Für Sultane sind dies heilsame Bilder, um sie zuweilen an ihre Menschlichkeit zu erinnern; und das größte Meisterstück davon stand in den kaiserlichen Bädern an seinem rechten Platz. Ich aber für mich muß aufrichtig gestehen, daß ich in meinem Bad oder Schlafzimmer ein Kunstwerk erfreulichrer Art aufgestellt haben möchte; wär es auch der verstümmelte Herkules, an welchem meine Phantasie noch obendrein immer zu schaffen hätte; denn für beständig möcht ich die Gnidische Venus nicht.
Der Torso ist das Höchste von einem Ringerkörper; der Sohn der Wundernacht, aus dessen Armen sich der dreifache Geryon nicht loswand, ruht und sitzt auf seinem Löwenfell. Man findet nichts mehr übrig von alter Kunst, wo Kernstärke schöner und vollfleischiger und alles in der lebendigsten Form mit dem feinsten Wahrheitsgefühl so abgewogen wäre. Er senkt die rechte Seite und hatte den linken Arm in der Höhe. Das mächtige Brustbein ist so zart gehalten und mit nerviger Fettigkeit überzogen, daß man es kaum merkt. Brust und Schultern und Mark vom Rücken herum sitzen über der schlanken Mitte ganz unüberwindlich und erdrückend. Die Schenkel sind lauter Kraft. Alles ist an ihm in Fluß und Bewegung in den allergelindesten Umrissen. Man sieht alle Teile und ihre Macht und Gewalt, jede Fiber ist in Regung: und doch tritt weder Muskel noch Knochen scharf hervor. Es ist recht das höchste Vermögen in höchster Bescheidenheit und Schönheit.
Vielleicht hat er ein süßes Geschöpf der Lust auf seinen Armen gewiegt; denn sie trugen, und die Zapfenlöcher der Stützen sind noch in den Schenkeln. Glückseligste Sphäre der Welt, an dieser Achse du von ihm Geliebte! Du mußtest ganz in Entzücken schweben und hangen und von aller andern Berührung frei und los sein! Doch dies zum Scherze; so wie ich beim Demetri behauptete: der fromme, zornige und schnellfüßige Achill Homers komme gegen diesen Helden nicht auf.
Der Farnesische Herkules hat den Charakter von einem Faustbalger, so feist und breit und vollgenährt sind die Formen gegen die Cestusschläge. Seine Stärke fällt zentnermäßig über das Gefühl eines heutigen schwachen Römers; aber auch außerdem macht er alle Welt zu Hunden und Katzen gegen einen Löwen in seiner vollsten Kraft.
Er hat im Farnesischen Hof einen zu niedrigen Standpunkt; deswegen schwillt die Brust zu sehr aus ihrer natürlichen Großheit, und noch Hüften und Seiten.
Sein Kopf ist vollkommen Eisen und Stahl unüberwindlichen Mutes und unerbittsam im Zähneinschmeißen.
Der Künstler, welcher ihn erfand, scheint ihn nach dem Ideale des Sophokles gebildet zu haben, wo der Held aller Helden ein ganzes Reich verheert, um Iolen in seine Gewalt zu bekommen; Vater und Brüder ermordet, weil sie bei einem Besuch ihren süßen Reiz ihm nicht zum heimlichen Beischlafe geben wollten; Dörfer und Städte verbrennt und die Einwohner als Sklaven gefangen führt: so tobte in ihm die Liebe.
Ich habe bei dieser Gelegenheit zu guter Letzt nicht unterlassen können, noch eine Skizze nach diesem Sonnenmut der Lust von sich strahlenden, jetzt meinem Lieblingsstücke unter allen des tragischen Dichters zu entwerfen, um mir damit eine eigne Kopie von der heroischen Gestalt und dem Farnesischen Stier aufzubewahren.
Dieser ist das größte Meisterstück in Marmor von allen Tieren aus der Zeit der Griechen. Man kann kein natürlicher Ochsenfleisch sehen, und Myrons Kuh war vielleicht nicht besser. Nur die Beine daran sind neu, sonst ist an ihm selbst alles wohlerhalten. Wahrhaftige wilde Stiernatur in Stellung, Bewegung durch den ganzen herrlichen Körper! Besonders strotzt die Kraft wunderbar vom Hintern über den königlichen Rücken. Schönes Bild von Stärke, um Herden zum Preise davonzutragen!
Die Skizze stellt den göttlichen Chor vor, wo Herkules und der Fluß Acheloos als Rind, beide von Kraft geschwellt, um Dejaniren miteinander kämpfen, welche in zarter Wohlgestalt am fernglänzenden Ufer sitzt und den Gatten erwartet, schüchtern wie ein Kalb von der Mutter fern: ob es der Sohn des Zeus sein werde oder das vierfüßige Tier, indes der Löwenwürger, nach langem Kriege, diesem das gewaltige Horn ausreißt.
Der erfreulichste Genuß dieser Werke ist für uns verschwunden, weil wir keine olympischen Kämpfe und Siege mehr daran sehen. Beide Athenienser verherrlichen mit diesen hohen Mustern noch hier ihre Vaterstadt; doch möcht ich lieber der Apollonios des Torso sein als der Glykon des farnesischen Keulenschwingers.
Der sogenannte Antinous, welcher einen jungen Helden, vielleicht den Meleager, vorstellt, wie man aus einem andern Bilde schließen kann, das in Figur und Stellung ähnlich ist, wo unten zu den Füßen der wilde Schweinskopf sich befindet, hat für uns unter den vier Hauptstatuen die mehrste Wirklichkeit.
Eine echte griechische jugendliche Schönheit voll geistigen Reizes und süßer lieblichen Hoheit. Er blickt empfindend zur Erde, als ob er sich besänne, zu welchem Mädchen er gehen wolle; und Lippen, Stirn und Wangen und Kinn sehen recht kräftig, zartnervig und anhaltend im Genuß aus. Die Formen am Unterleibe sind nicht klar hervor, und er muß im Ringen noch zusammengeschlungen und seine Natur geübt werden. Die Brust, besonders vom rechten Arm her, schwillt milchig; und ich kenne nichts Verführerischers für ein Weib zur Umfassung. Mit einem Wort, es ist der schönste junge Mensch unter allen alten Statuen. Der Bauch allein ist ein wenig zu flach gehalten, vielleicht verhauen.
Will man auf eine andre Weise lieber: so sinnt der junge Held, wie er einen Kampf mit dem besten Verstand abmachen soll. Der Zug des Denkens ist über dem rechten Auge, wodurch der Knochen schärfer hervorkömmt als bei dem linken; und das Heroische sitzt in der kräftigen Stirn und dem gefaßten Blick und den Lippen, wo sich das Gefühl seiner bewußten Stärke öffnet und hervorblüht. Wenn er ein Zeichen hätte, so könnte man sich noch den Sohn der Maja unter ihm vorstellen, der seine Gesandtschaft überdenkt. Es ist ein himmlisches Bild und erregt auf jede Art entzückende Gefühle, dessen Schönheiten am leichtesten und sichersten in die neuere Kunst überzutragen sind.17
Kapitel 32
So wie dieser Jüngling am mehrsten an die Menschheit grenzt, so ist hingegen Apollo ganz Gott, und es herrscht eine Erhabenheit durchaus, besonders aber im Kopfe, die niederblitzt; göttliche Schönheit in allem von dem nachlässig sanft gewundnen Haare bis zu den schlanken behenden Schenkeln und Beinen, ihre geistige Blüte, nicht die irdische Fülle. Stand und Blick, und Lippen voll Verachtung geben seine Hoheit zu erkennen. Die Augen sind selig, leicht aufzutun und zu schließen, in weiten Bogen. Sein kurzer schlank und zart geformter Oberleib zu den langen Beinen macht ihn zu einer ganz besondern Art von Wesen und gibt ihm Übermenschliches.
Ein erstaunliches Werk von Erfindung und Phantasie! Das Problem ist aufgelöst: da steht ein Gott, aus der Unsichtbarkeit hergeholt und in weichem Marmor festgehalten für die Melancholischen, die ihr Leben lang nach einem solchen Blicke schmachteten. Es ist der höchste Verstand und die höchste Klugheit mit Zornfeuer und Übermacht gegen Verächtliches; darauf zweckt alle Bildung. Was Apollo hat, ist ihm eigen und läßt sich wenig durch Nachahmen übertragen.
Auch dessen Altertum hat man angetastet und ihn zwar für keine Kopie, doch für ein Werk aus der Kaiser Zeiten halten wollen; weil der Marmor karrarischer zu sein schien, welcher kurz vor dem Plinius entdeckt wurde, und kein parischer, woraus die Griechen ihre mehrsten Bildsäulen verfertigten.
Wenn man dieses beweisen könnte, so wär es wohl ausgemacht wahr; allein daran fehlt viel. Der parische ist nicht durchaus gleich, und man hat sichre neuere Proben kommen lassen, die von dem Marmor des Apollo im Korn nicht unterschieden sind. Und ferner gibt es so zarten karrarischen, daß er mit dem besten parischen übereinkömmt. Und wo ist der übergroße Marmorkenner, der von irgendeinem Stücke sagen will, gerade woher es sei, da dieser Stein in jedem Klima zu finden ist? Apollo hat nicht das gelbliche Alter des Laokoon und andrer griechischen Bildsäulen; vielleicht weil er nicht der Witterung so ausgesetzt war. Er ist augenscheinlich für einen