvermischten Ganzen annehmen, hat alle innerliche Eigenschaften des Ganzen; ihre Wesen sind unendlich zart, verbreiten und verlieren sich ineinander, unergründlich allen unsern Sinnen. Je mehr das Kleine einerlei Art beisammen, desto größer seine Macht und Stärke; und so kann Erde, Luft oder Wasser das Feuer überwältigen, und so unterliegt beim Menschen der sogenannte Geist der Materie. Doch nur im Einzeln kann dies geschehen, denn im Weltall selbst herrscht Geist unermeßlich und ohne Schranken. Geist bringt die Welt in Ordnung und Schönheit nach seiner Natur, und selbst in uns fuhr er deswegen; und dadurch hat der Mensch Gewalt über den Erdboden.

      Bewegung ist Wirksamkeit der Kraft auf einen Gegenstand. Wo Kraft und Gegenstand ist, ist auch Bewegung. Wo doppelte Kraft aufeinander wirkt: Liebe oder Krieg, Neues-Werden oder Abprallung.

      Gedanke ist Anfang und Ziel der Bewegung, Anfang und Mittel und Ende der Bewegung zusammen Handlung. Alles in der Natur hat das Vermögen, zu denken und zu empfinden, und das Selbstgefühl ist Grund und Boden; denn alles, was ist, hat Kraft, wodurch es ist, was es ist.

      Und folglich hat das System des Anaxagoras seinen guten Grund in der Natur. Verstand hat die Welt gebildet: nur in allem auf seine eigne Art. Verstand ist prüfende und unterscheidende Fassung des Ganzen; Verstand, in der Zusammensetzung, das Meer, wohin alle Empfindungen laufen, sich begegnen und sich läutern; und besteht selbst nur aus empfindender Kraft. Er ist der eigentliche Kern jedes einzelnen Lebendigen, jedes Ganzen, das schlechterdings an und für sich mit einer ersten Empfindung beginnen und sich mit gleichartigen und andern Wesen paaren und hernach zusammenschaffen und bilden mußte. Wenn nun Verstand ursprüngliche Empfindung ist, so ist er auch der Schöpfer von allem Individuellen.

      Der erste Trieb in jedem Lebendigen ist das Vergnügen oder nicht allein und vereinzelt zu sein. Der zweite weitere Erkenntnis und größere Kraft zugleich: dadurch erhob sich die vereinzelte Natur vom Wurm an bis zum erhabnen, freien, vielfassenden und verbindenden klaren Menschen, der deswegen die Sprache und alle Künste erfand. Der dritte, ungeheure, der alles unglücklich macht, die ganze Welt zu erkennen und sie sein zu wollen; und in der Tat tobt immer das dunkle Gefühl in uns auf, sie einmal gewesen zu sein und wieder zu werden.

      Kapitel 37

       Inhaltsverzeichnis

      Ardinghello. Ich erstaune über Eure kühnen Behauptungen, und es wird mir vieles Nachdenken kosten, deren Wahrheit oder Falschheit zu finden.

      Wenn Feuer sich in Luft verwandelt: bleibt es Feuer oder nicht? Und ferner: so wie nur eine gewisse Materie ist, die Licht hat, und eine, die Ton hat, so kann es ja auch eine geben, wenn man das Wort hierbei brauchen darf, die nur denkt und Verstand hat, Ursache der Bewegung ist, immer wirkt und nie leidet, bis das ganze Gebäude um sie her zusammenfällt.

      Demetri. Wenn Feuer sich in Luft verwandelt, so entsteht eben ein neues Ganzes aus Luft und Feuer. Und so sind wir selbst ein Ganzes aus verschiednen Elementen, so rein und harmonisch verschmolzen, daß wir in uns bei gesundem Zustande durch das feinste Bewußtsein nichts unterscheiden.

      Wenn nicht jede Art von Element sich selbst regte und bewegte, so würde jeder Leichnam ewige Mumie sein und der Wind immer von Osten her wehen.

      Was den Verstand betrifft, so nimmt Aristoteles selbst, wie Plato, nach dem Anaxagoras, dessen Meinung ich freilich nach meinem eignen Begriff erklärte, eine eigne Materie für den Verstand an und unterscheidet sie von aller andern, und sogar von der Seele, die, wie er sagt, im ganzen Körper sich befindet. Die Seele des Auges ist das Sehen, die Seele des Ohrs das Hören und so die des Gefühls das Fühlen. Die Seele des Baums ist, daß er wächst und seine Nahrung mit den Wurzeln einsaugt. Sie ist in allem Lebendigen dieselbe. Kraft in Ausübung ist ihm Seele, und kein Körper, kein Element ohne Seele. Aber Verstand hat seine eigne Natur, behauptet er, die nicht leidet. Das Auge kann verblendet, das Ohr betäubt werden, der Verstand hingegen von dem tiefsten Denken unbefangen auf das leichteste übergehen. (Vielleicht nur bei dem Fürsten der Philosophen! Andre müssen wenigstens ein Schachspiel dazwischensetzen.) Und doch soll derselbe ein besonder eigen Teilchen, wie er sich ausdrückt, nur der menschlichen Seele sein, und sagt, diejenigen hätten recht, die ihn darin den Ort der Formen nennten; Denken, Urteilen wäre Aufnehmung, Schaffung von Formen. Die sinnliche Kraft der Seele könne nicht ohne Körper bestehen, der Verstand aber davon abgesondert werden; er sei sich allein Materie. Nur sei er leidend und vergänglich, insofern er etwas denke und sich an etwas erinnere; gleichsam wie der Sonnenstrahl, wenn er an den Dingen Farbe wird. Das Denken aber und Erinnern mache sein Wesen nicht aus; an und für sich selbst denk er nichts, und so sei er unsterblich.

      Folglich ist die Seele, als Verstand betrachtet, nur unsterblich, insofern sie nichts denkt.

      Dies ist wohl eine von den schwachen Seiten seines Systems, um den Vorrang des Menschen vor andern Tieren zu erklären; und hierin weicht er ab vom Anaxagoras, der seinen Verstand allem Lebendigen zuschreibt.

      Wenn der Verstand nur unsterblich ist, insofern er nichts denkt, so ist alle andre Materie auf eben die Weise unsterblich, nämlich insofern sie außer der Zusammensetzung gedacht wird; und wenn ich den Verstand auf eine andre Art erklären kann, so brauch ich keinen Gott, den Knoten des Drama aufzuhauen. Kurz, es ist ein Schlupfwinkel, worin wir nicht weiterkommen.

      Der Beweis, womit Anaxagoras, Plato und Aristoteles das Dasein des Verstandes dartun, ist: es muß ein Wesen geben, das unvermischt ist und alles durchdringen kann, damit es Gewalt darüber habe und erkenne.

      Fürs erste also ist jedes Element in seiner Reinheit unvermischt; und so Haufen Elemente in ihrer Reinheit beisammen.

      Sind die Elemente an ursprünglicher Feinheit verschieden, so ist, nach aller Erfahrung, wahrscheinlich das Feuer oder Lichtelement das feinste. Folglich hätte das Feuer alle Eigenschaften, die sie zu ihrem Verstand erheischen.

      Ist dies Seele, was, nach dem allgemeinen Begriff, andres durchdringt, so kann man auch mehrere Arten von Seelen annehmen. Feuer durchdringt die Luft; Luft und Feuer durchdringen das Wasser; und Feuer, Wasser und Luft durchdringen die Erde, und bändigen sie nach ihrem Wohlgefallen, und bequemen sich wieder als der Grundfeste freundlich nach ihr. Und