Moderne Emanzipation
Damit schafft die Kosmetik die Voraussetzung für eine Emanzipation in einem ganz anderen Sinne als dies je früher gedacht oder auch nur geahnt worden war. Nicht als ein Nachahmenwollen des Männlichen in ihr, nicht ein Kampf gegen den Mann außerhalb ihrer selbst, sondern ein befreiendes Bekenntnis zum eigenen, sich selbst bewusst werdenden Wandlungscharakter, als einer aus den Urgründen des Daseins schöpfenden Dynamik; das ist der eigentliche tiefe Sinn wahrer Emanzipation. So weist die Kosmetik Wege zu einer Selbstverwirklichung, die die Frau für sich alleine zu gehen vermag. Aus der Harmonie der äußeren Erscheinung, aus der Zufriedenheit und dem innerlich beglückenden Gefühl, sich selbst aus der eigenen Lebensmitte heraus darzuleben und entfalten zu können, findet sie ihr eigenes Selbst wie eine Insel, als ein rein weibliches Reich, in dem sie unabhängig von aller Welt und unberührt von allem Hässlichen Königin sein kann. Wenn eine Frau sich aber nicht pflegt oder nicht pflegen will, dann ist dies nicht nur von der Vernunft her gesehen unklug und für sie selbst von Nachteil, sondern im Grunde eine Missachtung des eigenen innersten Lebenssinnes, sei es aus Unkenntnis, aus Nachlässigkeit oder aus überholten konventionellen Vorurteilen.
Partnerschaft mit dem Mann
Trotzdem bedarf die höchste und tiefste Erfüllung fraulicher Selbstverwirklichung der liebenden, ritterlichen Begegnung und Partnerschaft mit dem Mann, welcher gewillt und fähig ist, das weiblich-frauliche Wesen in seinen beiden Weisen des Elementar- und Wandlungscharakters zu tolerieren und vor allem als die notwendige Voraussetzung für seine eigene schöpferische Leistung zu erkennen und anzuerkennen. Aus dieser Zweisamkeit körperlicher, seelischer und geistiger Begegnung allein ist das höchste Ziel aller Menschlichkeit zu erringen: Der Mensch als sich selbst bewusste, sich selbst verwirklichende Persönlichkeit, die all das Ihre als ein Geschenk der Gnade dankbar empfängt, um es in den schöpferischen Momenten liebender Begegnung weiterzugeben und hineinzutragen als Tat in die Wirklichkeit unserer heutigen Zeit und Welt.
Das griechische Schönheitsideal
Urgrund der Ästhetik
Nicht nur für die gesamte abendländische Kultur stehen wir in Griechenland auf bedeutsamem historischen Boden, sondern vor allem auch für das Gebiet unserer eigenen Lebensarbeit, der Kosmetik und der Kosmetologie als Pflege der menschlichen Persönlichkeit in ihrer Erscheinung, in ihrer Gestalt und in ihrem Aussehen. Damit gehen wir zurück zu dem seelisch-geistigen Urgrund der Schönheitspflege, zur Ästhetik, in die Welt des Empfindens und Erfühlens. Die Griechen der Antike waren es, welche erstmalig in Bewusstheit den Glauben an die Sendung des Menschen und den Wert der menschlichen Persönlichkeit wachgerufen haben und welche danach strebten, die Idee der Schönheit in ihrer Kunst zu verwirklichen. In Griechenland stand die Wiege dieser damals neuen dynamischen Idee, den Menschen als das höchste Wesen irdischer Schöpfung in den Mittelpunkt der Lebensbetrachtung in der Philosophie und der Lebensdarstellung in der bildenden Kunst zu erheben. Der Mensch – das Geschöpf der Götter, ein unsterbliches seelisches Wesen in einer körperhaften vergänglichen Erscheinung, die es galt, im Kunstwerk unvergänglich festzuhalten.
Idee des Schönen
Über dem Boden, der einst das alte Hellas trug, waltet noch heute die kraftvolle Entschiedenheit wie ein Vermächtnis für uns Menschen von heute, den von den Hellenen aufgezeigten Weg auch für uns und für die Zukunft fortzusetzen. Dadurch entsteht für uns die Frage, wie es uns möglich ist, die Idee des Schönen in der heutigen Zeit, in unserem Leben und in unserer Arbeit fortzusetzen und lebendig zu halten.
Plato sagt in seinem Philebos, „das Schöne entsteht, wenn Zahl und Maß durch die ordnende königliche Seele des Zeus in die Mannigfaltigkeit der zahllosen und unermesslichen Erscheinungen der körperhaften Welt tritt“. Die königliche Seele des Zeus schenkt die schöne Ordnung der Natur, den Kosmos, die Sphären-Harmonie. Das Schöne ist der göttliche Geist, der sich in der Natur, in der Harmonie ihrer Formen und Gestalten offenbart.
Harmonie der Erscheinung
Die Harmonie, das Eins-Sein, das Einander-Durchdringen des Seelischen und des Körperhaften in Raum und Zeit ist das Ideal der antiken hellenischen Schönheit. Und da sich selten eine so reiche geistige und seelische Begabung mit einem gleichfalls gesunden Wirklichkeitssinn verbunden hat wie bei den alten Griechen, so ist es verständlich, weshalb gerade sie in einer einzigartigen Genialität fähig waren, die Idee der Harmonie in ihrer Kunst bildhaft darzustellen und zu verwirklichen. Denn reine Menschlichkeit in der Erscheinung aufzufinden ist unendlich schwer, vielleicht sogar in der Wirklichkeit unmöglich. Das ahnungsvolle Vermögen der Griechen aber vermochte ihren Olymp mit idealischen Gestalten zu bevölkern. Und wenn der Grieche eine reine Eigentümlichkeit und reine Schönheit zu schauen suchte, dann wandte er sich dem Kreise seiner Götter zu und fand, was er in seinem Sehnen wünschte.
Gestaltung des Schönen
Deshalb ist es bisher nur dem griechischen oder dem von seiner Welt inspirierten Künstler gelungen, die Idee des Schönen in der menschlichen Erscheinung zu einer wahrhaften Harmonie zu gestalten und ihr in der Welt der Kunst den zeitlosen und doch ganz eigenen, ja eigenwilligen Ausdruck zu verleihen, der uns auch heute noch und immer wieder in seinen Bann schlägt. Was aber will dieses antike, hellenische Schönheitsideal, symbolhaft dargestellt in den Kunstwerken, welche die Idee menschlicher Schönheit in sich tragen, uns heutigen Menschen sagen? Was will sie gerade uns sagen, die wir die Schönheit und das Schöne der lebendigen menschlichen Erscheinung hegen und pflegen wollen? Was der antike griechische Künstler in seinen Werken verwirklichte, nämlich der Idee des Schönen im Bild- und Gestaltwerk symbolhaften Ausdruck zu verleihen, das wollen wir den lebenden Menschen um uns und uns selbst schenken und geben.
Sympathie
Wir fühlen in uns eine aus dem Urgrund unseres Wesens aufkeimende glückhafte Freude, die in sich den Wunsch trägt, das schön Empfundene in sich aufzunehmen. Aus dem Anblick und aus der Empfindung schönen Lebens erwacht und wächst das Gefühl der Sympathie, des Wohlwollens und der Zuneigung. „Der Liebende begehrt nach dem Schönen, dass es ihm zuteil werde, um mit ihm gemeinsam glücklich zu sein“, sagt Plato, und „an der Stelle seiner Lebensbahn, wo der Mensch das Wesen des Schönen erkennt, wo er das Schöne selbst schaut, da wird ihm das Leben erst lebenswert.“ Aber nicht alle Menschen finden das Gleiche schön; vielmehr empfinden wir das Schöne ganz individuell und ganz persönlich nach unserer eigenen Art, nach unserem eigenen Wesen, nach unserem eigenen Charakter.
Individualität der Empfindung
So hat jeder Mensch als Persönlichkeit sein ganz ureigenes Empfinden von Schönheit, ebenso wie auch ein jedes Menschenalter seine eigene Schönheit besitzt. Jeder von uns entscheidet ganz allein für sich selbst, was ihm schön ist, was er als schön, als harmonisch mit seinem eigenen Ich empfindet und erfühlt. So liegt der Schlüssel für das Schöne nicht außerhalb in den Erscheinungen allein, sondern zugleich in uns, in unserem eigenen Ich als geistig-seelisch-körperlichem Sein.