Nach der ältesten Meinung seines Volks glaubte Thales das Göttliche im Wasser zu finden, weil alles Lebendige sich davon nährt und aller Same feucht ist. Die Erde aber blieb immer nur Pflanzstätte, die das Himmlische durch Wind und Regen empfängt und Tiere und deren Nahrung damit gebiert; obgleich Mutter aller, selbst ohne Geist und Leben. Manche hielten sie nicht einmal für Element, sondern wie Hesiodos nur ersten Körper.
Alles kehrte zurück, wo es herkam; was von der Erde entsproß, zur Erde: das Himmlische wieder in die lustschwebenden ätherischen Zärtlichkeiten.
Doch, gestehen wir es nur, wir tappen damit noch in Nacht und Ungewißheit! wie die Alten selbst; von denen nur einer mehr oder weniger als der andre dreust war mit seinen Behauptungen. Ein bestimmtes deutliches System hierüber darf man bei keinem Sterblichen suchen; die größten Weisen haben für sich keins gehabt und nicht klar gesehen, wie kein Mensch die ganze Welt klar durchschauen kann. Sie nahmen gewisse Sätze an und bauten darauf hin, und wurden immerwährend von der Natur wieder in Verwirrung gesetzt.
Eines jeden Gefühl muß ihm sagen, daß er etwas Getrenntes von einem Ganzen ist und daß er sucht, sich wieder mit demselben zu vereinigen. Als Menschen suchen wir dies am ersten bei andern Menschen zu bewerkstelligen: die Natur leitet den Mann zum Weibe und das Weib zum Manne. Beide finden alsdenn doch noch nicht dies in sich allein und suchen ihr Ganzes bei mehrern ihresgleichen. Wo dieser Trieb lauter wirkt: die glückseligste Republik. Aber auch hier wird der Mensch endlich seine freie Vollkommenheit, sein Ganzes nicht finden. Es ist also klar, daß uns entweder der Tod mit diesem vereinigt oder doch nähert oder nach mancherlei Durchwanderungen von Körpern wieder dahin bringen muß. Aus diesem Gefühl stirbt eine Alkeste für ihren Gatten, als der minder edle Teil des Ganzen, und übergibt sich ein Regulus freiwillig Schmach und Leiden. Aus diesem Grunde sieht man mehrere Menschen, jeden schier von demselben Schlag und Gehalt, zusammen für verständiger an und ein ganzes Volk für die klare ausgemachte Weisheit; und wir können oft mit der sichersten Gewißheit von dem Gegenteil und dem stärksten Vorsatz nicht auf gegen die Macht der Täuschung.«
»O wie lieb ich das«, rief Demetri mir mit lebendigern Augen froh lächelnd zu, »wenn so einer aus dem andern Funken schlägt! O könnten wir uns Licht machen und einander einen Pharos anzünden in diesem nächtlichen Meere, wo Boreas und Süd und Ost und West verschiedner Meinungen stürmisch ungestüme Wogen wälzen! – wenigstens einer den andern wie ein noch scheues edles Roß vor den fürchterlichen Einbildungen auf allen Seiten herumführen.
Welches der König der Elemente ist: Luft oder Feuer, wär also der Streit bei den griechischen Dichtern und Philosophen. Um das Höchste und Edelste zu sein, muß er die Massen aller andern durchdringen, Gewalt darüber haben, sie an sich ketten und nach seiner eignen Natur formen und bewegen. Nach diesem Grundsatze würden die Dichter wohl den Philosophen nachgeben und alle lebendige Wesen eine Art von Flamme sein; Feuer so über Luft wie Bewegung des Lichts gegen Schall.
Auch war das Wesentliche zwei der ältesten Religionen des menschlichen Geschlechts in der Mitte der zwei größten Weltteile, Asien und Amerika, Verehrung der Sonne und des Feuers; und ihre Frommen bemitleideten die so mit geistiger Blindheit Geschlagnen, daß sie in Finsternis nach Gespenstern herumtappen, vom Lichte der Natur, durch alle Himmel dasselbe, lieblich und freundlich und erwärmend hell lebendig umstrahlt. Selbst in Rom, da edle Weisheit und Tapferkeit in seinem Senate noch den Erdboden regierte, bewahrten jungfräuliche Hände dessen Glut als das Allerheiligste.
Kapitel 35
Lassen wir aber auch noch einen Priester des Zeus mit seinem Pomp in diese Versammlung treten und die Religion seines Volks behaupten, weil wir einmal im erfreulichen Schwärmen der Phantasie darüber sind:
›Toren ihr alle!‹ ruft er aus; ›die Welt macht nur ein Ganzes, und ihr haltet euch an den Teil. Alle verschiedne Urwesen in der Natur sind göttlich, jedes so ewig als das andre, und keins kann von dem andern herkommen und geworden sein.
Rein abgesondert nennen wir sie Elemente; untereinander vermengt, für uns ohne Ordnung und Schönheit, nennen wir sie Materie.
Wie alle diese Kräfte zusammengekommen sind, sich verbinden und scheiden und allerlei Erscheinungen hervorbringen, hat noch kein menschlicher Kopf für Sinn und Verstand erklärt.
Tun wir den äußersten Flug menschlicher Einbildungskraft und nehmen Anfang an, wo es nur immer möglich ist.
Stellt euch das Chaos vor, das alle Götter, Menschen, Tiere, Metalle und Steine gebar, wie einen unermeßlichen heißen Nebel im unendlichen Raume, worin Sonnen und Planeten noch zerstäubt schwimmen mit den Meeren, Erden und Lüften!
Es begann die Zeit: Feuer und Lüfte und Wasser und Erden schieden sich, und ein gleichartiges Wesen gesellte sich seiner ewigen Natur nach zu dem andern. Die jungen Sonnen wälzten sich und wuchsen, bis jede sich aus ihrer Sphäre gleich ewigen blendenden Gewittern von lauter Blitzen und Wetterstrahlen (wovon wir an unsern Wolken zuweilen nur winzige dunkle Schatten sehen) zusammengesammelt hatte, und besäeten die Himmel. Die gröbern Massen sanken unter, jede nach ihrem verschiednen Grade, und machen nun die Planeten aus, die immer schwebend herumtanzen, sich wieder mit dem holden Lichte zu vereinigen, aber wegen ihrer Schwere nicht zum Anflug gelangen.
Und die Liebe ward geboren, der süße Genuß aller Naturen füreinander, der schönste, älteste und jüngste der Götter, von Uranien, der glänzenden Jungfrau, deren Zaubergürtel das Weltall in tobendem Entzücken zusammenhält. Und alle lebendigen Geschöpfe erhaschten in diesem Getümmel ihren Anfang; und vermehren sich nach alter Art immer wieder aus einem kleinen neuen Chaos von Elementen, nach Anzahl, Maß und Form der ersten Zusammensetzung.
Das Element, das alles füllt, das sich am freiesten und ungebundensten durch das Unermeßliche breitet, ohne welches nichts bestehen kann, was lebt, selbst das Feuer nicht, ist die Luft. Wir Trismegisten und Orpheuse gaben ihm den Namen Zeus und stellten diesen den Völkern in Wolken auf einem Donnerwagen mit dem flammichten zackichten Keil voll furchtbarer Majestät als dessen Regenten vor, weil sie nicht bis zu dem Unsichtbaren gelangen und Gestalt für den Sinn haben müssen.
Sein erstgeborner Sohn, Licht und Feuer, ist Apollo, der Sonnengott.
Der Beherrscher der Wasser, Zeus' Bruder, Neptun.
Den Erden, den Sammlungen unzählbarer andrer Elemente, setzten wir das Heer der übrigen Götter vor und erteilten dem dritten Bruder Pluto in den Unterwelten den höchsten Zepter.
Eure Großväter, die Pythagorasse und Homere, haben hernach unsre kühnen großen Erfindungen angenehm und lieblich und erfreulich ausgearbeitet und die Phidiasse und Polyklete denselben das Siegel aufgedrückt. Und so waren die Urkräfte der Natur für die Phantasie geordnet und jeder von ihren Lieblingskindern, den Menschen, schöne Tempel aufgestellt.‹
Verwundert Euch nicht, Freund«, fuhr Demetri fort, »über die astronomischen Ketzereien, die ich meinen Priester sagen lasse! Es wird eine Zeit kommen, und nach der Freiheit, womit die großen Geister schon anfangen ihre Flügel zu schwingen, kann sie nicht mehr fern sein, wo die Sonne und die Fixsterne auch bei den Menschen ihren erhabnen Posten behaupten werden wie in der Natur und unsre kleine Erde mit den andern Planeten um ihre Lebendigmacherin herumrollen wird;21 es wird die Zeit kommen, wo der kleinste Nebelstern Sonne sein wird und ein hellerer Morgen in unsern Kerker einbrechen, bis wir uns endlich alle Bande abstreifen und des ewigen Daseins, unsers Eigentums, als echte Kinder Gottes genießen, in unaussprechlicher Wonne, sonder Grausen vor den armseligen Schreckwörtern Tod und Zerstörung.
Es war besser, daß Millionen Sonnen sind, um nur Zahl zu nennen, als eine, die zu ungeheuer gewesen sein würde! Die Billionen Planeten hätten sich zu oft darumher einander verfinstert und die rasende Masse von Feuer sie verzehrt.
Alles Wesen besteht aus